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Archiv 2016

Kuhle

2016/12/28

Themen des Jahres 2016

Street Art in Berlin FriedrichshainH.Z.D.2016/12/26
Unter Kiefern und Hibisken 3Ella Gondek2016/12/24
Rauhreif in RaabElla Gondek2016/12/22
Gute LauneDr. Pätzold2016/12/20
adventJenny Schon2016/12/18
Das Anti-Kriegs-MuseumDr. Pätzold2016/12/17
Lesung im Café Morgenstern2016/12/14
HoffnungJenny Schon2016/12/12
Literaturnobelpreis 2016 an Bob DylanDr. Pätzold2016/12/11
100 Jahre DADA mit Prof. Dr. Hanne Bergius2016/12/10
Sklavenkadaverart kicksuch2016/12/08
Die SchwarzfahrerinElla Gondek2016/12/05
Das geplante Museum des 20. JahrhundertsDr. Pätzold2016/12/03
Der Steckrübenwinter 1916/17Dr. Pätzold2016/12/01
82 Gewehre/Für Fidel CastroJenny Schon2016/11/29
Street Art in Berlin FriedrichshainH.Z.D.2016/11/28
50. Todestag von Dr. Siegfried KracauerDr. Pätzold2016/11/26
Unter Kiefern und Hibisken 2Ella Gondek2016/11/22
Andreas-Gryphius-Preis an Jenny Schon2016/11/18
Roter WeddingDr. Pätzold2016/11/16
Die Blaue Blume der RomantikDr. Pätzold2016/11/12
Street Art von Marina ZumiDr. Pätzold2016/11/08
Social Knit Work Berlin: Public Chair2016/11/05
Menschart kicksuch2016/11/01
Tagebuch 1973, Teil 12: NowgorodDr. Pätzold2016/10/28
Tagebuch 1973, Teil 11: MoskauDr. Pätzold2016/10/26
Unter Kiefern und Hibisken 1Ella Gondek2016/10/23
Dada-Prozeß (1921)Kurt Tucholsky2016/10/21
Lesung mit Gesang im Café Tasso2016/10/16
Vortrag: Hanns Eislers A-cappella-Chöre2016/10/13
Atlas des Kommunismus am Maxim Gorki TheaterDr. Pätzold2016/10/12
Lob des Schattensart kicksuch2016/10/08
Für Janis JoplinJenny Schon2016/10/04
Die Südwestpassage Kultour2016/10/03
Die Große Deutsche Inflation von 1923Dr. Pätzold2016/09/29
Pessima tempora plurimae legesJenny Schon2016/09/26
The Right Livelihood Award2016/09/24
Die Berliner Abgeordnetenhauswahl vom 18. September 2016Dr. Pätzold2016/09/22
Das Nationalmuseum in SarajevoFerry van Dongen2016/09/18
Kontaktart kicksuch2016/09/15
Tagebuch 1973, Teil 10: OrelDr. Pätzold2016/09/12
Tagebuch 1973, Teil 9: KurskDr. Pätzold2016/09/09
The Warhol in PittsburghFerry van Dongen2016/09/04
Impression von der Kuhle Wampe Gartenparty2016/09/02
Lesung im Primobuch AntiquariatJenny Schon2016/08/28
Das Helene Weigel Haus in PutgartenManfred Gill2016/08/25
Griechische Kunst statt griechischer Schuldenkrise2016/08/22
Vor 50 Jahren: Große Proletarische Kulturrevolution
in der VR China
Dr. Pätzold2016/08/19
71. Jahrestag der US-amerikanischen Atombombenabwürfe
auf Hiroshima und Nagasaki
Manfred Gill2016/08/16
Die Zeit der ÄpfelElla Gondek2016/08/13
100. Todestag von Lily BraunDr. Pätzold2016/08/09
Irgendwannart kicksuch2016/08/04
Gedanken im Sommer am Strand von WarnemündeDr. Pätzold2016/08/01
LügenpresseDr. Pätzold2016/07/28
Der Christopher Street DayDr. Pätzold2016/07/26
Joseph Beuys - Das Kapital im Hamburger BahnhofDr. Pätzold2016/07/23
Giorgio Morandi zum 126. GeburtstagDr. Pätzold2016/07/20
Eisler on the Beach am Deutschen Theater BerlinDr. Pätzold2016/07/15
in uns istart kicksuch2016/07/11
Noch mal 100 Jahre VerdunDr. Pätzold2016/07/07
Lesung im Primobuch Antiquariat2016/07/02
Tomorrow - die Welt ist voller Lösungenart kicksuch2016/06/29
Das Bedingungslose GrundeinkommenDr. Pätzold2016/06/28
BREXIT right or wrong?Dr. Pätzold2016/06/25
100 Jahre Junius-Broschür von Dr. Rosa LuxemburgDr. Pätzold2016/06/21
Lesung im Café Morgenrot2016/06/17
40 Jahre Soweto UprisingDr. Pätzold2016/06/16
Hallutsinationart kicksuch2016/06/13
Die Bagdad-BahnMichael Ickes2016/06/10
Breslau Kulturhauptstadt Europas2016/06/08
Das alte Rathaus von BreslauDr. Pätzold2016/06/06
Breslauer ZwergeDr. Pätzold2016/06/04
2. JuniJenny Schon2016/06/02
Grandola Vila MorenaZeca Afonso2016/05/30
Lissabon: A Voz do OperárioFerry van Dongen2016/05/28
Stolpersteinverlegung durch den Künstler Gunter Demnig2016/05/26
Swetlana Alexijewitsch, LiteraturnobelpreisträgerinDr. Pätzold2016/05/23
Federlicht, Tanz Performance2016/05/17
Wie Herr Varoufakis Europa retten willDr. Pätzold2016/05/15
Streetart von Xuehka in LissabonFerry van Dongen2016/05/13
Eric Burdon zum 75. GeburtstagFerry van Dongen2016/05/11
UlrikeJenny Schon2016/05/09
Geh in die Stilleart kicksuch2016/05/05
Eine andere Definition der GutmenschenJenny Schon2016/05/04
Lenins Kopf ist wieder daDr. Pätzold2016/05/03
Grüße zum 1. Mai2016/05/01
GutmenschDr. Pätzold2016/04/29
Das Kommunistische AmerikaFerry van Dongen2016/04/24
Det Klajelied von de Krumme LankeFredy Sieg2016/04/23
Ein Koppenträger auf der Schneekoppe2016/04/19
Verhinderte AlpinistinJenny Schon2016/04/18
130. Geburtstag von Ernst ThälmannDr. Pätzold2016/04/16
Der Tulpenwahn von 1637Dr. Pätzold2016/04/10
The Rolling Stones in KubaDr. Pätzold2016/04/07
Allgegenwaertige Dummheitart kicksuch2016/04/02
Tagebuch 1973, Teil 8: CharkowDr. Pätzold2016/03/30
Tagebuch 1973, Teil 7: Rostov-na-DonuDr. Pätzold2016/03/26
Die Abholzung von Franz Josef DegenhardtDr. Pätzold2016/03/22
FrühlingserwachenDr. Pätzold2016/03/20
Lesung im Antiquariat & Café Morgenstern 2016/03/12
Der Friedhof der MärzgefallenenDr. Pätzold2016/03/09
Wartet nur (1844)Heinrich Heine2016/03/05
Lesung im Primobuch Antiquariat2016/03/02
60 Jahre halbstarkJenny Schon2016/02/28
Schwimmwesten aus Lesbos am Konzerthaus BerlinAi Weiwei2016/02/25
100 Jahre Schlacht von VerdunDr. Pätzold2016/02/21
50 Jahre Mao-BibelDr. Pätzold2016/02/18
Demo-Plakat im Friedrichshainer Nordkiez2016/02/16
achse der ismenart kicksuch2016/02/13
Nicht Dada, sondern MERZFerry van Dongen2016/02/10
Hans Arp, DadaistFerry van Dongen2016/02/07
DADA zum 100. GeburtstagDr. Pätzold2016/02/05
The Topulli familyJudith Kiers2016/01/30
Lesung im Nachbarschaftshaus Friedenau2016/01/29
Berliner S-Bahn-DesasterElla Gondek2016/01/25
Lesung im Café-Winebar Amarcord2016/01/19
Die Shoah Foundation von Steven SpielbergDr. Pätzold2016/01/17
Max Beckmann in der Berlinischen GalerieDr. Pätzold2016/01/13
Social Knit Work Berlin: BaumschmuckDr. Pätzold2016/01/10
Tahrir-Platz - Platz der BefreiungJenny Schon2016/01/08
500 Jahre Utopia von Thomas MorusDr. Pätzold2016/01/06
Die Satisfaktion begann viel früherJenny Schon2016/01/04
Sag mir, wo die Blumen sindJenny Schon2016/01/03
Prost NeujahrDr. Pätzold2016/01/01

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2016/12/26

Street Art in Berlin Friedrichshain

friededenhuetten
Hausprojekt in der Samariterstraße 32 in Berlin Friedrichshain.
Fotografiert von H.Z.D., November 2016.

Der Spruch »Friede den Hütten! Krieg den Palästen!« wurde durch den Hessischen Landboten (1834) und Georg Büchner in Deutschland bekannt. Er stammt ursprünglich aus der Französischen Revolution von 1789: "guerre aux chateaux, paix aux chaumières". Der Spruch wird dem französischen Schriftsteller Nicolas Chamfort (1741-1794) zugeschrieben.

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2016/12/24

Unter Kiefern und Hibisken 3

Ella Gondek

Meine Gartenidylle wurde Ende November auf das Empfindlichste gestört. Und zwar wurde eingebrochen. Am Bungalow wurde im hinteren Teil bei einem Fenster die Scheibe eingeschlagen. Zum Glück kamen die Einbrecher nicht in den Bungalow rein. Dann wurde das Holz-Eingangstor stark beschädigt. Die Eisenstange wurde aus ihrer Halterung gerissen, vom Betonpfeiler ein großes Stück rausgeschlagen einschließlich Eisenbolzen sowie die Metallhalterung für das Schloss ziemlich verbogen. Ich habe zwar eine Gebäudeversicherung, diese beinhaltet aber nicht Diebstahl und Vandalismus. Ich habe das Fenster von einer Glasfirma reparieren lassen. Das Eingangstor hat ein lieber Kumpel von mir provisorisch repariert. War ganz schön viel Arbeit für ihn.
Ich habe in Erfahrung gebracht, dass in unserer Anlage mit 18 Gärten auch früher schon öfters eingebrochen wurde und Sachen beschädigt wurden. So kann ich nur hoffen, dass mein Garten erst einmal verschont bleibt.
Ich habe die letzten Tage wieder Laub geharkt, da immer noch reichlich Blätter an den Bäumen hängen. Wäre schön, wenn sich in den zwei großen Laubhaufen vielleicht der eine oder andere Igel ein warmes Überwinterungsplätzchen suchen würde.
Ich wünsche allen Kuhle-Wampe-Lesern ein schönes Weihnachtsfest sowie viel Glück und Gesundheit fürs neue Jahr.
© Ella Gondek, Dezember 2016.

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2016/12/22

Rauhreif in Raab/Oberösterreich im Dezember

raab
Das Foto wurde von © Ella Gondek zur Verfügung gestellt.

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2016/12/20

Wie Sie gute Laune bekommen

Dr. Christian G. Pätzold

Habe gerade das DAK-Magazin fit! gelesen
In meiner Nase sitzen 30 Millionen Riechzellen
Das hätte ich nicht gedacht
In Deutschland gibt es 15 Millionen Schwerhörige
Ich hätte mehr geschätzt
17 % der Deutschen benutzen keine Sonnenschutzprodukte
Fliegen Sie doch einfach mal nach Mallorca
(Falls Sie das nötige Kleingeld dafür haben sollten)
Das Sonnenlicht fehlt dem Körper und der Psyche in Deutschland
In Maßen genossen stärkt es das Immunsystem
Die Produktion von Vitamin D wird ermöglicht
Das ist wichtig für Zähne und Knochen
(Falls Sie noch welche haben)
Das Sonnenlicht senkt auch den Blutdruck
Und aktiviert die körpereigenen Glückshormone
"Ein Schub für die gute Laune"
Ballermann 6
Und bitte: Sagen Sie im Reisebüro nicht mal-lor-ka
Dann sind Sie gleich als Proll geoutet
Es heißt natürlich ma-jor-ka

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2016/12/18

advent1

advent2

© Jenny Schon, Dezember 2016.

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2016/12/17

Das Anti-Kriegs-Museum

Dr. Christian G. Pätzold

antikriegsmuseum
Angelo Monitillo, Das Gewehr zerbrechen, 2005, gegenüber dem Anti-Kriegs-Museum in Berlin Wedding, Brüsseler Straße 21.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold, September 2016.

Das Anti-Kriegs-Museum wurde 1925 von dem Pazifisten und Anarchisten Ernst Friedrich (1894-1967) in Berlin Mitte, in der Parochialstraße 29, eröffnet. Während der Weimarer Republik wurde er 13mal verurteilt und verbrachte über 3 Jahre im Gefängnis, hauptsächlich wegen Beleidigung der Reichswehr. 1933 zerstörten die Nazis das Museum. Friedrich eröffnete 1936 ein zweites Anti-Kriegs-Museum in Brüssel, das 1940 ebenfalls von den Nazis zerstört wurde. 1982 wurde in West-Berlin ein neues Anti-Kriegs-Museum eröffnet, das sich nach Umzügen heute in Berlin Wedding, in der Brüsseler Straße 21, befindet.
Das heutige Anti-Kriegs-Museum ist nur ein kleines Ladenlokal mit wenigen Räumen, fast so wie das erste Museum von 1925. Natürlich ist einiges Kriegsgerät ausgestellt. An den Wänden der Ausstellung befinden sich Informationstafeln zu einzelnen Persönlichkeiten und Etappen der Friedensbewegung, die sich gut als Arbeitsmaterial für Schüler eignen. Beeindruckend ist der Luftschutzkeller unter dem Laden, die Bomberangriffe auf Berlin müssen nicht sehr schön gewesen sein.
Leider wird der Frieden in Deutschland klein geschrieben. Deutschland war im Jahr 2015 der drittgrößte Waffenexporteur der Welt! Die Waffenexporte hatten einen Wert von 7,86 Milliarden Euro, wobei die Waffen auch offiziell in Krisengebiete geliefert wurden, auch an Diktatoren in Katar oder Saudi-Arabien. Dafür verantwortlich ist der geheime Bundessicherheitsrat, dem unter anderen der SPD-Vorsitzende Gabriel und die CDU-Vorsitzende Merkel angehören, der die Waffenexporte genehmigt hat. Außerdem werden immer mehr deutsche Soldaten in Kriegseinsätze ins Ausland geschickt, nach Afghanistan, Syrien, Mali etc. Dafür verantwortlich sind die SPD und die CDU/CSU.
Heute gibt es in vielen Ländern kriegerische Auseinandersetzungen, in Europa vor allem den Kriegszustand zwischen Russland und der Ukraine. Russland hat aber auch Teile anderer Länder wie Moldawien und Georgien besetzt.
Der Pazifismus als politische Haltung hat heute einen schweren Stand, wie früher auch schon. Die Ostermärsche in Deutschland werden nicht so gut besucht. (Seht bitte den Artikel „Ostermarsch Berlin 2015“ vom 7. April 2015). Für das Militär wurden in Deutschland im Jahr 2015 33,0 Milliarden Euro ausgegeben. Für 2016 stehen 34,3 Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Die Friedensbewegung dagegen hat nur einen kleinen Laden in Berlin Wedding. Ein größeres Ungleichgewicht lässt sich kaum denken.

"How many roads must a man walk down
Before you call him a man?
How many seas must a white dove sail
Before she sleeps in the sand?
Yes, and how many times must the cannon balls fly
Before they're forever banned?
The answer, my friend, is blowin' in the wind
The answer is blowin' in the wind."

Bob Dylan, Blowin’ in the Wind, 1962.
Ich fand es übrigens gut, dass Bob Dylan in diesem Jahr den Literaturnobelpreis bekommen hat.

Literatur: Im Anti-Kriegs-Museum gibt es Broschüren und Bücher über die Geschichte des Museums zu kaufen.

© Dr. Christian G. Pätzold, Dezember 2016.

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2016/12/14

Einladung zur Lesung im Café Morgenstern am 16. Dezember 2016

Poetin bewegt
Jenny Schon liest Gedichte aus den letzten 50 Jahren...
Der Musiker Frank Wismar untermalt die Lesung mit mystischen Klängen aus dem Llibre Vermell de Montserrat & von Hildegard von Bingen.

Zeit: Freitag, 16. 12. 2016 um 19 Uhr
Ort: Morgenstern - Antiquariat und Café
Schützenstr. 54 in Berlin-Steglitz (U und S Rathaus Steglitz)

Liebe Freunde und Freundinnen,
wer mag, kann im Anschluss an die Lesung mit mir auf mein neues Lebensjahr anstoßen,
liebe Grüße Jenny Schon.

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2016/12/12

Jenny Schon, Magistra Artium

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© Jenny Schon, Dezember 2016.

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2016/12/11

Der Literaturnobelpreis 2016 wurde an Bob Dylan verliehen

bob

Bob Dylan: Den Oscar, den Pulitzer-Preis und den Golden Globe hatte er schon. Jetzt hat er auch noch den Literaturnobelpreis für seine Lyrik verliehen bekommen. Viele Kenner der Literatur sind der Ansicht, dass er den Nobelpreis jetzt endlich mal verdient hat. Bob Dylan ist mir seit mindestens 1968 ein positiver Begriff. Wen sonst kennt man schon so lange? Er war eine wichtige Stimme der Protestbewegung der Jugend in den 1960er Jahren. Nein, er ist am 10. Dezember nicht nach Stockholm gekommen, um eine Rede zu halten und den Preis persönlich zu empfangen. Er hatte leider "andere Verpflichtungen", schrieb er. Er hat aber eine Dankesrede geschrieben, die beim Nobelpreisbankett am 10. Dezember vorgetragen wurde. Bei der Preisverleihung sang außerdem Patti Smith, bekannt als Godmother of Punk, den Dylan-Song "A Hard Rain’s A-Gonna Fall" von 1962. Es ist irgendwie unklar, ob er die Kriterien erfüllt hat und den Preis nun hat oder nicht. Mit seiner Singer/Songwriter Music ist er immer noch auf Tour, obwohl er schon 75 ist. Einige seiner bekanntesten Songs sind: "The Times They Are a-Changin’", "Like a Rolling Stone", "Blowin’ in the Wind", "Mr. Tambourine Man", "Don’t Think Twice, It’s All Right".
Dr. Christian G. Pätzold.

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2016/12/10

Vortrag und Gespräch: 100 Jahre DADA mit Prof. Dr. Hanne Bergius
am 13. Dezember 2016

"Seit Mitte der 1970er Jahre hat Hanne Bergius wissenschaftlich zu Dada geforscht, unzählige Texte verfasst, Kataloge herausgegeben, Ausstellungen kuratiert und ihre Begeisterung für Dada an jüngere Kolleg_innen und das große Publikum weitergegeben.

Im Zentrum des Vortrags stehen die Erste Internationale Dada-Messe und das Montagekonzept von Grosz und Heartfield. Hinter dem Slapstick der Prothesen stand das Grauen des Krieges mit seiner kriegstheologischen Anmaßung. Der Dadaist, erschüttert und doch zugleich souverän, setzte die Mittel der Groteske, der Satire und des Un-Sinns gegen eine Gesellschaft ein, der er skeptisch misstraute. Die Frage stellt sich, welche Wirkung DADA nach dem Zweiten Weltkrieg noch hatte. Welchen Einfluss vermochten die DADA-Ausstellungen von 1958 und 1977 noch auszuüben?"
(Zitiert aus der Ankündigung der Veranstaltung.)

Dienstag, 13. Dezember 2016, 19:00 Uhr
Franz-Mehring-Platz 1, Berlin Friedrichshain
Rosa-Luxemburg-Stiftung, Münzenbergsaal
Die Ausstellung montage_16 ist von 16:00 bis 20:00 geöffnet
Der Eintritt ist frei.

http://heartfield-grosz.berlin/

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2016/12/08

art kicksuch

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© art kicksuch, Dezember 2016.

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2016/12/05

Die Schwarzfahrerin

Ella Gondek

Vor einigen Tagen fuhr ich gegen Mittag mit der SBahn nach Hause. An der Station Südkreuz hopste auf einmal eine Taube in den Waggon. Die SBahn fuhr an und die Taube fing gleich an, die Krümel, die im Waggon herumlagen, aufzupicken. Es waren relativ wenige Leute anwesend. Zum Glück kamen keine Kontrolleure. Wer weiß, wie viel sie an Strafe hätte bezahlen müssen. Sie ließ sich auch auf den nächsten Stationen nicht stören und tippelte fleißig auf und ab. Auf die Idee, auch die Gepäckablagen zu inspizieren, ist sie aber nicht gekommen. Das hätten eventuell darunter sitzende Fahrgäste bestimmt nicht so als erfreulich empfunden. Sie hopste dafür auf einen der Sitzplätze. Ich nahm mein Handy und versuchte, ein Foto von ihr zu machen. Leider klappte das Speichern nicht - schade. So eine Gelegenheit bietet sich mir bestimmt nicht wieder. Als sich in Schöneweide die Tür öffnete, flog das reisefreudige Täubchen mit einem eleganten Satz ins Freie. Ob sie vielleicht in Schöneweide jemanden besuchen wollte?

© Ella Gondek, Dezember 2016.

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2016/12/03

Das geplante Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin

Dr. Christian G. Pätzold

museum
Entwurf für das Museum des 20. Jahrhunderts am Kulturforum Berlin. © Herzog & de Meuron Basel Ltd., Basel, Schweiz mit Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich/Berlin.

Das von vielen lang ersehnte Haus in Berlin am Kulturforum ist einen Schritt vorwärts gekommen. Das Basler Architekturbüro Jacques Herzog & Pierre de Meuron soll das neue Museum der Moderne bauen. Es ist schon sehr bekannt durch die Allianz Arena in München, die Elbphilharmonie in Hamburg, das Vogelnest-Olympiastadion in Peking und den Anbau der Tate Gallery in London. Wir haben zwar schon ein Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts, die Neue Nationalgalerie. Aber von mir aus kann noch ein zweites Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts gebaut werden. Doppelt hält besser. Das 20. Jahrhundert war zwar schrecklich aber die Kunst im letzten Jahrhundert war einfach zu interessant und vielfältig und die staatlichen Museen (Preußischer Kulturbesitz) haben genug Kunstwerke im Depot. Frage am Rande: Warum gehören all die Kunstwerke eigentlich Preußen und nicht dem deutschen Volk?
Der Entwurf des Museums sieht von außen aus wie eine schlichte Scheune in einer kanadischen Prärie-Provinz. Aber erstaunlicherweise habe ich den Eindruck, dass dieser Entwurf genau das Problem des Platzes zwischen Mies van der Rohe und Scharoun lösen könnte. Ein einfaches Haus. Keine verschnörkelten Kinkerlitzchen. Der Bundestag hat für den Neubau 200 Millionen Euro bewilligt. Aber man glaubt ja aus Erfahrung, dass die Baukosten am Ende doppelt so hoch sein werden. Ab 2022 soll ein Teil der Sammlung der Nationalgalerie dort gezeigt werden. Wer weiß, ob dieser Termin zu schaffen sein wird.
Ich bedauere es etwas, dass die jetzige Freifläche mit ihren Robinien bebaut werden wird. Aber ich kann mich noch damit trösten, dass im benachbarten großen Tiergarten einiges Grün erhalten bleibt. Die Ausstellung zum Realisierungswettbewerb ist noch bis zum 8. Januar 2017 am Kulturforum Berlin zu sehen.

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2016/12/01

Vor 100 Jahren: Der Steckrübenwinter 1916/1917

Dr. Christian G. Pätzold

Der Hungerwinter 1916/1917 während des Ersten Weltkriegs in Deutschland, als sich die Versorgungslage der Bevölkerung verschlechterte und sich die Menschen von Steckrüben ernähren mussten, wurde der Steckrübenwinter oder der Kohlrübenwinter genannt. Es gab Steckrübensuppe, Steckrübenauflauf, Steckrübenkoteletts und weitere Spezialitäten aus Steckrüben. Eigentlich sind Steckrüben recht schmackhaft. Ich persönlich esse gerne Steckrüben. Aber wenn man jeden Tag nur Steckrüben hat und dann noch sehr wenig davon, dann wird man irgendwann anfangen zu hungern. Wegen der schlechten Ernährungslage kam es im April 1917 zu einer Streikwelle in der deutschen Rüstungsindustrie. Während des Ersten Weltkriegs sind insgesamt in Deutschland viele Menschen an Hunger und Unterernährung gestorben.
Eine gewisse Einschränkung der Ernährung gab es bereits im Winter 1915/1916. Damals wurde als Weihnachtsessen bspw. Hering empfohlen: "Wiener Heringsauflauf aus 15 abgekochten Pellkartoffeln, 3 gewässerten und entgräteten Heringen, 1 Zwiebel und 3 eingeweichten Semmeln und einer Tomaten- oder Petersilientunke." Die Berliner Bevölkerung hatte die Hymne des Kaisers "Heil dir im Siegerkranz" entsprechend umgedichtet: "Friß in des Thrones Glanz, die fette Weihnachtsgans, uns bleibt der Heringsschwanz, in Packpapier."

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2016/11/29

Jenny Schon

82 Gewehre
Für Fidel Castro

fidel

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© Jenny Schon, November 2016.

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2016/11/28

Street Art in Berlin Friedrichshain

ganesha
Der Elefantengott Ganesha, bekannt als hinduistischer Gott des Glücks und der
Wissenschaften, an einem indischen Restaurant, Rigaer Straße Ecke Samariterstraße
in Berlin Friedrichshain.
Fotografiert von H.Z.D., November 2016.

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2016/11/26

50. Todestag von Dr. Siegfried Kracauer

Dr. Christian G. Pätzold

Siegfried Kracauer promovierte 1914 im Fach Architektur. Dort hielt es ihn aber nicht. Er ging in den Journalismus, ins Feuilleton, in die Soziologie und zum Film. Die 1920er Jahre verbrachte er in Frankfurt am Main als Reporter der Frankfurter Zeitung. Dort hatte er enge Beziehungen zum Institut für Sozialforschung und zum Freien Jüdischen Lehrhaus. 1930-1933 lebte er als Feuilletonist der Frankfurter Zeitung in Berlin, wo heute ein Platz in Charlottenburg nach ihm benannt ist. Der 26. November 1966 war der Todestag von Dr. Siegfried Kracauer. Aus diesem Anlass möchte ich einen Text reproduzieren, der in meinem Buch »Querdenkerartikel« erschienen ist:

In unserem Verschenk-Buchladen gibt es viele verbrannte Bücher von Autoren wie Karl Marx, Sigmund Freud, Heinrich Mann oder Kurt Tucholsky. Mit Bücherverbrennung oder Autodafé wird in der Geschichtswissenschaft das öffentliche Verbrennen von missliebigen Büchern aus religiösen oder politischen Gründen bezeichnet. Bekannt ist in neuerer Zeit die Bücherverbrennung der nationalsozialistischen Deutschen Studentenschaft am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz, der zahlreiche Verbrennungen in anderen deutschen Städten folgten. Die Verbrennung stand unter dem Motto "Aktion wider den undeutschen Geist". Die Werke fortschrittlicher und jüdischer Autoren wurden auf den Scheiterhaufen geworfen. Darunter befanden sich auch die Werke von Heinrich Heine, in denen steht: "Das war ein Vorspiel nur. Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen." (Almansor, 1820). Die Liste der verbrannten Bücher von 1933 steht im Internet.
Zu den weniger bekannten Autoren, deren Bücher verbrannt wurden, gehörte auch Siegfried Kracauer (1889-1966). Er war ein jüdischer Publizist und Filmwissenschaftler aus Frankfurt am Main. 1933 musste er nach Frankreich emigrieren, 1941 in die USA. In den USA arbeitete er vor allem an seiner Theorie des Films.
In dem Buch »Die Angestellten. Aus dem neuesten Deutschland«, Frankfurt am Main 1930, beschreibt er das Leben der Angestellten im Berlin der 1920er Jahre. Es ist interessant, das Leben von damals mit unserem Leben von heute zu vergleichen. Eine Kostprobe:

"In der Annonce wünscht ein Herrenkonfektionsgeschäft einen älteren Verkäufer von 25 bis 26 Jahren. Wenn es so weitergeht, werden bald die Wickelkinder zu den Jüngeren zählen. Mag aber auch das Herrenkonfektionsgeschäft einen übertriebenen Begriff von Jugendlichkeit hegen, so ist doch heute tatsächlich die Altersgrenze im Geschäftsleben stark nach unten gerückt, und mit vierzig Jahren sind viele, die noch munter zu leben glauben, wirtschaftlich leider schon tot."

Zu dieser Erkenntnis sind auch so viele ältere Arbeitslose gekommen. Das Buch von Siegfried Kracauer gibt es zum Glück immer noch, verlegt als Suhrkamp Taschenbuch.

© Dr. Christian G. Pätzold, November 2016.

Postskriptum Dezember 2016:
Ich habe jetzt erfahren, dass gerade eine große Biographie über Siegfried Kracauer erschienen ist:
Jörg Später: Siegfried Kracauer. Eine Biographie. Suhrkamp, Berlin 2016, 744 Seiten, 39,95 Euro.

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2016/11/22

Unter Kiefern und Hibisken 2

Ella Gondek

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Undefinierte Pilze, Foto von © Ella Gondek.

Jetzt haben wir schon Anfang November und in meinem Garten sind die Tagetes immer noch schön am Blühen, ebenso die Kapuzinerkressen. So lange kein Frost kommt, wird das auch noch eine Zeitlang so bleiben. Da es in letzter Zeit geregnet hat, sind sogar noch neue, rötliche Ritterlinge auf dem Kieferstamm gewachsen, und diese haben sogar ihre dunkelrote Farbe bekommen. Es reichte sogar für eine Pilzmahlzeit. Auch habe ich diese schwarzen Pilze entdeckt, die toll aussehen, aber ausprobieren, ob sie genießbar sind, wollte ich es doch nicht.
Beim Laub zusammenharken habe ich weitere Pilzsorten entdeckt. Da der Boden mit ziemlich viel Moos bedeckt ist, ist das anscheinend eine gute Voraussetzung, dass so viele unterschiedliche Pilze in meinem Garten wachsen.
Mittlerweile haben alle Hibiskusstauden ihre Blätter abgeworfen und auch die riesengroßen Blätter der Pfeifenwinde liegen bereits traurig auf dem Boden. Ich habe auch schon um die Rosen eine Laubschicht gelegt, damit der Frost keinen Schaden anrichten kann. Allerdings habe ich versucht, kein Eichenlaub dafür zu verwenden. Dieses ist nur für Moorbeetpflanzen wie Rhododendren geeignet.
Vor einiger Zeit habe ich etliche Zwiebeln von Tulpen, Narzissen und Milchsternen in die Erde gesetzt, damit es im Frühling schön bunt aussieht. Sonst ist im Garten die meiste Arbeit getan, nur das Laubharken wird sich noch bis zum ersten Schneefall hinziehen. Fortsetzung folgt...

© Ella Gondek, November 2016.

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2016/11/18

Andreas-Gryphius-Preis an Jenny Schon verliehen

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An Jenny Schon, Magistra Artium und Mitautorin von Kuhle Wampe, wird heute der Andreas-Gryphius-Preis 2016 für ihr Lebenswerk verliehen.
Der große Literaturpreis der KünstlerGilde Esslingen wird im Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf überreicht.
Aus diesem Anlass hier mal ein Gedicht von Andreas Gryphius (1616-1664):

Menschliches Elende

"Was sind wir Menschen doch? ein Wohnhaus grimmer Schmertzen.
Ein Baal deß falschen Glücks / ein Irrlicht dieser Zeit.
Ein Schauplatz herber Angst / besetzt mit scharffem Leid /
Ein bald verschmeltzter Schnee und abgebrante Kertzen.

Diß Leben fleucht davon wie ein Geschwätz vnd Schertzen.
Die vor uns abgelegt deß schwachen Leibes Kleid
Und in das todten-Buch der grossen Sterbligkeit
Längst eingeschrieben sind / sind uns auß Sinn und Hertzen.

Gleich wie ein eitel Traum leicht auß der acht hinfällt /
Und wie ein Strom verscheust / den keine Macht auffhält:
So muß auch unser Nahm / Lob Ehr und Ruhm verschwinden /

Was itzund Athem holt / muß mit der Lufft entflihn /
Was nach uns kommen wird / wird uns ins Grab nach zihn
Was sag ich? wir vergehn wie Rauch von starcken Winden."

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2016/11/16

Roter Wedding

Dr. Christian G. Pätzold

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Im Wedding, fotografiert von © Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2016.

Als neulich ein Freund von mir in den Wedding zog war das eine unerwartete Gelegenheit, mal wieder dorthin zu fahren. Meine U-Bahnstation ist zwar nur 10 Stationen vom Wedding entfernt, aber es ist doch eine andere Welt, in die man nur selten kommt. Seit der wunderlichen Zusammenlegung der Berliner Bezirke zu Beginn der 2000er Jahre gehört der Wedding offiziell zum Bezirk Berlin-Mitte. Aber das ist natürlich albern, denn der alte Arbeiterbezirk Wedding hat historisch und soziologisch überhaupt nichts mit der feudalistischen Mitte Berlins gemein. Die deutsche Bevölkerung scheint heute im Wedding in der Minderheit zu sein, es gibt dort eine große türkischstämmige Community und andere Menschen aus vielen Nationen. Es ist ein hartes armes Pflaster. Der Grund für die Bezirksgebietsreform war wohl, Verwaltungskosten zu sparen, weil Berlin so gut wie pleite war und schon 65 Milliarden Euro Schulden angehäuft hatte. Aber dadurch hat sich der Staat noch weiter von den Einwohnern entfernt.
Im Wedding gibt es immer noch die originalen Proletariermietshäuser mit den kleinen Proletariermietswohnungen mit Ofenheizung und ohne Bad, seit über 100 Jahren. Eigentlich müsste man so ein Proletariermietshaus als Museum einrichten, mit der originalen Ausstattung, damit die folgenden Generationen sehen können, wie die Arbeiter zur Zeit von Heinrich Zille wohnten und lebten. Das wäre ein wichtiges sozialgeschichtliches Museum, aber der Berliner Senat wird wohl auch das nicht hinbekommen.
Der Wedding und der angrenzende Gesundbrunnen waren einst die Heimat großer Firmen wie der AEG, von Osram und von Schering. Das ist weitgehend Geschichte. Heute ist der Wedding besonders bekannt für die Beuth Hochschule für Technik Berlin, das große Rudolf-Virchow-Krankenhaus und das Deutsche Herzzentrum Berlin.
Der Name Wedding stammt von einem Adligen Rudolf de Weddinghe, der dort im Mittelalter einen Gutshof errichtet hatte, das behauptet jedenfalls Wikipedia. Im März 1848 hatte der König in Berlin ein Problem. Die arbeitslosen Arbeiter waren unzufrieden mit ihrer Lage und machten Revolution auf den Barrikaden. Da verfiel man auf die Idee einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, mit der man die Arbeiter von Berlin fernhalten könnte. Man schickte die Arbeiter in den Wedding, genauer gesagt in die Rehberge, wo sie den märkischen Sand von einer Ecke in die andere schippten. Die Arbeiter merkten natürlich bald, was gespielt wurde und strengten sich nicht besonders an. Nach Feierabend zogen sie in die Jungfernheide, tranken und sangen fröhliche Lieder. Diese Arbeiter wurden die Rehberger genannt. Die Revolution in Berlin war bald vorbei, allerdings mit vielen Todesopfern, den Märzgefallenen.
In den 1920er Jahren war der Wedding eine Hochburg der KPD. Aus dieser Zeit stammt auch das bekannte kleine Arbeiterkampflied »Roter Wedding«. Es war das Auftrittslied der Agitpropgruppe Der rote Wedding. Historischer Hintergrund ist der Blutmai 1929, als die Polizei 32 Arbeiter erschossen hatte. Polizeipräsident Zörgiebel von der SPD wurde als Arbeitermörder bezeichnet.

Roter Wedding. Text: Erich Weinert (1929). Musik: Hanns Eisler.

"Links, links, links, links! Die Trommeln werden gerührt!
Links, links, links, links! Der Rote Wedding marschiert!
Hier wird nicht gemeckert, hier gibt es Dampf
denn was wir spielen, ist Klassenkampf
nach blutiger Melodie!
Wir geben dem Feind einen kräftigen Tritt,
und was wir spielen, ist Dynamit
unterm Hintern der Bourgeoisie.

Roter Wedding, grüßt euch, Genossen,
haltet die Fäuste bereit!
Haltet die roten Reihen geschlossen,
denn unser Tag ist nicht weit!
Drohend stehen die Faschisten
drüben am Horizont!
Proletarier, ihr müsst rüsten!
Rot Front! Rot Front!

Links, links, links, links! Trotz Zörgiebels Polizei!
Links, links, links, links! Wir gedenken des Ersten Mai!
Der herrschenden Klasse blut'ges Gesicht,
der rote Wedding vergisst es nicht
und die Schande der SPD!
Sie wolln uns das Fell über die Ohren ziehn,
doch wir verteidigen das rote Berlin,
die Vorhut der roten Armee.

Roter Wedding, grüßt euch, Genossen,
...

Links, links, links, links! Wir ziehen den Vorhang auf!
Links, links, links, links! Nun nimmt das Spiel seinen Lauf!
Die Republik ist ein schöner Palast,
doch sie steht auf einem dicken Morast
von Dummheit und Reaktion.
Wir rücken an und wir misten aus!
Und bauen uns ein neues Haus:
die deutsche Sowjetunion!

Roter Wedding, grüßt euch, Genossen,
..."

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2016/11/12

Die Blaue Blume der Romantik

Dr. Christian G. Pätzold

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Die Kornblume (Cyanus segetum) aus der Familie der Korbblütler ist in Deutschland die typischste blaue Blume. Sie wächst häufig am Rand von Getreidefeldern. Da die Farbe Blau in der Pflanzenwelt relativ selten vorkommt, sind blaue Blumen von den Gärtnern sehr geschätzt. Es gibt Hortensien, die manchmal blau blühen, außerdem syrischen Hibiskus, einige Glockenblumen (Campanula) und einige Herbstastern. Von den Früchten sind vor allem die Zwetschen blau.
Das Wort von der "blauen Blume" stammt aus der deutschen Literaturgeschichte. In der Romantik, die von etwa 1795 bis 1848 dauerte, stand die blaue Blume für die Sehnsucht nach Liebe, für das Streben nach dem Unendlichen, für die Sehnsucht nach der Ferne und für die Wanderschaft. Auch für das Streben nach Erkenntnis des Selbst als Ziel der Romantik.
Novalis soll der erste gewesen sein, der die blaue Blume in seinem Romanfragment »Heinrich von Ofterdingen« (1800) beschrieb. Dort heißt es:

"Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. Nicht die Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben, sagte er zu sich selbst; fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn’ ich mich zu erblicken."

Es wird sein Traum geschildert:

"Was ihn aber mit voller Macht anzog, war eine hohe lichtblaue Blume, die [...] ihn mit ihren breiten, glänzenden Blättern berührte. Rund um sie her standen unzählige Blumen von allen Farben, und der köstliche Geruch erfüllte die Luft. Er sah nichts als die blaue Blume, und betrachtete sie lange mit unnennbarer Zärtlichkeit. Endlich wollte er sich ihr nähern, als sie auf einmal sich zu bewegen und zu verändern anfing; die Blätter wurden glänzender und schmiegten sich an den wachsenden Stängel, die Blume neigte sich nach ihm zu, und die Blütenblätter zeigten einen blauen ausgebreiteten Kragen, in welchem ein zartes Gesicht schwebte. Sein süßes Staunen wuchs mit der sonderbaren Verwandlung, als ihn plötzlich die Stimme seiner Mutter weckte."

Die Kornblume war auch die Lieblingsblume der legendären Königin Luise von Preußen (1776-1810) und dann von ihrem Sohn Kaiser Wilhelm I (1797-1888). Es entstand ein wahrer Kornblumenkult um die "preußisch blaue" Blume. Das hatte auch damit zu tun, dass in Preußen die Uniformröcke der Soldaten in der Grundfarbe Preußisch Blau gehalten waren, und das Militär war sehr wichtig. Das war dann schon nicht mehr so romantisch. Dieses Preußischblau als Farbe wurde auch Berliner Blau genannt. Es ist ein anorganisches Pigment, das aus einer Lösung von Eisen(III)-Salz und Gelbem Blutlaugensalz hergestellt wird. Der hexadezimale Farbname von Preußisch Blau in HTML ist #101F70.

© Dr. Christian G. Pätzold, November 2016.

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2016/11/08

Street Art von Urban Nation in Berlin Schöneberg - Marina Zumi

Dr. Christian G. Pätzold

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Wandbild von Marina Zumi, 2016, Bülowstraße 101/Zietenstraße in Berlin Schöneberg.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2016.

In Berlin Schöneberg, in der Bülowstraße 7 Ecke Zietenstraße und gegenüber in der Bülowstraße 101 entsteht gerade Urban Nation - Museum for Urban Contemporary Art. Das sind altberliner Häuser, deren Wände angemalt werden. In den Erdgeschossen sollen im nächsten Jahr Galerien entstehen. Urban Nation ist eine Initiative von Berliner Leben, einer Stiftung der Gewobag (Gemeinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Berlin).
Das Haus in der Bülowstraße 101 hat Marina Zumi in diesem Jahr angemalt. Sie ist in Sao Paulo beheimatet. Die Grundfarbe des Wandbildes ist Berliner Blau. Darüber schweben diverse Planeten und Himmelskörper. Ein Mietshaus, das im Weltraum schwebt, ist für viele Wohnungssuchende heute schon Realität. In das Bild sind nach Aussage der Künstlerin die Quanten-Theorie, das Studium des Kosmos und die Philosophie des Buddhismus eingeflossen.
Mal sehen wie sich das ganze Projekt von Urban Nation entwickelt. Street Art hat Potenzial im 21. Jahrhundert. Es gibt viele leere Hauswände in der Stadt und viele kreative Künstler auf der ganzen Welt, die gerne in Berlin etwas anmalen wollen. Dabei könnte richtig inspirierende Kunst entstehen. Ich hoffe es klappt.
Natürlich hat das öffentliche Wandbild in der Kunstgeschichte schon eine lange Tradition. Im 20. Jahrhundert fallen mir die berühmten Bilder der mexikanischen Muralisten José Clemente Orozco, Diego Rivera und David Alfaro Siqueiros ein. Ich hoffe, die heutigen Künstler können dort anknüpfen und gleichzeitig etwas gesellschaftlich Relevantes und ästhetisch Akzeptables schaffen.
www.urban-nation.com

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2016/11/05

Social Knit Work Berlin: Public Chair

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Social Knit Work Berlin, Public Chair. Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold, 8. Oktober 2016.

Die Frauen von SKWB haben bei der diesjährigen Südwestpassage Kultour ein neues Kunstwerk ausgestellt, das sich um Stühle dreht. Stühle zum Hinsetzen sind etwas sehr Schönes, besonders wenn man schon älter ist. Im Katalog heißt es dazu:

"Die Strickprojekte von SKW Berlin beziehen sich auf ihre unmittelbare Umgebung und greifen spielerisch in den öffentlichen Raum ein. Das neue Projekt beschäftigt sich mit der Idee, einen Verweil- und Kommunikationsort im Kiez zu schaffen. Die Gruppe hat hierzu Interessierte aufgerufen, gemeinsam mit ihnen Friedenau in eine bunte Sitzlandschaft zu verwandeln: Public Chair. Hocker und Stühle werden eingestrickt und somit zu öffentlichen Kunstobjekten, die rund um den Laden unser zum Staunen und Verweilen einladen."

Der "Laden unser" befindet sich in der Stubenrauchstraße 46 in 12161 Berlin Friedenau. Leider gibt es das Kunstobjekt Public Chair inzwischen nicht mehr. Die über 60 Sitzobjekte wurden am 9. Oktober 2016 meistbietend versteigert.

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2016/11/01

art kicksuch

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© art kicksuch, November 2016.

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2016/10/28

Tagebuch 1973, Teil 12: Nowgorod

Dr. Christian G. Pätzold

"Das Reisen kostet Geld, doch man sieht die Welt."
Karl Simrock, Die Deutschen Sprichwörter, Frankfurt am Main 1846, Nr. 8404.

9. August 1973, Moskau - Nowgorod, Donnerstag

Gestern hatten wir noch ein Gespräch mit der jungen Frau an der Rezeption des Camping. Sie war der Ansicht, dass Frauen nicht so objektiv sind wie Männer, dafür aber sensibler. Sie sagte, dass schwächere Lebewesen immer empfindlicher sind. Sie wollte ein individuelles Leben und sagte, dass nach der Heirat ihre früheren Bekanntschaften aufhören werden, weil man dann verschiedene Interessen habe.
Ein Rotarmist hat uns 2 Reifenschläuche repariert, wir haben ihm dafür 2 Rubel ohne Quittung bezahlt. Während der Fahrt nach Nowgorod gab es viele Holzhäuser am Wege in den Dörfern, Seen und Wälder.

10. August 1973, Nowgorod, Freitag

Wir haben eine Stadtrundfahrt mit einer Neckermanngruppe gemacht. Nowgorod ist eine alte Handelsstadt, die schon im mittelalterlichen Handel der Hanse eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Stadtrundfahrt war nicht so schön, eher ein 0815 Abgehake von Sehenswürdigkeiten: 8 Kirchen auf der Handelsseite von reichen Kaufleuten gestiftet, das Kloster am Ilmensee, der Kreml, den es in jeder altrussischen Stadt gibt, mit Sophienkathedrale, Glockenturm, Ikonenmuseum, Denkmal "1.000 Jahre Russland". In Nowgorod wurden viele Ikonen von den Faschisten zerstört. Die Faschisten sollen auch viele Menschen umgebracht und Häuser zerstört haben. Ich hatte eigentlich gehofft, etwas von der sozialistischen Sowjetunion zu sehen. Stattdessen wurden nur Kirchen, Klöster und Ikonen gezeigt. Eine Besichtigung im Vatikan würde wohl auch nicht viel anders aussehen.
Nowgorod hat kein eigenes Theater, aber 6 Kinos. Ab 2. September gibt es ein Theatergastspiel. Der Campingplatz liegt 15 Kilometer außerhalb der Stadt. In der Stolowaja auf dem Campingplatz gab es kein warmes Essen. Auf dem Camping hatten wir ein Gespräch mit einem kanadischen Pärchen, die mit ihren zwei Töchtern seit anderthalb Jahren im VW-Bus durch Europa reisen. Sie waren Literaturprofessoren aus Montreal.

Postskriptum Oktober 2016:
Rückblickend habe ich den Eindruck, dass die Sowjetunion noch tief im orthodoxen Christentum steckte. Viele Sowjetbürger hatten ganz kleinbürgerliche Ansichten. Wahrscheinlich waren auch viele Kader eher Karrieristen als Kommunisten. Die Sowjetunion brauchte wohl 1973 so etwas wie eine sozialistische Kulturrevolution, aber diese Revolution kam nicht, das ganze System war schon in Bürokratie erstarrt. 20 Jahre später war der Sozialismus über Nacht verschwunden. Die Sowjetunion zerfiel in ihre nationalen Bestandteile, die heute gegeneinander Kriege führen.
Es war auch so, dass die Kommunistische Partei die Jugend gegen sich aufgebracht hat. Alle Jugendmoden, die irgendwie etwas westlich waren, wurden als kapitalistisch dekadent abqualifiziert, sei es im Haarstil, in der Kleidung oder in der Musik und Kunst. Im schlimmsten Fall landeten die unangepassten Jugendlichen im Knast. Erlaubt war nur der spießige, kleinbürgerliche Geschmack der Parteikader. Diese Haltung gegenüber der Jugend hat wohl auch zum Zusammenbruch des Sozialismus in der Sowjetunion beigetragen.
Nowgorod bedeutet "Neustadt". Ich muss noch erwähnen, dass Nowgorod seit 1999 Weliki Nowgorod (Großes Nowgorod) heißt und im Mittelalter auf Deutsch auch Naugard oder Neugarten genannt wurde. Es gibt noch ein anderes Nowgorod, die Stadt Nischni Nowgorod (Untere Neustadt), die zwischen 1932 und 1991 Gorki hieß, nach dem russischen Schriftsteller Maxim Gorki, der dort geboren wurde. Nischni Nowgorod ist mit 1,25 Millionen Einwohnern die fünftgrößte Stadt Russlands und liegt 400 Kilometer östlich von Moskau an der Wolga.

© Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2016.

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2016/10/26

Tagebuch 1973, Teil 11: Moskau

Dr. Christian G. Pätzold

GUM
Im Warenhaus GUM am Roten Platz in Moskau. Fotografiert von © Dr. Christian G. Pätzold, August 1973.

6. August 1973, Moskau, Montag

Wir wohnen auf dem Campingplatz etwas außerhalb der Stadt. Es gibt einen kostenlosen Pendelverkehr mit besonderen Bussen in die Stadt. Zuerst kommt man an modernen Wohnhaussiedlungen vorbei, die sehr an das Märkische Viertel in Berlin erinnern. Über breite Boulevards kommen wir zum prunkvollen Restaurant National, wo wir Mittag essen. Es gibt einen Saal für russische Währung und 12 Säle für "Payment in Foreign Currency". Wir essen Boeuf Stroganoff, das ein bekanntes russisches Gericht aus Rinderfiletspitzen in einer Sauce aus Zwiebeln, Sauerrahm und Senf ist. Es ist nach der russischen Adelsfamilie Stroganow benannt und setzte sich Endes des 19. Jahrhunderts international durch.
Die anschließende Stadtrundfahrt ist sehr gehetzt. Von Sozialismus ist kaum die Rede. Am interessantesten an der Stadtrundfahrt ist die Lomonossow-Universität, die aber geschlossen ist. Anschließend bummeln wir im Stadtzentrum herum, zum Marx-Denkmal gegenüber vom Bolschoi-Theater, zum Hotel Metropol, das auch sehr prunkvoll ist. Wir erkundigen uns nach unseren Bahnfahrkarten nach Teheran, die wir wahrscheinlich in Rubel bezahlen können.
Wir besichtigen das Warenhaus GUM, das größte Kauhaus der Sowjetunion. Die Architektur des GUM nimmt Elemente des Basars auf, der sich vorher an dieser Stelle befand. Dazu zählen die 3 langen glasbedachten Längspassagen mit Geschäften auf 3 Etagen. Das GUM wurde 1893 eröffnet, also zu einer Zeit, als auch die berühmten Grands Magasins in Paris entstanden. Auf dem Roten Platz haben wir uns auf den Bordstein gesetzt, weil keine Bänke da sind, wurden aber von Polizisten aufgescheucht.
Seit einiger Zeit versuchen wir schon, ins Kino zu kommen. In Moskau wie überall laufen dieselben Filme: "Der Reiter ohne Kopf", "Der schwarze Prinz" etc. Hier ist im 3.000 Zuschauer-Kino der "Reiter ohne Kopf" ausverkauft. Wir gehen gegenüber in ein Tanzlokal mit vielen Jugendlichen. Man sitzt an Tischen mit weißen Tischtüchern gedeckt. Die Jungen in Anzügen fordern verkrampft die Mädchen zum Tanz zu gedämpfter Musik auf. Um 10 Uhr abends wird die Bedienung eingestellt.
Ich habe heute einige touristische Fotos gemacht: Das GUM von außen und innen, der Rote Platz, der Kreml, das Lenin-Mausoleum, die Basilius-Kathedrale, das Restaurant National, das Karl Marx Denkmal.

7. August 1973, Moskau, Dienstag

Um 8:45 Uhr sind wir nach Moskau gefahren und haben die Kremlführung mitgemacht. Es war ein Riesenandrang. Zwei Besucher in Shorts wurden nicht reingelassen, obwohl es sehr heiß war. Gezeigt wurden nur das Schatzmuseum und zwei Kirchen mit vielen Ikonen. Über die Politik der Sowjetunion gab es nichts. Wir waren enttäuscht, da der Kreml ja ein historisches und politisches Zentrum ist, stattdessen werden nur Kirchen gezeigt. Die Führerin sagte zu einer anderen Gruppe: "Sie sind hier im Museum!", als ob es ein Heiligtum wäre. Die freiwillige Polizei pfeift ständig herum, wenn man falsch über die Straßen im Kreml läuft.
Das einzig Positive an der Kremlführung war, dass wir eine Brasilianerin, Eliane V. aus Rio de Janeiro, kennen gelernt haben. Sie ist politisch interessiert, wir haben mit ihr in der Stolowaja gegessen. (Später haben wir in Rio de Janeiro bei ihr gewohnt). Wir haben noch eine Bootsfahrt auf der Moskwa gemacht, die 15 Kopeken pro Person gekostet hat. (Daran habe ich aber keine Erinnerung mehr).
Durch einen Freund in London haben wir die Telefonnummer von Diana M., die uns im Hotel Rossija abgeholt hat. Wir haben Kaffee im GUM gekauft, das Kilo für 4 Rubel 50 Kopeken. Dann sind wir mit Diana M. Metro gefahren, mir sind die Dekorationen auf den Stationen aufgefallen, zum Beispiel historische Szenen auf der Station "Komsomolskaja". Die Metro-Stationen sind hier größer und prächtiger als in Berlin. Man spürt, dass Russland ein Riesenreich ist und Deutschland nur ein mittelgroßes Land.
Diana M. hat uns ins prunkvolle Hotel Leningrad geführt, wo wir Kaviar bekamen, die Rechnung war allerdings auch 27 Rubel. Diana M. ist 45 Jahre alt, sie raucht nur armenische Zigaretten: "Man bekommt keinen Krebs, weil naturgetrocknet." Ich sollte vielleicht erwähnen, dass die üblichen russischen Papyrossi, Zigaretten mit hohlem Pappmundstück, ziemlich gewöhnungsbedürftig sind.
Diana M. wurde in Berlin geboren, hat eine deutsche Mutter und einen russischen Vater. Sie emigrierte nach London, wo sie Ökonomie studiert hat. Sie brach das Studium ab und arbeitete in einer Näherei. Sie ist jetzt 3 Jahre in der Sowjetunion und arbeitet als Übersetzerin für den Verlag Progress Publishers und für die Zeitschriften "Außenhandel" und "Sowjetexport". Sie ist eine hundertprozentige Genossin. Die Frage des Außenhandels mit den kapitalistischen Ländern stellt sie so: "Man kann entweder die imperialistischen Länder vom Handel abschneiden oder durch den Handel die Technologie erlernen und dadurch Etappen in der Entwicklung überspringen." Sie erklärte die Vorzüge des Kapitalexports der Sowjetunion vor dem Export der USA. Sie hatte gute Argumente und Stories für alles parat.
Die Wohnung von Diana M. hat 3 Zimmer und kostet 15 Rubel, das Pionierlager für ihre Tochter kostet 10 Rubel. Im Sommer kocht sie viele Tomaten ein, wenn sie 40 Kopeken kosten, und sie weiß noch andere Versorgungstricks. Sie sagt, die Kontrolleure in der Metro arbeiten freiwillig und man hat alle 6 Monate einen Einsatz. Sie behauptet, die Klassen in der sowjetischen Eisenbahn (Ja, das gibt es!) oder die teuren Luxus-Restaurants sind keine Privilegien, sondern verschiedene Dienstleistungen, die sich jeder ab und zu mal leisten kann.

Postskriptum Oktober 2016:
Die Brasilianerin Eliane V., die wir später in Rio besuchten, war wie Barbara T. aus Los Angeles, die wir vorher auf einem Campingplatz kennen gelernt hatten, eine junge Frau Anfang 20 mit jüdischen Vorfahren. Sie wollten in der Sowjetunion die Heimat ihrer Vorfahren besuchen.

8. August 1973, Moskau, Mittwoch

Wir sind mit unserem VW-Bus in die Stadt gefahren und haben die Bahnkarten von Moskau nach Teheran für Rubel gekauft. Wir mussten nur 48 Rubel und 6 Kopeken bezahlen. Für 3 Tage Bahnfahrt in der besten Klasse war das ziemlich günstig. Wir hatten damals nicht ganz legal DM gegen Rubel im Verhältnis 1 : 1 getauscht, so dass die Bahnfahrt nach Teheran praktisch 48 DM gekostet hat, wodurch wir unsere Reisekasse geschont haben.

Postskriptum Oktober 2016:
Schon damals gab es Billig-Tickets! Aber im Verhältnis zum Einkommen waren 48 Rubel für die Sowjetbürger natürlich eine Menge Geld. Die Russen sind sowieso nur höchstens bis Erewan gefahren, und dann meist in der 2. oder 3. Klasse. Man fragt sich heute vielleicht, warum damals russische Menschen Rubel gegen West-Devisen getauscht haben. Der Grund waren die Beriozka-Läden, in denen es begehrte westliche Konsumgüter gegen Devisen zu kaufen gab. Sie waren vergleichbar mit den Intershops in der DDR. Der Ostblock hatte einen Riesenhunger nach West-Devisen. Es war also nicht legal, aber viele Russen haben gerne Rubel gegen West-Geld zu einem günstigen Kurs getauscht. Nach 1990 wurde der Rubel dann frei konvertierbar und die Beriozka-Läden wurden geschlossen. Bis heute, Ende Oktober 2016, hat der Rubel stark an Wert verloren. Für 1 Euro bekommt man heute 67 Rubel.

Ich habe noch das Leninmuseum besucht und einen Buchladen, aber das ganze war zu schnell und wegen mangelnder Sprachkenntnisse nicht sehr ergiebig. Nach Berlin telefoniert und Briefe abgeschickt. Wir haben den guten Tipp bekommen, dass wir in Leningrad den Dom Drushba (Haus der Freundschaft) besuchen sollen, um tiefere Kontakte zur Bevölkerung zu bekommen.

© Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2016.

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2016/10/23

Unter Kiefern und Hibisken 1

Ella Gondek

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Holzritterlinge, Foto von © Ella Gondek.

Schön langsam hält auch der Herbst in meinem Garten Einzug. Der Boden wird immer mehr mit Kiefernnadeln und -zapfen bedeckt. An der Vogeltränke laben sich noch die Wespen. Rotkehlchen, Sumpfmeise, Amsel und Spatzen haben ihre Badesaison schon eingestellt. Die rötlichen Holzritterlinge, die um den abgestorbenen Kiefernstamm wachsen, zerfallen ganz allmählich. Voriges Jahr hatten sie eine dunkelrote Farbe, dieses Jahr sind sie braun. Bei den Rosen zeigt sich noch die eine oder andere Knospe, die bestimmt noch aufblühen werden, so bald sich die Sonne wieder zeigt. Die Rhododendren, Hortensien und Hibisken sind nach wie vor dankbar für Wassergaben. Sie benötigen ja auch im Winter Feuchtigkeit. Bis demnächst.

© Ella Gondek, Oktober 2016.

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2016/10/21

Dada-Prozeß (1921)

Kurt Tucholsky

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Als Whistler einmal vom Vorsitzenden einer englischen Jury gefragt wurde: "Können Sie diesen Herren klarmachen, was Kunst ist?", klemmte er das Monokel ein, sah sich die Gentlemen an und sagte: "Nein!"

Vor der Strafkammer des Landgerichts II zu Berlin fand dieser Tage der Prozeß gegen George Grosz und Genossen wegen Beleidigung der Reichswehr statt.
Die Dada-Ausstellung hatte ein paar Spaßfiguren gegen die Götter Preußens: seine Offiziere, aufgebaut - und vor allem hatte der p. Grosz eine geniale Mappe: »Gott mit uns« verfertigt, in der Fratzen von so unerhörter Brutalität zu sehen waren, daß sich die Reichswehr und ihre Angehörigen getroffen fühlten. Zum Beweise, daß es Gesichter wie diese nicht gebe, hatte man einen ehemaligen Rayonchef aus dem Reichswehrministerium zitiert, einen Herrn Matthäi. Das hätte man nicht tun sollen.
Der junge stattliche Hauptmann führte aus, er sei - nichtamtlich, seffaständlich! - in die Ausstellung der Dada-Leute gegangen, angereizt durch eine Anzeige meines Freundes Peter Panter, der, so führte der sympathische, frische Offizier aus, seit Jahren eine systematische Hetze gegen das deutsche Offizierkorps betreibe. Deshalb also sei er hingegangen. (Anmerkung Peter Panters: "Ich habe es nicht gewollt!") Was er dort sah, habe ihn aufs tiefste empören müssen. Verspottung der edelsten Güter der Nation, Dinge, die geeignet gewesen seien, den "Wehrgedanken in Deutschland zu vernichten". An der Kasse habe ihm auf sein wiederholtes Vorhalten ein Mann die Mappe »Gott mit uns« gezeigt. "Erkennen Sie unter den Angeklagten diesen Mann wieder?" wurde der blonde, hochgewachsene Offizier gefragt. "Nein", sagte der aufgeweckte, elegante Kommandeur, "es war so ein Mensch von galizischem Typus."
Die Rolle dieses Matthäi ist etwas dunkel. Was sich nach seinem nichtamtlichen Besuch der Ausstellung und der Strafanzeige, die Herr Geßler hatte erstatten dürfen, im Reichswehrministerium ereignet hat, wissen wir nicht. Wir wissen nur, daß dieser selbe Matthäi, der zum mindesten den Anstoß zur Strafverfolgung gegeben hat, in der Pressekonferenz mündlich und in einer Berichtigung durch die Presse schriftlich kundtat: Das Reichswehrministerium hat mit der Beschlagnahme der Mappe nichts zu tun. Von der Verteidigung zur Rede gestellt, stotterte der Hauptmann etwas von Ressort-Irrtümern und Abteilungsmeldungen - aber ich glaube nicht, daß er einen Mann seiner Kompanie im Felde daraufhin nicht eingesperrt hätte. Überschrift: Der militärische Nachrichtenapparat.
Die Angeklagten haben mich enttäuscht. Fünf Lebewesen saßen auf der Anklagebank, darunter ein Mann: Wieland Herzfelde. Er war der einzige, der hier und da das Nötige sagte und nicht zurückzuckte. Im übrigen glich das Unternehmen dem Kapp-Putsch: einen Führer hatte es nicht. Niemand von den Jungens war derjenige gewesen, der die Fensterscheibe eingeworfen hatte... Was Grosz angeht, so weiß ich nicht, ob die Schlappheit seiner Verteidigung darauf zurückzuführen ist, daß er nicht sprechen kann. Er sagte kein Wort, das auch nur einem Strich seiner Blätter adäquat gewesen wäre.
Die Verteidigung war im großen ganzen darauf gerichtet, bei Grosz als Spaß hinzustellen, was bitterster und bester Ernst ist. Fritz Grünspach, der gleichermaßen Zeichner und Gezeichnete verteidigen kann, war geschickt genug, nicht den starken Angriff auf Kaisers Geist, sondern auf dessen Auswüchse in den Vordergrund zu schieben. Sein Plädoyer rettete Grosz den Kragen und war vernichtend für ihn und seine Freunde. So sieht eure Verteidigung aus? Ihr habt es nicht so gemeint?
Das Gericht verurteilte den Zeichner Grosz zu dreihundert und den Verleger Herzfelde zu sechshundert Mark Geldstrafe, also zusammen zu ungefähr der Geldbuße, die in Deutschland die Aufforderung zum Mord (von Pazifisten) kostet. (Die Dosierung war so begründet, daß der Verleger finanziellen Vorteil vom Vertrieb der Mappe gehabt habe.) Die Spaßpuppen der Ausstellung wurden als Bierulk angesehen. Das milde Urteil war vielleicht hervorgerufen durch ein Gutachten des Reichskunstwarts Redslob, der forsch und energisch für Grosz Partei ergriffen und dabei mit feinstem Takt vermieden hatte, auf das Politische der Sache einzugehen. Das imponierte ein wenig: denn der Reichskunstwart untersteht dem Ministerium des Innern - und vor einer Behörde hat ein preußischer Richter immer Respekt. Vor der Kunst weniger. (Zu George Grosz sagte einer der Justizbeamten: "Das müssen Sie doch sehen, wenn Sie Zeichner und Künstler sein wollen...")
Was ist hier gespielt worden?
Festzustellen ist, daß diese Verhandlung mit Justiz überhaupt nichts zu tun hat. Ich habe nie begriffen, warum nicht der Angeklagte in den Saal zu treten gezwungen ist, zu sagen hat: !Mein Name ist Grosz - Schwerverbrecher", und der Vorsitzende sagt dann: "Sehr angenehm. Dreihundert Mark Geldstrafe!" Das würde viel Zeit und Arbeit sparen. Bei der politischen Erziehung und der allgemeinen Vorbildung unsrer Richter ist nicht zu verlangen, daß sie diesen Dingen so gegenübertreten, wie wir es erwarten. Wir haben kein Vertrauen mehr zur politischen Strafjustiz des Landes. Bestraft wird in allen diesen Fällen nicht das Delikt. Bestraft wird - nach bestem Wissen und Gewissen - die Gesinnung.
Die Reichswehr ist an der inkrimierten Mappe zum kleinsten Teil beteiligt. Sie hat den Größenwahn. Schließlich hat sie ja denn doch nicht allen Militarismus in Deutschland gepachtet - die Freikorps, der Selbstschutz und die Schutzpolizei sind auch ganz schön. Ich halte diese Beleidigungsklage von Kollektivitäten für höchst dubios. Die Reichswehr ist keine Gemüsefrau - und ein politisch absprechendes Urteil über eine Kollektivität ist niemals erweislich wahr. Die juristischen Deduktionen des Staatsanwalts Orthmann wären in einem Seminar erster Semester mit Ach und Krach durchgefallen. Er lehrte: Die Offiziere des alten Regimes sind in die Freikorps übergetreten, die dem Reichswehrminister unterstanden haben, sie sind auch in die Reichswehr eingetreten, infolgedessen hat der Reichswehrminister das Recht, gegen jeden Strafantrag zu stellen, der das alte kaiserliche Offizierskorps beleidigt. Das ist derart gefährlich, daß man dieser Irrlehre nicht scharf genug entgegentreten kann. Wenn Herr Matthäi und seine Freunde wissen wollen, wer "seit Jahren eine systematische Hetze gegen das deutsche Offizierskorps" getrieben hat: es war das Offizierskorps selbst, das am stärksten gegen sich arbeitete. Wer das mit ansah, der brauchte nicht Tolstoi zu lesen. Und wie? Dieselben Herren, die jahrzehntelang Wehrlose in der Front beschimpften und - wie der Fall Hiller gezeigt hat - auch schlugen: diese sind nun von einer mimosenhaften Empfindlichkeit, wenn es die eigne Haut gilt? Sie haben kein Recht, sich beleidigt zu fühlen.
Aber wer klagt denn heute? Was! Zu klagen wagt eine Institution, deren Angehörige Hans Paasche umgebracht haben, ohne daß eine saubere und klare Gerichtsverhandlung vor einem ordentlichen Gericht die Schuldfrage geklärt hat, zu klagen wagt eine Institution, deren Angehörige keineswegs von den Schandtaten und Übergriffen sadistischer Offiziere der Freikorps abrücken, sondern sie, wo sie nur kann, deckt und ableugnet - nach den Fällen Landauer, Eisner, Jogiches, Schottländer, Futran, Liebknecht, Luxemburg wagt ihr zu klagen? Glauben diese Herrschaften, ihre Zeit sei noch nicht vorüber? So sollen sie sich gesagt sein lassen, daß der bessere Teil des Volkes nichts mehr mit ihnen zu schaffen haben will. Hat man je gehört, daß die öffentliche Einrichtung, die sicher wohltätiger ist als das Heer - die Feuerwehr -, jemals einen solchen Klamauk um ihre "Ehre" gemacht hat wie die Offiziere eines abgetakelten Systems, die sich nicht schämen, von einer Republik, die sie im tiefsten Herzen hassen, Geld zu nehmen? Eine Reichswehr wagt, sich beleidigt zu fühlen, während ihr wahrer Chef, v. Seeckt, in Uniform an monarchistischen Demonstrationen teilnimmt? (Die Trauerfeier in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche unter Lindström-Ludendorff war eine politische Demonstration.)
Ist Wahrheitsliebe Flagellantismus? Aber dann ist es masochistisch, sein Haus zu säubern - und die plötzlich und überall einsetzende Scham vor dem Ausland ist verdächtig. Es ist sicherlich anständiger, uniformierte Mörder der Bestrafung zuzuführen, als sie zu verteidigen - und die Gefahr, daß die »Times« daraus einen Leitartikel macht, scheint mir nicht so groß wie die der Moralversumpfung von Volksgenossen, die es gerade noch nötig haben, ihren Glauben an die Allmacht der Uniform bestätigt zu sehen. Wenn die Reichswehr sich mit allem identifiziert, was gegen den Militarismus gesagt wird: uns kanns recht sein.
Dies aber hat die Verhandlung mit aller Deutlichkeit ergeben: Es ist aussichtslos, mit diesen Richtern ernsthaft zu verhandeln. Kein Funke springt von Welt zu Welt über. "Wir haben den Geist dieses Militarismus bekämpfen wollen." - "Na ja, das ist ja ganz schön..." Sie fassen es nicht. Sie können es auch nicht fassen - denn man hat ihnen generationenlang beigebracht, ein Landgerichtsdirektor, der nicht Hauptmann d. R. ist, tauge nichts. Sie fassen es nicht. Preußische Schneidigkeit, Kantigkeit, militärisches Wesen und Unwesen: das gehört untrennbar zu ihnen. Es war rührend, zu sehen, mit welch vollkommener Verständnislosigkeit auch der fein empfindende Hauptmann allem zuhörte, was über den Kasernenhof hinausging. "Drei Tage Mittel - ab!" Das versteht er. Mehr nicht.
Der Prozeß verwässerte Blut zu Limonade. Wenns Grosz nicht so gemeint hat - wir habens so gemeint. In meiner Wohnung hängen die Blätter der Mappe, und ich bin stolz darauf, sie zu besitzen. Sie halten mir vor Augen, welche Leute einmal in Deutschland geherrscht haben. Tun sies noch?
Ich beabsichtige nicht, diesen klaren Kampf in das Gebiet der Kunst herüberzuziehen. Davon brauchen Richter nichts zu verstehen, und sie verstehen auch nichts davon. Aber daß die ekelhaften Beschimpfungen eines Teiles der Volksgenossen - soweit er pazifistisch, radikal oder gar jüdisch ist - straflos bleiben und daß Kritik am Heer heute noch als Sakrileg geahndet wird: das gilt es ihnen auszutreiben.
Diese Generation freilich ist unheilbar.
Sagt wenigstens ihren Kindern, was das gewesen ist: die preußische Wehrpflicht und der preußische Militarismus - und lehrt sie, bewaffnete Söldner als das zu werten, was sie sind.

(Seht bitte auch den Artikel vom 5. Februar 2016: DADA zum 100. Geburtstag)

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2016/10/16

Lesung mit Gesang im Café Tasso am 20. Oktober 2016

tasso
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2016.

Dr. Christian G. Pätzold liest aus seinen Büchern »Querdenkerartikel« und »Tigergeschichten«, das sind Berliner Geschichten von damals und heute.
Frank Wismar aka Nana von gestern singt dazu Berliner Chansons.
Sabine Diste vom Café Tasso heißt alle herzlich willkommen.

Am Donnerstag, 20. Oktober 2016, um 20:00 Uhr.
Im Café Tasso, das andere Antiquariat, Frankfurter Allee 11, 10247 Berlin Friedrichshain.
U5 Frankfurter Tor.

Der Autor ist in den vergangenen Jahren etliche Kilometer durch Berlin getigert, daher der Titel »Tigergeschichten«. Dabei hat er sich seine Gedanken gemacht. Diesmal möchte er an seine Erlebnisse um das Jahr 1968 in West-Berlin anknüpfen. Es geht um Che Guevara, Jimi Hendrix in Woodstock, Leydicke, und um den Wagenbach-Verlag.
Im zweiten Teil folgen bisher unveröffentlichte biographische Skizzen: Dr. Jane Goodall, Herta Müller, Rosa von Praunheim, Hannes Wader.
Wenn ihr etwas früher kommt, dann könnt ihr noch in dem umfangreichen und interessanten Antiquariat des Café Tasso herumstöbern.
Der Eintritt ist frei.

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2016/10/13

Vortrag: Kollektive Musik: Hanns Eislers A-cappella-Chöre 1925-1932

Eine Veranstaltung mit Dr. Johannes C. Gall, Musikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und Chorleiter, am Sonntag, dem 16. Oktober 2016, 16:00 Uhr, im Marx Engels Zentrum, Spielhagenstraße 13, 10585 Berlin Charlottenburg, nahe U-Bhf Bismarckstraße (U2 und U7) und Bus 109.

Das Marx Engels Zentrum (MEZ) schreibt dazu auf seiner Webseite:

"Die A-cappella-Chöre und -Lieder des Komponisten Hanns Eisler waren von Anfang an als kollektives Gegenstück zu expressionistischer vokalmusikalischer Innerlichkeit konzipiert. Eislers erste kompositorische Erkundungen auf dem Gebiet der Chormusik - die Drei Männerchöre op. 10 (nach Texten von Heinrich Heine) - datieren auf Anfang 1925 und können als ein Teil einer allmählichen Neuausrichtung angesehen werden, die ein Jahr später auch zum Bruch mit dem Lehrer Arnold Schönberg führte. Auf der Suche nach einer gesellschaftlich und politisch nützlichen Musik widmete Eisler in der Folgezeit einen Großteil seiner Arbeit der Komposition von Chormusik.
Das Referat unternimmt einen kleinen Streifzug durch die in der Weimarer Republik geschriebenen A-cappella-Chöre und -Lieder Eislers und beleuchtet die kompositorische Entwicklung von den Drei Männerchören op. 10 über Auf den Straßen zu singen op. 15 bis zu den Zwei Stücken für gemischten Chor op. 21 sowie von Wir sind das rote Sprachrohr über Komintern bis Zu Lenins Todestag."

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2016/10/12

»Atlas des Kommunismus« am Maxim Gorki Theater

Dr. Christian G. Pätzold

gorki
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2016.

Das Maxim Gorki Theater in Berlin wurde zum besten Theater in Deutschland gewählt, von der Umfrage der Zeitschrift »Theater heute« unter 43 Kritikern. Da wollte ich auch mal hingehen und nachsehen. Das Gorki ist das kleinste Berliner Staatstheater.
Gorki-Intendantin Shermin Langhoff ist türkischer Abstammung und hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Daher spielen am Gorki viele Schauspieler mit Migrationshintergrund. Vorher leitete sie das Ballhaus Naunynstraße in Kreuzberg. Das Gorki ist vielleicht so etwas wie ein postmigrantisches Theater, auf jeden Fall ein politisches Theater. Das Gebäude des Theaters ist schon alt und in sehr schönem klassizistischem Stil gehalten. Es wird auch "Singakademie" genannt, da es sich im Eigentum der Sing-Akademie zu Berlin befindet. Es liegt nur ein paar Meter von Unter den Linden entfernt, hinter dem Kastanienwäldchen.
Jetzt gerade veranstaltet das Gorki ein kleines Festival mit dem Titel "United Backgrounds - Theater zur Demokratie". Im Rahmen dieses Festivals inszenierte die argentinische Regisseurin Lola Arias das Stück »Atlas des Kommunismus«, das ich gesehen habe. Das Gorki schreibt dazu in seinem Programmheft:

"Im Sommer 1917 fuhr Lenin auf Erlaubnis des Deutschen Kaisers in einem plombierten Zug nach Petrograd und entzündete die ausgebreiteten Funken der Oktoberrevolution. Doch die Zugfahrt hinterließ auch im Transitland Spuren: 1918 versuchte Karl Liebknecht vom Balkon des Berliner Stadtschlosses die freie sozialistische Republik auszurufen. In der Geschichtsschreibung dominieren Männer.
99 Jahre später lädt die argentinische Regisseurin Lola Arias Menschen zwischen 8 und 85 auf die Bühne, um Geschichten von Frauen zu erzählen. Gemeinsam werden sie ihr eigenes Leben rekonstruieren und das von Salomea Genin. Salomea Genin musste als Kind einer jüdischen Familie vor dem Nationalsozialistischen Terror nach Australien fliehen, wo sie vom kommunistischen Traum inspiriert wurde und entschied, den Aufbau des sozialistischen Staates auf deutschem Boden zu unterstützen. Sie begann für die Staatssicherheit zu arbeiten, bevor sie erkannte, dass die DDR ein Polizeistaat geworden war, und damit brach. Begleitet wird ihre Geschichte von denen einer Übersetzerin, einer Schauspielerin, einer Punksängerin und einer vietnamesischen Vertragsarbeiterin, sowie einem Puppenspieler, einer jungen Kommunistin aus Bayern, einer 16-jährigen Aktivistin und einer Schülerin aus Berlin Pankow.
Gemeinsam berichten sie vom Singen kommunistischer Arbeitslieder vor den Fabriken, von den Lehren der Sozialistischen Brüderländer, von der Überwachung im Alltag, von Konzerten in Kirchenräumen, vom Diskutieren in den Theatern der Wendezeit, von den brennenden Asylbewerberunterkünften in Ostdeutschland und den Forderungen der Geflüchteten heute, um so aus den Geschichten durch subjektive Wahrheiten ein Bild unserer Geschichte zu zeigen."

Die 7 Mitspielerinnen und 1 Mitspieler waren fit und hellwach auf der Bühne, obwohl nur eine professionelle Schauspielerin dabei war. Die Regisseurin wollte ein Stück nur mit Frauen machen, wegen der Subjektivität. Der einzige Mann, der mitspielen durfte, ist schwul und zählt wahrscheinlich irgendwie auch als weiblich. Ich hatte nicht den Eindruck, dass platter Anti-Kommunismus gepredigt werden sollte. Die Mitspielerinnen kamen mir eher wie eine feministisch-kommunistische Frauengruppe vor. In den letzten 25 Jahren in Berlin habe ich diese Biographien aus der früheren DDR und der Nachwendezeit so ähnlich schon öfter gehört. Ich war auch bei einigen Ereignissen dabei, wie bei der Aussperrung von Wolf Biermann oder bei der Maueröffnung. Aber es gibt ja auch Theaterbesucher, für die die DDR-Geschichte und die Berlin-Geschichte nicht so bekannt sind, und sei es nur aus dem einfachen Grund, dass sie noch sehr jung sind.
Authentischer kann man Theater nicht machen als die Biographien der Mitspielerinnen auf die Bühne zu stellen. Das ist eine Geschichtsbetrachtung aus den subjektiven Eindrücken und Erfahrungen der Mitspielerinnen. Es hat sehr gut funktioniert. Es wurden auch historische Bilder der Mitspielerinnen auf eine Leinwand projiziert. Das Ganze war sehr echt. Die guten Musiknummern zwischendurch haben mich aufgemuntert. Die zwei Stunden der Aufführung waren kurzweilig.
Der Titel »Atlas des Kommunismus« hat gepasst, denn es wurde die Spannung zwischen kommunistischem Ideal und den Tücken des realen Sozialismus in der DDR angesprochen.
Das Publikum war überwiegend jung, es gab schlichte Holzbänke für die Zuschauer statt Plüschsessel. Die Zuschauer saßen auf zwei Seiten von der Bühne, also einmal im Zuschauerraum, und einmal auf einem Teil der hinteren Bühne. Dadurch wurde die Zahl der Zuschauer verdoppelt. Aber selbst das hat nicht gereicht, der Andrang der Besucher war noch größer. Die Atmosphäre war eher wie bei einem Straßentheater 1968, jedenfalls nicht wie bei einem deutschen Staatstheater. Der Abend hat sich gelohnt. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, das beste deutsche Theater gesehen zu haben.
Nur noch bis zum 23. Oktober 2016.

© Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2016.

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2016/10/08

art kicksuch

lob


© art kicksuch, Oktober 2016.

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2016/10/04

Jenny Schon, Magistra Artium

janis


© Jenny Schon, Oktober 2016.

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2016/10/03

Die Südwestpassage Kultour 2016

mogge
Achim Mogge, ohne Titel, 2016, Eitempera auf Leinwand.

Jedes Jahr findet in Berlin Friedenau im Oktober die Südwestpassage Kultour statt, bei der KünstlerInnen ihre Ateliers für Besucher öffnen. Der Name Südwestpassage stammt von der Lage Friedenaus im Südwesten von Berlin. Dieses Jahr öffnen die Ateliers am Samstag 8. Oktober 2016 und Sonntag 9. Oktober 2016, jeweils nachmittags. An die 70 bildende Künstler, die ein Atelier in Friedenau haben, beteiligen sich an der Südwestpassage. Das ist doch schon eine beachtliche Dichte an Künstlern für so einen kleinen Stadtteil. Die Einzelheiten finden sich auf der Webseite: www.suedwestpassage.com. Es gibt auch einen kostenlosen Katalog mit Abbildungen. So kann man von Atelier zu Atelier wandern.

Ein beteiligter Künstler ist der Maler Achim Mogge in der Rheinstraße 61 im Innenhof, 12159 Berlin. Im Katalog der Südwestpassage heißt es über seine Bilder:
"Verlassene Orte und seltsame Ungetüme, geisterhaft still oder wirkungsmächtig in einer Art von Ehrwürdigkeit, diese Sujets finden sich hier in der Ausstellung von Achim Mogge. Manchmal sind ehemalige Funktionen noch zu erahnen, anderes hat sich scheinbar selbst eine neue Bestimmung gegeben - erratische Unnahbarkeit, ja, jedoch manchmal auch durchaus eine ironische Attitüde."

www.mogge-art.de

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2016/09/29

Historische Ecke: Die Große Deutsche Inflation von 1923

Dr. Christian G. Pätzold

inflation

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs im August 1914 befanden sich im Deutschen Reich rund 6 Milliarden Mark an Zahlungsmitteln im Umlauf. Am Ende des Krieges im Jahr 1918 betrug der Zahlungsmittelumlauf bereits 28,4 Milliarden Mark. Der Krieg war vom Deutschen Reich vor allem durch Kriegsanleihen finanziert worden, das heißt deutsche Bürger hatten dem Staat ihre Ersparnisse geliehen. Die internen Kriegsschulden und die Reparationsverpflichtungen des Versailler Vertrages vom Juni 1919 veranlassten die Reichsregierung, immer mehr Papiergeld auszugeben.
Es wurden immer mehr Geldscheine gedruckt, die natürlich immer wertloser wurden. Dadurch konnte die Regierung ihre Schulden bei den Bürgern mit fast wertlosen Papierscheinen zurückzahlen. Der Wertverfall der Mark drückte sich nach außen im Steigen des Dollarkurses aus. Im Februar 1920 war ein US-Dollar 103 Mark wert, im Dezember 1922 7.650 Mark. Gleichzeitig war der Banknotenumlauf bis zum Dezember 1922 auf 1.280 Milliarden Mark gestiegen.
Im Jahr 1923 überschlugen sich die Ereignisse und es setzte eine komplette Hyperinflation ein. Am 20. November 1923, dem Tag der Währungsumstellung auf die Rentenmark, betrug der Preis für einen Dollar 4,2 Billionen Mark. Der Banknotenumlauf betrug im Dezember 1923 496.507.424.771.974 Millionen Mark. Die Preise aller Güter erreichten immer neue Höhen. Der Wert der Mark nahm sogar während eine Tages vom Morgen bis zum Abend stark ab. Der Lohn, der morgens ausgezahlt wurde, musste bereits bis mittags wieder ausgegeben werden. 30 Papierfabriken, 133 Druckereien und 1.723 Druckpressen wurden im Herbst 1923 Tag und Nacht eingesetzt, um für den Nachschub an Papiergeld, das auf Milliarden und Billionen lautete, zu sorgen. Briefmarken der Post gab es im Wert von einer bis fünfzig Milliarden Mark. Kredite lauteten nicht mehr auf Mark, sondern auf Roggen oder Kohle.
Die Inflation führte dazu, dass weite Teile der Bevölkerung, die nur Geldersparnisse besaßen, das heißt der Mittelstand, vollständig verarmten. Auch die Kriegsanleihen wurden vom Staat mit entwertetem Geld zurückgezahlt. Diejenigen dagegen, die Sachwerte wie bspw. Aktien besaßen, waren vor der Inflation relativ geschützt und kamen glimpflich davon. Die Währung wurde schließlich am 20. November 1923 durch die Einführung der Rentenmark stabilisiert. Eine Rentenmark entsprach einer Billion Papiermark. Im Jahr 1924 wurde die Rentenmark dann von der Reichsmark abgelöst. Der Staat stand gut da, er war seine internen Kriegsschulden losgeworden.
Es ist behauptet worden, dass die Enteignung der deutschen Mittelschicht durch die Inflation von 1923 zum späteren politischen Aufstieg der Nationalsozialisten beigetragen hat. Die deutschen Kleinbürger, die 1914 auf den Kaiser Wilhelm II reingefallen waren, sind dann 1933 auf die Nazis reingefallen. Ein weiterer Faktor war natürlich die Weltwirtschaftskrise mit ihrer Massenarbeitslosigkeit, die im Oktober 1929 begann.

© Dr. Christian G. Pätzold, September 2016.

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2016/09/26

Pessima tempora plurimae leges

Jenny Schon, Magistra Artium

pessima

© Jenny Schon, September 2016.

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2016/09/24

rightlivelihood

Seit 1980 hat der Right Livelihood Award tapfere Menschen und Organisationen ausgezeichnet und unterstützt, die grundlegende Lösungen für die Ursachen der globalen Probleme anbieten. Der Right Livelihood Award wird auch "Alternativer Nobelpreis" genannt. Er wurde von Jakob von Uexküll gestiftet.
Die Preisträger in diesem Jahr wurden am 22. September bekannt gegeben:
- Die Ägypterin Mozn Hassan und ihre Organisation "Nazra für feministische Studien" für die Verteidigung der Gleichheit und der Rechte von Frauen in Umständen, in denen sie von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind.
- Die russischen Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina für ihr jahrzehntelanges Engagement für Menschenrechte und Gerechtigkeit für Flüchtlinge und Migranten, und für Toleranz zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen.
- Die Organisation "Syrische Weißhelme" (Syria Civil Defence) für ihre besondere Tapferkeit und ihren humanitären Einsatz in der Rettung von Zivilisten im syrischen Bürgerkrieg.
- Die türkische Zeitung "Cumhuriyet" für ihren unerschrockenen investigativen Journalismus und ihren Einsatz für Meinungsfreiheit angesichts von Unterdrückung, Zensur, Gefängnis und Todesdrohungen.

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2016/09/22

Die Berliner Abgeordnetenhauswahl vom 18. September 2016

Dr. Christian G. Pätzold

Die Berliner Wahlergebnisse sind nicht repräsentativ für Deutschland. Denn Berlin ist nicht Deutschland. Die Berliner Bevölkerung ist soziologisch etwas anders zusammengesetzt als anderswo in Deutschland. Trotzdem ist es interessant, die Wahlergebnisse mal anzusehen. Im Folgenden sind die Zweitstimmen für die Parteien angeführt, die über die Verteilung der Sitze im Abgeordnetenhaus entscheiden. Die offiziellen Wahlergebnisse sind:

wahl3

Dieses Ergebnis ist der Querschnitt über ganz Berlin. Die Ergebnisse in den einzelnen Kiezen sehen allerdings sehr unterschiedlich aus.
Bei der Betrachtung dieser Ergebnisse ist bei mir wieder ein kleiner Statistiker zum Vorschein gekommen. Ich habe die Berliner Abgeordnetenhauswahl mal etwas anders als üblich ausgewertet. Dabei habe ich die Zweitstimmen für die Parteien auf die Einwohnerzahl von Berlin bezogen. Dadurch erhält man ein realistischeres Bild darüber, wie viele Berliner tatsächlich für wen gestimmt haben. Die Zahlen im Einzelnen sind:

wahl4

Hier erkennt man, dass die prozentualen Ergebnisse der einzelnen Parteien doch recht mickrig ausfallen, wenn man sich fragt, wie viele Berliner tatsächlich für wen gestimmt haben.
Das herausragende Ereignis der Wahl war das Ergebnis für die neue Partei AfD (Alternative für Deutschland). Die AfD lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und anderen Ländern ab. Die Wahlergebnisse, insbesondere für die AfD, machen deutlich, dass viele Menschen von einer Abstiegsangst ergriffen sind. Tatsächlich wurde behauptet, dass wir uns in einer Abstiegsgesellschaft befinden, in der die 1% der Millionäre und Milliardäre immer reicher werden, während die 99% der Bevölkerung immer ärmer werden. Das haben einige wissenschaftliche Studien belegt. Die prekären Beschäftigungsverhältnisse nehmen ständig zu, ebenso die soziale Unsicherheit. Deutschland ist heute ein Land der Leiharbeit. Die Altersarmut steigt rapide. Auch die Geldentwertung nimmt beunruhigend zu, weil die EZB Milliardensummen in das Finanzsystem pumpt.
Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland haben nicht mal eine eigene Wohnung, sondern müssen zur Miete wohnen. In Berlin, der größten Stadt in Deutschland, sind 85 % der Bevölkerung so arm, dass sie nicht mal eine eigene Wohnung haben. Leider weiß ich nicht, wie viele Politiker im Berliner Abgeordnetenhaus und im Senat zur Miete wohnen.
Daher dürfte es nicht erstaunlich sein, dass sich die Menschen am rechten Rand immer weiter radikalisieren und an Zulauf gewinnen werden. Dafür spielt es auch gar keine Rolle, ob die nationalen Deutschtümler eine Lösung für die Probleme haben oder nicht. Denn es wird viel um den heißen Brei herumgeredet und man hat den Eindruck, dass die wirklichen sozialen Probleme kaum angesprochen werden. Die Flüchtlinge und die Milliarden Euro, die für die Flüchtlinge ausgegeben werden, werden einfach pauschal vorgeschoben als Argument für den ganzen Frust, der sich angestaut hat.
Einen Eindruck von der Richtung, in der sich die Dinge verändern, vermittelte schon die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September 2016. Die AfD erhielt dort 20,8 % der gültigen Stimmen. Man kann das nachvollziehen. Wenn man weiß, wie alles den Bach runtergeht in den Dörfern in Mecklenburg und Vorpommern, und wie gleichzeitig sehr viel Geld für Flüchtlinge da ist, dann kann man den Frust der Leute verstehen. Aber die AfD wird ihnen wohl auch nicht helfen.
Ein Blick 5 Jahre zurück. Bei der letzten Berlinwahl im September 2011 gab es auch eine Partei, die aus dem Nichts ins Abgeordnetenhaus gesprungen ist: Die Piraten. Inzwischen haben sich die Piraten selbst als Partei zerlegt, einige Personen sind in andere Parteien eingetreten. Vielleicht wird es der AfD ähnlich ergehen und sie wird in 5 Jahren von der CDU/CSU geschluckt sein. Oder auch nicht.

© Dr. Christian G. Pätzold, September 2016.

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2016/09/18

Das Nationalmuseum in Sarajevo

Ferry van Dongen

sarajevo
Das Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina in Sarajevo.
Fotografiert von © Ferry van Dongen.

Bei meinem Aufenthalt in Sarajevo im letzten Jahr war das Zemaljski Muzej, das Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina, noch geschlossen. Jetzt ist es wieder geöffnet und ich habe mir die Gelegenheit zu einem Besuch des Museums nicht nehmen lassen. Zu Zeiten Jugoslawiens war es das Landesmuseum, was eigentlich der Ausrichtung mehr entspricht. Tatsächlich findet man landeskundliche Themen und Ausstellungsstücke. Nichts über die politische Geschichte. Das Museum wurde bereits 1888 gegründet und ist ein großer Gebäudekomplex mit Nebengebäuden und einem Innenhof. Im Hauptgebäude werden auf zwei Etagen Exponate zur Archäologie mit Fundstücken aus der Frühgeschichte bis zum Mittelalter ausgestellt. In einem abgeschlossenen Raum im ersten Stock befindet sich auch die Sarajevo Haggada, eine schön bebilderte Handschrift aus dem 14. Jahrhundert, die sephardische Juden aus Spanien nach Bosnien brachten.
Vom Hauptgebäude geht es in den Innenhof, der als botanischer Garten angelegt wurde. Hier befinden sich viele Stecci, mittelalterliche Grabsteine. Lange diskutierte man, ob diese Steine bogumilischer Herkunft seien. Inzwischen ordnet man sie wohl der Bosnischen Kirche, einer christlichen Kirche im Mittelalter, die sich unabhängig von der katholischen und orthodoxen Religion gebildet hat, zu. Im Seitengebäude zur Linken befindet sich die ethnologische Ausstellung. Im Erdgeschoß sind zahlreiche Modelle von traditionellen Häusern und Dörfern ausgestellt sowie typische Utensilien und Produkte aus dem frühen Dorfleben. Im Obergeschoss betritt man traditionell eingerichtete Zimmer mit lebensgroßen Figuren und traditioneller Kleidung. Der osmanische Einfluss in diesem Landesteil ist nicht zu übersehen.
Vom Innenhof aus im hinteren Gebäude befindet sich die naturkundliche Sammlung: Flora und Fauna und die geologische Sammlung. Es ist schon sehr schön anzusehen, wie die Vielzahl der Steine oder auch Insekten akribisch in den alten Schaukästen präsentiert werden. Die alten Museumsschränke passen einfach wunderbar zur Architektur des Hauses. Vom Innenhof aus gibt es noch ein weiteres Gebäude, das die Bibliothek beherbergt. Das Museum bietet weit mehr Platz als die für die Öffentlichkeit bestimmten Räume. So kann ich mir gut vorstellen, dass eben nur ein Bruchteil der ganzen Sammlung für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
In der Sonne des Nachmittags schlendere ich langsam zum Ausgang und denke daran, ob es wohl noch im nächsten Jahr geöffnet ist. Das Museum war fast drei Jahre geschlossen. Es gab kein Geld mehr für den Unterhalt, keinen Lohn für die etwa 60 Mitarbeiter. Trotz der Schließung haben viele Mitarbeiter das Museum während der Zeit bewacht und die Sammlung gepflegt. Nach einer breit angelegten Aktion von bosnischen Künstlern und Intellektuellen unter dem Motto Ja sam Muzej (Ich bin das Museum) wurde es am 15. September 2015 wieder eröffnet. Die Finanzierung soll für 2 Jahre stehen, aber das weiß man nie bei diesen Politikern.
Marica Filipović, Ethnologin und Vizedirektorin des Museums, hat die Situation vor einem Jahr treffend beschrieben:
"Offiziell geht es um die Finanzierung, tatsächlich ist das Museum politisch schlicht nicht gewollt. Wir haben dieses "von Bosnien und Herzegowina" im Namen und sind eine gesamtstaatliche Institution, doch Entscheidungen werden in Bosnien in den Entitäten getroffen. Dieses Problem ist im Vertrag von Dayton, der das Land in die Republika Srpska und die Bosnisch-Kroatische Föderation teilte, verankert. Die Situation hier am Museum steht somit symbolisch für den Zustand des gesamten Landes... Ein gesamtstaatliches Kulturministerium existiert nicht und stattdessen seit zehn Jahren ein merkwürdiges Ministry of Civil Affairs, das aus 19 Ressorts besteht, von denen eines für Kultur zuständig ist. Für uns eskalierte die Situation nach den Wahlen 2010. Zuerst war ein Jahr lang keine gesamtstaatliche Regierung zustande gekommen. Ab 2011 stellte das Ministry of Civil Affairs dann nur noch maximal 150.000 Euro pro Kulturinstitution zur Verfügung, die zudem nur für konkrete Projekte, nicht aber für Gehälter und Betriebskosten verwendet werden durften. Diese Änderung war für uns der Todesstoß. Danach haben wir noch ein Jahr lang geöffnet, bis wir am 4. Oktober 2012 - exakt 124 Jahre nach der Eröffnung des Museums - den Eingang verbarrikadiert haben... Der Zustand hier am Museum symbolisiert die Verfassung des Landes: Die Gemeinschaft ist gespalten in religiös definierte Nationalitäten, Superreiche und Bettelarme. Zu allem kommt die omnipräsente Korruption, sei es bei der Jobsuche, beim Arzt, in den Behörden und der Politik." (taz vom 14.08.2015).
Und so ist es noch immer. Dem ist nichts hinzuzufügen.

National Museum of Bosnia and Herzegovina, Zmaja od Bosne 3, 71000 Sarajevo, Bosnia and Herzegovina, http://www.zemaljskimuzej.ba

© Ferry van Dongen, September 2016.

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2016/09/15

art kicksuch

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© art kicksuch, September 2016.

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2016/09/12

Tagebuch 1973, Teil 10: Orel

Dr. Christian G. Pätzold

"Denn die Jugend will auf Reisen sein, sogar in der Nacht, sowie das Alter immer übernachten, sogar am Tage."
Jean Paul.

4. August 1973, Orel, Samstag

Unsere Dolmetscherin in Orel hat die Universität beendet und will als Deutschlehrerin nach Sibirien gehen. Ihr Vater war 3 Jahre im KZ. Ihre Eltern haben ihr Haus in Orel verkauft und sind wegen der Gesundheit ans Schwarze Meer gezogen. Ihr Vater verdiente 150 Rubel, ihre Mutter 90 Rubel als Putzfrau. Ihre Schwester verdient als Laborvorsteherin 340 Rubel, ihr Schwager 280 Rubel in Murmansk.
Wir sind am Panzerdenkmal vorbeigekommen, an dem die 30-Jahr-Feier der Schlacht stattfand. Dort waren Kriegsveteranen mit vielen Orden an der Uniform versammelt, die sich unterhielten. Es gab auch Brautpaare mit Blumensträußen.
Wir besuchten wieder den Pionierpalast und trafen wieder auf Puschkins Märchen wie in Kursk. Sie werden manchmal von Schauspielerinnen aus dem Theater vorgelesen. Ich habe im Krankenhaus eine kostenlose Tetanusimpfung bekommen.

5. August 1973, Orel - Moskau, Sonntag

Gestern Abend waren wir mit der Dolmetscherin noch bei einer Tanzveranstaltung mit einem Gewerkschaftschor. Es gab Volkstänze mit prunkvollen Kleidern. Dann waren wir noch beim Jugendtanz, der um 22 Uhr schloss. Die Dolmetscherin war dem Zusammenbruch nahe wegen der Kulturlosigkeit der Veranstaltung.
Heute haben wir auf der Fahrt nach Moskau einen Abstecher zum Landhaus von Tolstoi in Jasnaja Poljana bei Tula gemacht und das Haus besichtigt. Wir sind durch Dörfer abseits der Hauptstraße gefahren. Die Straßen waren schlecht, da die Traktoren große Radspurverkrustungen hinterlassen hatten. Die Roteltourleute waren auch da. Die Dolmetscherin sagte, dass Tolstoi auf der Seite der armen Leute stand. Lew Tolstoi (1828-1910) hat die realistischen Romane "Krieg und Frieden" und "Anna Karenina" geschrieben.
Wir sind im Camping/Motel an der Minsker Chaussee abgestiegen. Es ist modern und gut. Wir sind endlich in Moskau angekommen!

© Dr. Christian G. Pätzold, September 2016.

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2016/09/09

Tagebuch 1973, Teil 9: Kursk

Dr. Christian G. Pätzold

kursk
Postkarte: Haus des Sowjet in Kursk.

2. August 1973, Charkow - Kursk, Donnerstag

In Charkow haben wir Benzingutscheine für Rubel bekommen: 320 Liter für 30 Rubel. Gestern ist Walter Ulbricht gestorben, der Vorsitzende des Staatsrats der DDR, was für die DDR eine Zäsur ist. Die Fußballer der Bundesrepublik sind hier bestens bekannt, auch die Vereine, was auf eine Fußballbegeisterung schließen lässt. Unser Dolmetscher Igor in Charkow sagt, dass die Antibabypille nicht bekannt ist und dass Präservative benutzt werden. Die jungen Leute sagen sehr oft, dass die Alten ihre Probleme nicht verstehen, was auf einen Generationenkonflikt hindeutet.
Intourist in Charkow bietet offizielle Betriebsbesichtigungen an. Intourist in Kursk bietet an: Bildergalerie, Museum der Kursker Schlacht, Heimatmuseum, Ausstellungshalle, Theaterbesuch, Kino und Kulturhäuser, Schulen und Institute. Es gibt einen blühenden Privatmarkt auch in Charkow. 4 Apfelsinen für 1 Rubel wurden wie toll an der Straße gekauft.
Vor einem Friedhof aus dem Zweiten Weltkrieg bekamen wir von den Bauern Milch und Kuchenbrot, die Kolchose hatte wohl eine Feier anlässlich des 30. Jahrestages der Panzerschlacht bei Kursk am 5. August 1943 gegen die deutschen Angreifer. Die Bevölkerung war sehr freundlich, obwohl wir gesagt haben, dass wir Deutsche sind. Sie haben uns gefragt, ob wir für den Frieden sind. Wir haben geantwortet, dass wir für Frieden und Sozialismus sind, worauf keine vollständige Zustimmung kam. In Obojan sind wir von der Miliz zur Weiterfahrt aufgefordert worden, als wir uns mit Leuten am Auto unterhielten.
Abends im Kursker Motel haben wir wieder die Weltfestspiele in Ost-Berlin im Fernsehen gesehen. Es gab ein Bulgarisches Galaprogramm. Gestern gab es ein Sowjetisches Galaprogramm mit Volkstanz, Heimatliedern und Ballett. Was das mit Jugend und Sozialismus zu tun hat, ist uns rätselhaft. Die Grußadresse von Leonid Breschniew zu den X. Weltfestspielen war im »Neuen Deutschland« abgedruckt. Darin kein einziges Wort von Sozialismus!

Postskriptum September 2016:
Heute kann man nicht mehr einfach von Charkow nach Kursk fahren, dazwischen liegt eine explosive Grenze. Russland und die Ukraine befinden sich jetzt im Kriegszustand. Obwohl beide Länder den Kapitalismus eingeführt haben. Die Welt ist nach 40+ Jahren so viel gefährlicher geworden.

3. August 1973, Kursk - Orel, Freitag

Wir haben den Kursker Pionierpalast besichtigt, der Gaidar-Pionierpalast heißt, nach dem bekannten sowjetischen Jugendschriftsteller Arkadi Petrowitsch Gaidar (1904-1941), der im Kursker Gebiet geboren wurde. (Nachtrag: Sein Enkel war 1992 russischer Ministerpräsident). Es gibt im Pionierpalast verschiedene Zimmer für verschiedene Zirkel. Die Dolmetscherin sagt: "Die Jungen sind im technischen Zirkel, die Mädchen im Tanz- und Nähzirkel." "Nein, Jungen interessieren sich nicht für den Nähzirkel." Das Märchenzimmer ist bemalt mit Puschkinmärchen: Zar und Frosch, Fliegender Teppich, Alter Mann und Zauberfisch. Die Dolmetscherin sagt: "Kinder interessieren sich sehr dafür." Das Ballettzimmer ist für 7-jährige, die 3 bis 4 mal in der Woche üben. Im Leninzimmer gibt es die Traditionspflege, Bilder von Lenin und seinen Briefwechsel. Im Aufklärerzirkel wird die militärische Vergangenheit gepflegt, es gibt eine Sammlung von Dokumenten, faschistische Feldflaschen etc. Krimskrams. Im Pionierleiterzirkel steht eine Statue von Lenin als Kind. Außerdem gibt es dort Gesetze, Orden und Fahnen der Pioniere. Das Tier- und Pflanzenzimmer: "Vor allem sind hier die Mädchen." Das Fernsehstudio wurde selbst eingerichtet, zusammen mit Patenwerken, von denen die technischen Geräte zur Übertragung stammen. Die Programmausstrahlung erfolgt in jedes Zimmer des Palastes, in denen selbstgebastelte Fernseher stehen. Es werden Gespräche, Konzerte und Programme aus Moskau übertragen. "Die Mädchen sind meist Ansager." Im Funkzirkel gibt es ein Morsegerät und ein Funkgerät. Außerdem gibt es einen Flugzeugbauzirkel, einen Fotozirkel, eine Go-cart-Werkstatt und weitere Zirkel. Für die Kinder wird also einiges geboten. Die Zirkel stehen unter der Aufsicht von Erwachsenen. Ab 10 Jahren sind alle Kinder Pioniere, wobei die besten schon früher aufgenommen werden. 90 % der 16-Jährigen sind dann angeblich Komsomolzen. In den 3 Kursker Bezirken gibt es 3 Pionierpaläste.
Ebenfalls sehr interessant war der Besuch der Kathedrale von Kursk in der Gorkistraße. Der Patriarch Alexander Rogosinski kam aus seinem kleinen Häuschen an der Seite der Kirche und klingelte an der Kirchentür. Der Portier öffnete. Die Kirche besteht aus 2 Kirchen übereinander, wobei unten und oben alles voll mit Ikonen ist. Unten gibt es morgens und abends Gottesdienst und die Kirche ist voll! Die obere Kirche ist für besondere Feiertage. Sie hat eine riesige Goldwand mit einem Altar dahinter, der nur für Männer zugelassen ist. Es gibt einen Sarg, der zu Ostern um die Kathedrale herum geschleppt wird. Darin liegt eine Ikone, die abschließend geküsst werden kann. Ich war erstaunt. Ich hatte mir die Sowjetunion eigentlich atheistischer vorgestellt.
Die Dolmetscherin in Kursk war sehr gesprächsbereit. Sie kennt keine Antibabypillen, "weil ich nicht verheiratet bin", sie ist aber verlobt. Aus Kursk sind gegenwärtig 4 Deutschstudenten in der DDR. Unsere Dolmetscherin erklärt die Generationenschwierigkeiten mit den beengten Wohnverhältnissen. Wenn man in einem Betrieb arbeitet, bekommt man innerhalb eines Jahres eine Wohnung. Die Intelligenz aber nicht. Sie wohnt selbst bei ihren Eltern. "Die Älteren werfen vielleicht den Jugendlichen vor, dass sie nicht mehr das Vaterland verteidigen, keine Aufgabe mehr haben. Vor 3 Jahren gab es viele Leute mit langen Haaren." "Die Jugend macht was sie will." "Am Tag geht man nicht umarmt, nur abends, wenn es dunkel ist." "Die Jugend ist zu faul, diese Bücher (ML-Literatur) zu lesen." "Die Eltern haben vor allem Angst um die Mädchen, wenn sie weggehen." Auch die Dolmetscherin kann Stalin nicht wegdiskutieren. "Den Krieg haben wir ja gewonnen."

© Dr. Christian G. Pätzold, September 2016.

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2016/09/04

The Warhol in Pittsburgh

Ferry van Dongen

warhol
Andy Warhol, Flowers, 1970/Ai Weiwei, Grapes, 2011. The Warhol, Pittsburgh.
Fotografiert von © Ferry van Dongen.

Das Andy Warhol Museum in Pittsburgh gehört zu den Orten, die man in Pittsburgh, Pennsylvania, besuchen muss. Kürzlich hatte ich dazu Gelegenheit. In einem Gebäude aus dem Jahre 1911, nördlich des Zentrums gelegen, präsentiert das Warhol auf sieben Etagen Leben und Werk des Künstlers. Das Gebäude wurde von der Firma Frick & Lindsay, einem Großhändler für Maschinen und Zubehör für Erdölförderung und Bergbau, erbaut. Der Charme dieses alten Industriebaus wurde erhalten. Es ist eines der vier Carnegie Museen der Stadt. Andrew Carnegie (1835-1919) hat mit der Stahlindustrie in Pittsburgh eine Menge Geld verdient und zählte zu den reichsten Amerikanern. Immerhin sind vier Museen für die Leute der Stadt übrig geblieben. Ansonsten ist der Untergang des Bergbaus und der Stahlindustrie noch überall sichtbar.
Andy Warhol (1928-1987) wurde in Pittsburgh als Sohn von Einwanderern aus Russland und den Karpaten geboren. Andrew Warhola, so lautete sein Geburtsname, lebte bis 1949 in Pittsburgh und zog dann nach New York City, wo seine Karriere in den 1950er Jahren begann. Zunächst arbeitete er als Illustrator in der Werbebranche, ab den 1960er Jahren war er ein Künstler der Pop-Art, später auch Foto- und Filmkünstler.
In diesem Jahr hat das Museum eine Sonderausstellung auf allen Etagen: Andy Warhol - Ai Weiwei. Ein Vergleich der Werke beider Künstler verteilt auf die 7 Etagen zu folgenden Themen: Introduction, Political Beauty, Cats, Surveillance and the State, Social Disease, Readymade, und Capitalism and Communism. Ai Weiwei hat sich an der Konzeption der Ausstellung beteiligt. Überraschend sind die vielen Parallelen in den Werken beider Künstler, aber auch die Unterschiede in der Darstellungsform bzw. Bearbeitung der Themen. Sehr schön zu sehen zum Thema Political Beauty. An den Wänden hängen Wahrhols Blumenbilder, bearbeitete Reproduktionen von Blumenblüten. Ai Weiwei ist vertreten mit Installationen: ein Fahrrad mit Kunstblumen im Fahrradkorb vor einer großflächigen Tapete mit systematisch angeordneten Bildern von bunten Blumensträußen und alten Sitzhockern, die er unter dem Titel "Grapes" zu einem organisch wirkenden Objekt verbaut hat. Warhol ist ein Vertreter der Moderne des 20. Jahrhunderts, der in den USA lebte, Ai Weiwei ein Vertreter des 21. Jahrhunderts aus China.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 11. September 2016.
Zur Ausstellung gibt es eine eigene Webseite: http://www.warhol.org/AndyWarholAiWeiwei/.
The Andy Warhol Museum, 117 Sandusky Street, Pittsburgh, PA 15212-5890.

© Ferry van Dongen, September 2016.

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2016/09/02

kuhle gartenparty

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2016/08/28

Lesung im Primobuch Antiquariat am 1. September 2016
Fontane und die Lügenpresse

Jenny Schon

In Zeiten des 1866er Krieges nahm man es in Berlin nicht so ernst mit der Wahrheit. Da die preußischen Truppen in der kleinen Stadt am Fuße des Riesengebirges in Böhmen, in der ich fast 100 Jahre später geboren wurde, eine Schlacht verloren haben - Wo gibt es denn so was, Preußen verlieren nie! - musste ja irgendwas Unbotmäßiges geschehen sein. Und die Presse propagierte es in dem von Trautenau vierhundert Kilometer entfernten Berlin so: Der Verrath von Trautenau! Die Bürger hätten unerlaubterweise in die militärischen Geschehnisse eingegriffen, indem sie siedendes Oel auf die Köppe der Soldaten, die durch die Straßen liefen, gegossen hätten.
Dass so eine Ungeheuerlichkeit den Abenteurer Fontane gereizt hat, ist klar, eigentlich wollte er ja nur nach Königgrätz, denn da siegten die Preußen fulminant, aber nein, er macht den Abstecher in meine Geburtsstadt. Was Fontane herausfindet, nachzulesen in meinem Buch:

Jenny Schon, Böhmen nicht am Meer - Eine Spurensuche bis heute, Gerhard-Hess-Verlag, 2016.

Eine kleine Nachbemerkung zu der Behauptung, Sachsen hätten das Wort Lügenpresse (was ja die von Fontane vorgelegte Geschichte widerlegt) und andere Scheußlichkeiten erfunden. Immer wenn über die Jahrhunderte die Preußen Kriegslust oder Lust auf junge Ostblockgirls hatten und nach Österreich-Böhmen zogen, mussten sie das freie Land Sachsen (Kurfürstentum, Königtum, Freistaat) queren, oft gewaltsam. So sind uns die Sachsen auch noch aus DDR-Zeiten als recht sonderlich in Erinnerung, auch versteht man sie sehr schlecht (Gänsefleisch de Goffer öffnen), das hat natürlich den Sinn, zwischen dem Tschechischen und dem Berlinischen bemerkbar zu bleiben. Es ist eine Glanzleistung, heute noch mit diesem Eigensinn zu existieren, während die Großmächte Österreich und Preußen verschwunden sind.
Meiner Mutter und mir haben die Sachsen 1945 Heimat geboten, als die Tschechen uns aus dem Land meiner böhmischen Ahnen herausgeschmissen hatten und wir für einen Krieg büßen mussten, den wieder mal Berlin angezettelt hatte.
Meine Lesung ist nicht ganz unbeabsichtigt am Gedenktag zum Ausbruch des 2. Weltkrieges, viele Geschichten in meinem Buch behandeln Kriege.

Lesung von Jenny Schon am 1. September 2016, 19:00 Uhr, im Primobuch, Berlin Steglitz, Herderstr. 24.

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2016/08/25

Das Helene Weigel Haus in Putgarten auf Rügen/Vorpommern

heleneweigelhaus
Das Helene Weigel Haus in Putgarten, Dorfstraße 16.
Fotografiert von © Manfred Gill.

Helene Weigel (1900-1971) war eine bekannte Schauspielerin und die Ehefrau von Bertolt Brecht (1898-1956). Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte sie vor allem am Berliner Ensemble (BE, Theater am Schiffbauerdamm) in Theaterstücken von Brecht, darunter in "Die Mutter", "Mutter Courage und ihre Kinder", "Die Gewehre der Frau Carrar". Dadurch erlangte das Berliner Ensemble einen Weltruf. Mitte der 1950er Jahre kaufte Helene Weigel als Intendantin des BE das Reethaus in Putgarten als Ferienwohnung für die Mitspieler des Berliner Ensembles. Helene Weigel selbst besaß ein Sommerhaus in Buckow in der Märkischen Schweiz, das heutige Brecht-Weigel-Haus, das auch besichtigt werden kann.

Das Helene Weigel Haus schreibt auf seiner Webseite:

"Neben frisch gebackenem Blechkuchen und italienischen Kaffeespezialitäten lockt das Haus auch gelegentlich mit wunderbaren Musik- und Theaterabenden.
Das ca. 200 Jahre alte Fischerhaus mitten in Putgarten trägt den Namen der großartigen Schauspielerin Helene Weigel, Ehefrau von Bertolt Brecht. Sie hatte das Haus Mitte der 50er Jahre als Feriendomizil erworben und es diente dann seit den späten 50er Jahren bis nach der Wende den Mitgliedern des Berliner Ensembles als Ferienunterkunft.
Eine Oase der Ruhe und Entspannung bietet der große, zauberhafte Garten hinter dem Reethaus. Hier sitzt man in besonderer Atmosphäre, die schon so manchen inspiriert und begeistert hat. Im Inneren des Hauses sitzt man an den alten Tischen der "legendären BE-Kantine", die Helene Weigel selbst entworfen hatte. In den Ritzen und Rillen scheint noch immer der Geist des brechtschen Theaters weiterzuleben."

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2016/08/22

Griechische Kunst statt griechischer Schuldenkrise

athene
Tetradrachmon aus Athen. Kopf der Athene auf der Vorderseite, Eule mit Olivenzweig und Mondsichel auf der Rückseite. Silber. Nach 445 vor unserer Zeit.
Quelle: Wikipedia, SNG Copenhagen 39.

Die Eule mit Olivenzweig findet sich noch heute auf den griechischen 1-Euro-Münzen. Ein Design, das 2.500 Jahre überlebt hat? Das sollte den heutigen DesignerInnen zu denken geben.

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2016/08/19

Vor 50 Jahren: Beginn der Großen Proletarischen Kulturrevolution in der
Volksrepublik China

Dr. Christian G. Pätzold

mao
Andy Warhol, Mao, 1973. Acryl auf Leinwand, Siebdruck, 448x347x3,5 cm.
Sammlung Marx. In der Beuys-Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold, Juli 2016.

Andy Warhol (1928-1987), der New Yorker Künstler, war ein bekannter Vertreter der Pop-Art, das heißt der populären Kunst, die in den 1960er und 1970er Jahren den Kunstgeschmack im Westen bestimmte. Pop-Art war vor allem bunt und plakativ, irgendwie lebensfreudig und jugendlich, und deshalb gefiel sie mir damals ganz gut. Und heute immer noch. Warhol fertigte Hunderte von Mao-Bildern mit dem Siebdruckverfahren an, denn Mao war ein Popstar der Zeit. Vorbild für die Mao-Bilder war das Portrait des Großen Vorsitzenden in der »Mao-Bibel«. Vergleichen Sie bitte den Artikel über die »Mao-Bibel« vom 18. Februar 2016.
Warhols künstlerische Produktion drehte sich damals um Multiples, das heißt um die mehrfache, leicht variierte Reproduktion eines Motivs, wozu das Siebdruckverfahren ideal war. Die Multiples sollten populäre Motive popularisieren. Da war natürlich das Portrait von Mao Tse-tung das ultimative Multiple, denn die »Mao-Bibel« soll in einer Auflage von 1 Milliarde Exemplaren erschienen sein. Warhol hat den Personenkult um Mao in der Pop-Art aufgegriffen. Er hat auch andere Berühmtheiten seiner Zeit abgebildet, wie Elvis, Marilyn Monroe oder Elizabeth II.
Das Bild von Mao war allgegenwärtig in China, nicht nur in der »Mao-Bibel«, sondern auch auf zahllosen Postern und Mao Buttons. Noch heute hängt das Portrait von Mao über dem Tor des Himmlischen Friedens auf dem Tiananmen-Platz in Peking. Heute ist Mao der Staatsgründer der Volksrepublik. Das heutige kapitalistische China hat aber nicht mehr viel gemeinsam mit dem Maoismus und mit den Zielen der Kulturrevolution.
© Dr. Christian G. Pätzold, August 2016.

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2016/08/16

71. Jahrestag der US-amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima am 6. August und Nagasaki am 9. August, Kapitulation Japans am 15. August 1945

weltfriedensglocke
Die Weltfriedensglocke im Volkspark Friedrichshain in Berlin. Fotografiert von © Manfred Gill, August 2016.

Der Verein "Friedensglockengesellschaft Berlin" schreibt dazu auf seiner Webseite:

"Die Idee der Friedensglocken wurde von Chiyoji Nakagawa, einem Überlebenden der Atombombenabwürfe von 1945, geboren. Mit seinen Freunden sammelte er Münzen aus vielen Ländern, die dann mit metallenen Trümmern Hiroshimas verschmolzen wurden.
Nachdem der Beschluss gefasst wurde, Weltfriedensglocken auch für andere Städte der Welt zu gießen, wurde 1982 die Gesellschaft für Weltfriedensglocken gegründet. Im Dezember 1988 trug die "World Peace Bell Association" die Bitte an Manfred Schmidt, Botschafter der DDR in Japan heran, zum 50. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs eine Friedensglocke in Berlin aufstellen zu dürfen. Auf seine entsprechende Mitteilung erhielt Manfred Schmidt vom Außenministerium der DDR die Antwort, dass der Magistrat von Berlin und der Deutsche Friedensrat die Glocke gemeinsam in ihre Obhut nehmen werden.
Von japanischer Seite wurde gewünscht, dass der Standort in repräsentativer und zentraler Lage liegen sollte. So wurde entschieden, den Tempel mit Glocke am Großen Teich im Volkspark Friedrichshain, in unmittelbarer Nähe des Alexanderplatzes und der Gründungsstätte von Berlin - der Nikolaikirche, zu errichten. Der Magistrat von Berlin beschloss die Glocke im Volkspark Friedrichshain aufzustellen, als Symbol des Willens, dass auch künftig glückliche Menschen ohne Angst vor einem Krieg leben können. Von der "Stadt des Friedens" soll mit dem Glockenklang der erklärte Wille Berlins hinausschallen, dass der Geist der Abrüstung, des Dialogs und der Völkerverständigung überall siegen möge.
Der kleine Glockentempel ist nach japanischen Entwürfen von deutschen Handwerkern kunstfertig errichtet worden. Der Angermünder Kunstschmied Wilfried Schwuchow errichtete das Kupferdach mit den Ornamenten und montierte die Glocke. Die 100 cm hohe Bronzeglocke hat einen Durchmesser von 60 cm und ein Gewicht von 365 kg. Sie trägt die Inschrift "Weltfrieden"."

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2016/08/13

Die Zeit der Äpfel

aepfel
Gut zum Essen und für Saft. Das Foto wurde von © Ella Gondek zur Verfügung gestellt.
Der Apfel Discovery wurde 1949 in England aus einer Kreuzung der Sorten Worcester Parmäne und Schöner aus Bath gezüchtet. Er ist ein früher Sommerapfel, der schon ab Mitte August reif ist.

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2016/08/09

100. Todestag von Lily Braun am 9. August 2016:
»Memoiren einer Sozialistin«

Dr. Christian G. Pätzold

lilybraun
Verein für das Frauenstimmrecht, um 1896: Von links nach rechts: Anita Augspurg, Marie Stritt,
Lily von Gizycki (Lily Braun), Minna Cauer, Sophia Goudstikker.

Lily Braun, geborene Amalie von Kretschmann, lebte von 1865 bis 1916. Damit ist ihre Lebenszeit fast identisch mit der Zeit des Deutschen Kaiserreiches zwischen 1871 und 1918. Wenn man einen tieferen Einblick in das Kaiserreich gewinnen möchte, dann bieten sich ihre »Memoiren einer Sozialistin« geradezu an.
Sie war die Tochter des preußischen Generals Hans von Kretschmann und daher ein Mitglied der Aristokratie. Aber nicht nur das. Ihre Großmutter mütterlicherseits war Jenny von Gustedt (1811-1890), geborene Jeromée Catharina Rabe von Pappenheim, eine Tochter von Jérôme Bonaparte, König von Westphalen, und der Diana Rabe von Pappenheim. Daher war Lily Braun direkt mit der Familie von Napoleon Bonaparte, Kaiser der Franzosen, verwandt. Dadurch war sie natürlich für ihre Zeit von vornherein eine interessante Persönlichkeit. Wie wurde so jemand zu einer Sozialistin?
Sie verbrachte ihre ganze Kindheit und Jugend im Kreis der preußischen Aristokratie. Damals ist sie viel in Deutschland herumgekommen, da ihr Vater beim preußischen Militär Offizier war und öfter versetzt wurde. Daher lebte sie in Potsdam, Karlsruhe, Berlin, Posen, Brandenburg, Schwerin, Bromberg, Münster und wieder in Berlin. Sie entwickelte schon als Jugendliche eine Antipathie zum Christentum. Außerdem lernte sie das Elend der Arbeiter zur damaligen Zeit kennen. Hinzu kam, dass sich damals die Sozialdemokratie als Oppositionspartei zum Kaiserreich kräftig entwickelte. All das führte dazu, dass Lily Braun schließlich eine Sozialistin wurde.
Man kann ihre Entwicklung verstehen, wenn man ihr Buch »Memoiren einer Sozialistin« liest. Es ist im Stil eines Gesellschaftsromans des 19. Jahrhunderts geschrieben. Es besteht aus zwei Teilen: "Lehrjahre" und "Kampfjahre". Beim Lesen taucht man immer tiefer ins Kaiserreich ein. Für Lily Braun waren dabei zwei Gebiete von besonderer Bedeutung, ihr Kampf in der Frauenbewegung und ihre Stellung als Revisionistin.
Nach dem Tod von Engels im August 1895 ging das ganze Trauerspiel des Revisionismus los. Zur Hauptfigur des Revisionismus innerhalb der SPD entwickelte sich Eduard Bernstein, dessen Buch »Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie« 1899 in Stuttgart erschien. Das Credo der Revisionisten war: "Die Lehre von der planmäßigen Demokratisierung und Sozialisierung der kapitalistischen Gesellschaft muß an die Stelle des Dogmas von der alleinseligmachenden Revolution treten." (Memoiren einer Sozialistin, S. 660). Lily Braun wurde in ihren revisionistischen Ansichten auch von ihrem Mann, Dr. Hermann Braun, bestärkt, der ebenfalls zum revisionistischen Flügel gehörte. Als dann Bebel im August 1913 gestorben war, gab es für den Revisionismus kein Halten mehr. Im August 1914 stimmten die Sozialdemokraten im Reichstag fast einstimmig für die Kriegskredite, für die Finanzierung des imperialistischen Ersten Weltkriegs. Einzige Ausnahme war Karl Liebknecht. Die SPD war zu einer nationalistischen, fast monarchistischen Partei geworden.
Für die Frauenbewegung hat Lily Braun viel geleistet. Sie hat die Dienstbotinnenbewegung gefördert, die Mutterschaftsversicherung und die Haushaltungs-Genossenschaften, immer mit dem Ziel, die Doppelbelastung der Frauen durch Berufsarbeit und Haushalt zu reduzieren. Dass sie als Revisionistin mit Clara Zetkin, der Führerin der proletarischen Frauenbewegung vom radikalen Flügel der SPD, in Konflikt geriet, war unvermeidlich. Clara Zetkin hat sie dann eigenhändig aus der proletarischen Frauenbewegung herausgeworfen, was sich in ihren Memoiren gut nachvollziehen lässt. Für die bürgerliche Frauenbewegung dagegen war sie zu links, so dass sie zwischen allen Stühlen saß. Und dann hat Lily Braun noch ein Standardwerk geschrieben: »Die Frauenfrage. Ihre geschichtliche Entwicklung und wirtschaftliche Seite«, Leipzig 1901 (Hirzel).
Ihre Überzeugungen als Revisionistin, ihre aristokratische Herkunft, ihre Arbeit für die bürgerliche Presse, all das waren keine guten Voraussetzungen für 1914. Nachdem Deutschland im August 1914 den Ersten Weltkrieg begonnen hatte, scheint sie vorbehaltlos die Kriegspolitik des Kaiserreichs unterstützt zu haben, obwohl aus ihren Memoiren herausgelesen werden kann, dass sie früher schon mal eine kritischere Haltung gehabt hatte. Ihr einziger Sohn, der Lyriker Otto Braun, scheint sich freiwillig zum Ersten Weltkrieg gemeldet zu haben. 1916 starb sie an einem Schlaganfall, als sie auf dem Weg zum Postamt war, wo sie einen Brief ihres Sohnes von der Front erwartete. Sie war zu Ende ihres Lebens auf Nietzsche hereingefallen. Sie gehörte zu den vielen Sozialdemokraten, die 1914 von der kaiserlichen Propaganda gebrainwashed waren. Wenigstens musste sie nicht mehr miterleben, dass ihr geliebter Sohn im April 1918 als Soldat an der Somme durch einen Granatsplitter starb.
Es gibt seltene Bücher, aus denen man viel über den Geist einer Epoche und über die Geschichte lernt. Die »Memoiren einer Sozialistin« von Lily Braun sind so ein seltenes Buch. Es ist zwar 809 Seiten dick. Aber das Lesen lohnt sich.

Literatur: Lily Braun: Memoiren einer Sozialistin (Ungekürzte Ausgabe), Berlin/Bonn 1985, Verlag J.H.W. Dietz Nachf.

Postskriptum:
Der 9. August 2016 ist nicht nur der 100. Todestag von Lily Braun, sondern auch der 500. Todestag des Malers Hieronymus Bosch. Er starb in s-Hertogenbosch in den Niederlanden. Aber das wäre eine ganz andere Geschichte über das mittelalterliche Denken.

© Dr. Christian G. Pätzold, August 2016.

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2016/08/04

art kicksuch

irgendwann


© art kicksuch, August 2016.

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2016/08/01

Gedanken im Sommer am Strand von Warnemünde/Ostsee

Dr. Christian G. Pätzold

warnemuende
Foto von Dr. Christian G. Pätzold. Juli 2016.

Nein, Kuhle Wampe macht keine Sommerpause. Kuhle Wampe ist wie immer Online. Es gibt immer etwas Neues zu berichten.
Der Blick auf die Meeresfläche ist so befriedigend. Alles ist Gleichheit, es gibt keine Höhen und Tiefen, es gibt kein Oben und Unten, nur Fläche bis zum Horizont. Denn Wasser ist flüssig und gleicht alle Unebenheiten aus. Daher ist es so schön, auf das Meer zu blicken.
Die Ostsee wurde früher die Badewanne der Berliner genannt. Trotz Blüte der Cyano-Bakterien darf man angeblich immer noch in der Ostsee baden. Besorgte Frage: Ist die Ostsee noch am Leben oder kippt sie bald um? Täglich werden tonnenweise Gifte in die Ostsee über die Flüsse geleitet. Ich bin mit nackten Füßen durch die Ostsee gelaufen. Anschließend waren meine Füße zu meinem Erstaunen immer noch dran. Die Touristen werden weniger werden. Wer möchte an einer verseuchten Ostsee noch Urlaub machen? Die Wohnbevölkerung an der Ostseeküste von Mecklenburg und Vorpommern ist jetzt schon im nachhaltigen Sinkflug.
Kann man den Fisch aus der Ostsee überhaupt noch essen, bei all den Plastikpartikeln, die im Meer schwimmen sollen? Es sind winzig kleine Plastikpartikel, die von den Fischen gefressen werden und sich in ihrem Körper anreichern. Wie viel Plastik ist eigentlich heute in den Fischen drin? Möchte ich Plastik essen? Ich sitze in den Sanddünen und blicke aufs Meer. Ich muss an den großen nordpazifischen Müllstrudel denken; kilometerweit nur Plastikmüll auf dem Ozean. Was ist aus der Erde geworden? Auf Fisch und Meeresfrüchte habe ich keinen Appetit mehr. In meiner Jugendzeit habe ich einfach Fisch gegessen und mir keine Gedanken gemacht. Obwohl schon damals Gift ins Meer verklappt wurde. Aber die Regierung hat die Bevölkerung damals so richtig schön verdummt und alles als harmlos hingestellt.
Die alte Fischmarkthalle in Warnemünde ist nicht mehr da. Es gibt nur noch ein paar Fischbrötchenstände für die Touristen. Warnemünde ist jetzt der größte Hafen für Kreuzfahrtschiffe in Deutschland.
© Dr. Christian G. Pätzold, August 2016.

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2016/07/28

»Lügenpresse«

Dr. Christian G. Pätzold

Das Wort »Lügenpresse« kam im Jahr 2014 erneut auf, als Pegida-Anhänger und AfD-Anhänger die Medien beschuldigten, falsch über ihre Aktionen und Ansichten zu berichten. Die selbsternannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" waren der Ansicht, dass die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen verurteilt werden müsste, während die offiziellen Medien die Aufnahme von Flüchtlingen nur lobten. Auf ihren Demonstrationen, vor allem in Sachsen, riefen sie daher oft das Wort Lügenpresse. Das wollte die bürgerliche Presse natürlich nicht auf sich sitzen lassen. In ernsten Artikeln prüfte sie sich selber und kam zu dem Schluss, dass sie keine Lügenpresse sei und immer objektiv über alles berichte. Dieses Ergebnis war zu erwarten. Im Januar 2015 wurde das Wort »Lügenpresse« dann zum "Unwort des Jahres 2014" gewählt.
Mir sind noch gut die Anti-Springer-Aktionen des Jahres 1968 in Erinnerung. Schon damals war die Studentenbewegung der Meinung, dass "Bild lügt!". Seitdem habe ich die Grundüberzeugung, dass es eine Lügenpresse gibt, also Medien, die Lügen verbreiten. Auch andere Menschen scheinen das Gefühl zu haben, dass es bei den Medien nicht immer ganz koscher zugeht. Viele sind der Ansicht, dass das Bundeskanzleramt morgens beim ZDF anruft und durchsagt, was tagsüber gesendet werden soll. Es ist auch bekannt, dass viele Posten beim Staatsrundfunk nach Parteibuch besetzt werden.
Aber wie funktioniert das professionelle Verbreiten von Lügen eigentlich ganz konkret? Ich habe mal eine kleine Liste der Methoden der Lügenpresse zusammengestellt, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt:

Methode 1: Totschweigen. Unliebsame Tatsachen werden einfach nicht berichtet.
Methode 2: Propaganda. In den deutschen Medien war zu Beginn des Jahres 2016 wochenlang von "illegalen Flüchtlingen" die Rede, die über die Ägäis nach Griechenland kamen. Dabei kann ein Flüchtling gar nicht illegal sein. Oder soll ein Flüchtling etwa vorher die deutschen Behörden um Erlaubnis fragen, ob er flüchten darf?
Methode 3: Fälschung: Es gibt nicht nur die klassische Zeitungsente. Zu diesem Bereich der Fehlinformationen, Falschmeldungen oder Lügen zählen bspw. auch die Arbeitslosenzahlen, die monatlich von der Presse verbreitet werden. Obwohl jeder gute Journalist weiß, dass die Statistik geschönt ist, um die Arbeitslosigkeit geringer erscheinen zu lassen. Arbeitslose, die krank sind, die einen 1-Euro-Job haben, die an Weiterbildungen teilnehmen oder älter als 58 Jahre sind, werden einfach nicht in der offiziellen Arbeitslosenstatistik mitgezählt.
Methode 4: Verdummung. Im Radio werden stundenlang die Fußballergebnisse der 1., 2., 3. und 4. Liga verkündet, bis sich vor lauter BVB, HSV, BSC, VfL, VfB, FSV, KSC und FCK die Gehirnmasse der Zuhörer in einen amorphen Brei aufgelöst hat.
Methode 5: Manipulation. Um die Medienkonsumenten nach eigenem Interesse zu lenken, wird noch sicherheitshalber Werbung geschaltet, gerne irreführende.
Methode 6: Hetze. Um die Bevölkerung aufzuhetzen und von wichtigen Fragen abzulenken, wird an die primitivsten Triebe appelliert, bspw. an Überfremdungsängste.

Alle Methoden zusammengenommen führen dazu, dass bei vielen Konsumenten der Medien ein abstruser Brei im Kopf entsteht, der ein klares Denken verhindert.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juli 2016.

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2016/07/26

Der Christopher Street Day 2016 in Berlin

csd

Der CSD am 23. Juli 2016. Das ist die Demo der Menschen, die manchmal auch als LSBTI bezeichnet werden, lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und intersexuell. Man kann auch queer sagen. Sie waren nicht zufrieden mit der Durchsetzung ihrer Forderungen. Das Motto der Demo war "Danke für nix".
Fotografiert am Nollendorfplatz in Berlin Schöneberg von Dr. Christian G. Pätzold.

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2016/07/23

Joseph Beuys - »Das Kapital« (1980) im Hamburger Bahnhof

Dr. Christian G. Pätzold

beuys
Joseph Beuys, Das Kapital, 1980, fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold.

Karl Marx hat das berühmte Buch »Das Kapital« geschrieben und da wollte sich Joseph Beuys (1921-1986) nicht lumpen lassen und hat ebenfalls »Das Kapital« erschaffen. Das war im Jahre 1980 für die Biennale in Venedig. Während »Das Kapital« von Marx in jedem vernünftigen Bücherregal steht, nimmt »Das Kapital« von Beuys einen großen Raum im Hamburger Bahnhof in Berlin ein, und wird daher als Rauminstallation bezeichnet. »Das Kapital« von Marx gibt es bei fast jedem Antiquar für ein paar Euro, »Das Kapital« von Beuys hat etliche Millionen Euro gekostet. Man könnte also sagen, Marx hat über das Kapital geschrieben, Beuys dagegen hat tatsächliches Kapital im Millionenwert erschaffen, entsprechend seiner Formel Kunst = Kapital. Beuys nannte das Kunstwerk sein "Monument für die Zukunft".
Daher gehört »Das Kapital« von Beuys auch einem Multimillionär mit passendem Namen Erich Marx, der es dem Hamburger Bahnhof ausgeliehen hat. Der Hamburger Bahnhof ist übrigens kein Bahnhof mehr, sondern eine staatliche Ausstellungshalle für moderne Kunst in der Mitte Berlins, in der Invalidenstraße, die seit Jahren für ihre besonders wertvollen Ausstellungen bekannt ist. Woraus besteht nun »Das Kapital« von Beuys? An die 50 beschriftete Schiefertafeln, 1 Klavier, 1 Axt, 1 Zinkwanne, 2 Filmprojektoren, 2 Tonbandgeräte, 2 Lautsprecher, Fett, 1 Gießkanne, 1 Waschbecken, Seife, 2 Flaschen, 1 Leiter und noch weitere Gegenstände.
Generationen von Kunstkritikern haben sich schon bei Beuys gefragt: Was hat das alles zu bedeuten? Irgendetwas muss ja dran sein, wenn es Millionen kostet. Aber oft wurde Beuys nicht richtig verstanden. So soll eine Reinigungskraft in einem Museum über Nacht ein Kunstwerk von Beuys in die Mülltonne verfrachtet haben, weil sie es für Abfall hielt. Daraus soll der Spruch entstanden sein: "Ist das Kunst oder kann das weg?"
Ich kann es jetzt enthüllen, was »Das Kapital« von Beuys in Wirklichkeit bedeutet. Das Volk hat Beuys nie verstanden, aber ich kann es jetzt erklären: Die Schiefertafeln werden benötigt, damit die Kapitalisten dort ihre Profite aufschreiben können. Auf dem Klavier spielen die Kapitalisten anschließend die Profitsonate. Die Zinkwanne steht stellvertretend für die goldenen Badewannen der Kapitalisten, in denen sie in Champagner ihre Dividendenausschüttungen feiern. Das Fett symbolisiert die fette Weihnachtsgans, die die Kapitalisten verspeisen, während die Arbeiter Würstchen und Kartoffelsalat von Aldi essen müssen. Und die Axt ist für Notfallmaßnahmen gegenüber dem Betriebsrat vorgesehen. Karl Marx: "Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und Degradation auf dem Gegenpol."
Es ist aber durchaus nicht so, dass jedes Kunstwerk = Kapital ist. Die meisten Kunstwerke haben auf dem Kunstmarkt gar keinen Wert. In der Regel sind es nur Kunstwerke mit einer besonderen Bedeutung für Menschen, die auf dem Kunstmarkt oder bei Auktionen einen Wert erhalten. Diese Kunstwerke müssen technisch von hoher Qualität sein und eine Bedeutung transportieren, die auf Bedürfnisse des Zeitgeistes antwortet. Daher hatte Beuys zwar Recht, dass jeder Mensch ein potenzieller Künstler ist, aber das heißt noch nicht, dass die Malereien jedes Menschen gleich Millionen von Euro wert sind.
Die Gleichsetzung von Kunst und Kapital durch Beuys kann man nachvollziehen, wenn man Kunst als das kreative Potenzial jedes Menschen begreift und unter Kapital das Humankapital oder Humanvermögen einer Person versteht. Kapital in dieser Definition ist dann die Fähigkeit, die Welt kreativ zu gestalten. Aber der Kapitalbegriff hat natürlich noch einige andere Aspekte.
Die Ausstellung lohnt sich nicht nur, weil man »Das Kapital« von Beuys erstmals in Berlin sehen kann. Es werden auch als Begleitung an die 130 weitere wertvolle Artefakte und Ikonen der modernen Kunst gezeigt. Man sieht Werke von Charlie Chaplin, Jeff Koons, Nam June Paik, Gerhard Richter, Renée Sintenis, Andy Warhol etc. Man kann einen ganzen Vormittag damit zubringen, sich mit diesen Kunstwerken zu beschäftigen. Es gibt auch ein Handout mit Erklärungen. Anschließend hat man das Gefühl, eine besonders wichtige und inspirierende Ausstellung gesehen zu haben. Noch bis zum 6. November 2016, Montags geschlossen.
Es gibt viele Menschen, die mit moderner Kunst nichts anfangen können. Der Grund ist meiner Meinung nach oft einfach Faulheit. Wenn sie sich etwas mit den Kunstwerken beschäftigen würden, dann würden ihnen interessante Gedanken kommen. In der Beuys-Ausstellung gibt es bspw. ein kostenloses Heft mit Erklärungen der einzelnen Werke. Und es gibt Führungen mit Kunsthistorikern, die man auch etwas fragen kann, was man nicht versteht. Daher hat jeder die Chance, etwas dazuzulernen.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juli 2016.

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2016/07/20

Giorgio Morandi zum 126. Geburtstag

morandi
Stillleben, fotografiert von © Dr. Christian G. Pätzold.

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2016/07/15

»Eisler on the Beach« am Deutschen Theater Berlin
Eine kommunistische Familienaufstellung mit Musik

Dr. Christian G. Pätzold

eisler

Es ist so ein lauer Sommerabend im Juli und ich sitze auf der massiven Holzbank des Biertisches vor dem Deutschen Theater und betrachte die Bronzebüste von Max Reinhardt (1873-1943), dessen Nase etwas Richtung Himmel neigt. Mittelalterliches Publikum in sommerlicher Kleidung flaniert zum Eingang. Im großen Saal wird »Berlin Alexanderplatz« gespielt, was 3½ Stunden dauert, denn der Roman von Alfred Döblin ist bekanntlich sehr lang. Die westdeutschen Schüler mit ihrer Klassenlehrerin tun mir jetzt schon leid. Die Vorstellung beginnt schon um 7 Uhr. Eisler on the Beach wird nebenan in den kleineren Kammerspielen des Deutschen Theaters gespielt und fängt um 8 Uhr an. Und dauert nur 2 Stunden.
Hanns Eisler, der "Karl Marx der Musik" genannt, lebte von 1898 bis 1962. Zwischen 1938 und 1948 war er vor den Nationalsozialisten ins Exil in die USA geflüchtet. Nur von diesen Jahren handelt das Theaterstück über ihn und seine Geschwister. Über sein Leben und seine Kunst habe ich bereits etwas im Artikel vom 15. Dezember 2015 geschrieben. Daher kann ich mich hier kurz fassen.
Sein Bruder Gerhart Eisler (1897-1968) war ein kommunistischer Journalist und Politiker. Seine Schwester Ruth Fischer (1895-1961) war eine Politikerin und Publizistin. 1924/25 war sie Vorsitzende der KPD, geriet aber in Konflikt mit Stalin, dem sie zu radikal war. Im Exil in den USA entwickelte sie sich zu einer glühenden Anti-Stalinistin und Mitarbeiterin der US-Regierung, die ab 1947 gegen Kommunisten vorging. Ruth Fischer ging so weit, ihre Brüder Gerhart und Hanns vor dem "Komitee über unamerikanische Aktivitäten" als Kommunisten zu denunzieren. Bei der Verhandlung gegen Gerhart Eisler war sie die Hauptzeugin der Anklage. Gerhart Eisler wurde in den USA inhaftiert, Hanns Eisler wurde aus den USA ausgewiesen und ging nach Ost-Berlin. Es war die Zeit der McCarthy-Verfolgung in den USA, die sich besonders gegen Filmschaffende in Hollywood richtete. Hanns Eisler schrieb damals die Musik zu zahlreichen Filmen. Auch Charlie Chaplin wurde als Engländer zur Emigration gezwungen.
Die Aufführung von Eisler on the Beach fand in den Kammerspielen des Deutschen Theaters statt, das in der Schumannstraße in Mitte liegt. Trotz Kartenpreisen von 30 bzw. 23 Euro waren die Kammerspiele fast voll. Die Preise machen einem wieder bewusst, wie wenig heute ein Euro noch wert ist. Für die Musik sorgte die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot. Ich habe mich für die Musiker gefreut, dass 12 Musiker eine Arbeit hatten. Was allerdings ihre Armee-Verkleidung sollte, hat sich mir nicht erschlossen. Die Regie hatten Tom Kühnel und Jürgen Kuttner. Das Bühnenbild von Jo Schramm ist nach Motiven des amerikanischen Malers Edward Hopper (1882-1967) gestaltet. Ganz gut gelungen, wahrscheinlich das Beste an der ganzen Aufführung.
»Eisler on the Beach« gehört zur großen Gruppe der Theaterstücke, die ein historisches Ereignis darstellen. Ich sehe eigentlich gerne historische Theaterstücke, viel lieber als ich historische Romane lese. Aber Vorsicht! Man muss immer eine gewisse geistige Distanz zum Stück halten, denn was man sieht ist nur eine Interpretation der Geschichte. Es ist schon von Vorteil, wenn man etwas historisches Wissen hat.
Dieser Versuch des historischen Theaters ist gescheitert. Wahrscheinlich konsequent für ein hoch subventioniertes bürgerliches Staatstheater. Man rührt etwas Anti-Stalin-Propaganda, etwas FBI, etwas pseudo-psychologische Familienaufstellung und Schnipsel von Eisler-Balladen zusammen. Heraus kommt ziemlich wirrer Quark. Mal abgesehen davon, dass die Texte der Balladen-Schnipsel schlecht zu verstehen waren und die Musik auch nicht so richtig nach Eisler klang. Hanns Eisler wird als harmloser Komponist dargestellt, der irgendwie aus Versehen in die kommunistische Bewegung geraten ist. Jede kommunistische Agit-Prop-Gruppe hätte das Stück anders, aber besser aufgeführt. Das Publikum war jedenfalls begeistert. Ich weiß nur nicht warum. Vielleicht haben die Besucher auch nur geklatscht, weil sie Mitleid mit den Schauspielern hatten.
Jetzt sind erstmal Theaterferien. Aber nach der Sommerpause wird das Stück wieder gespielt.
Zur Aktualität von Hanns Eisler lässt sich sagen, dass die Internationale Hanns Eisler Gesellschaft (IHEG) ein aktiver Verein in Berlin ist, der Eislers Werke und die Eisler-Mitteilungen, inzwischen im 23. Jahrgang, herausgibt. Darin werden die vielfältigen Aktivitäten von Hanns Eisler in interessanten Artikeln dargestellt.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juli 2016.

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2016/07/11

art kicksuch

inunsist


© art kicksuch, Juli 2016.

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2016/07/07

Noch mal 100 Jahre Verdun

Dr. Christian G. Pätzold

marc
Franz Marc, Affenfries, 1911.

In meinem Artikel vom 21. Februar 2016 über die Schlacht von Verdun vor 100 Jahren hatte ich die einfachen Zahlen der Opfer und Getöteten angeführt. Aber die Fragen, die besonders wichtig sind, nach den Ursachen und der Psychologie des Krieges, hatte ich etwas voreilig vergessen. Warum haben sich im August 1914 Tausende junge deutsche Männer freiwillig zum Ersten Weltkrieg gemeldet? Warum gab es eine Kriegsbegeisterung? Warum haben sogar die sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten am 4. August 1914 für die Kriegskredite gestimmt? Warum gab es einen Hurra-Patriotismus und eine Großmannssucht im wilhelminischen Deutschland? Wie hat die Gehirnwäsche des Kaisers funktioniert? Warum wollten junge Deutsche begeistert andere junge Leute aus anderen Ländern umbringen? Was ging in ihrem Kopf vor? Wollten sie als Helden dastehen? Mal nach Paris reisen? War die männliche deutsche Jugend so pleite, dass sie nur als Soldaten überleben konnte?
Auf alle diese Fragen zur Entstehung der deutschen Massenhysterie im Sommer 1914 habe ich keine schnelle Antwort. Einer der vielen, die sich freiwillig zum Angriffskrieg gemeldet haben, war wohl der bekannte expressionistische Maler Franz Marc, weswegen zu Beginn ein Bild von ihm eingefügt ist. Ob er sich nun wirklich freiwillig gemeldet hat oder eingezogen wurde, ist letztlich egal, da bekannt ist, dass er anfangs den Krieg befürwortete. Als sich der Krieg dann in die Länge zog, wollte er raus aus der Armee, aber man ließ ihn nicht. Er starb am 4. März 1916 während der Schlacht von Verdun durch einen Granatsplitter. Er wurde während eines Erkundungsritts getroffen. Sein Grab befindet sich heute in Kochel am See.
Um wenigstens einen Eindruck von der Stimmung im August 1914 zu geben, möchte ich sozialdemokratische Parteiblätter zitieren, von denen man eigentlich erwartet hätte, dass sie noch kritisch dem Krieg gegenüber stehen. Aber dem war nicht so. Die folgenden Zitate beziehen sich auf die russische Front:

"Das Hallesche »Volksblatt« am 18. August 1914:
"Nun aber die eisernen Würfel ins Rollen gekommen sind, nun ist es nicht nur die Pflicht der Vaterlandsverteidigung, der nationalen Selbsterhaltung, die uns, wie allen anderen Deutschen, die Waffe in die Hand drückt, sondern auch das Bewußtsein, daß wir mit dem Feind, gegen den wir im Osten kämpfen, zugleich den Feind allen Fortschritts und aller Kultur bekämpfen... Die Niederlage Russlands ist zugleich der Sieg der Freiheit in Europa."
Der Braunschweiger »Volksfreund« vom 5. August 1914 schrieb:
"Der unwiderstehliche Druck der militärischen Gewalt zieht alle mit sich fort. Aber die klassenbewußten Arbeiter folgen nicht nur äußerer Gewalt, sie gehorchen ihrer eigenen Überzeugung, wenn sie den Boden, auf dem sie stehen, vor dem Einbruch des Ostens verteidigen."
Die Essener »Arbeiterzeitung« rief schon am 3. August 1914:
"Wenn jetzt dieses Land durch Rußlands Entschließungen bedroht wird, dann werden die Sozialdemokraten angesichts der Tatsache, daß der Kampf dem russischen Blutzarismus, dem millionenfachen Verbrecher an Freiheit und Kultur, gilt, an Pflichterfüllung und Opferwilligkeit sich von keinem im Lande übertreffen lassen... Nieder mit dem Zarismus! Nieder mit dem Hort der Barbarei! Das wird dann Parole sein."
(Zitiert nach: Rosa Luxemburg, Junius-Broschüre).

Schon diese paar Zeitungszitate zeigen, wie massenweise Lügen verbreitet wurden, nicht nur durch die Monarchie, sondern auch durch die nationalistischen Sozialdemokraten.
Als es ums Siegen ging, wollten alle beim Angriffskrieg dabei sein. Aber als es dann plötzlich ans Verlieren ging, war die Begeisterung sehr gering.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juli 2016.

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2016/07/02

Lesung im Primobuch Antiquariat am 6. Juli 2016

Dr. Christian G. Pätzold liest aus seinen Büchern »Querdenkerartikel« und »Tigergeschichten«, das sind Berliner Geschichten von damals und heute.
Frank Wismar singt dazu Berliner Chansons und spielt auf dem Akkordeon.
Judith Moser vom Primobuch heißt alle herzlich willkommen.

Am Mittwoch, 6. Juli 2016, um 19:00 Uhr.
Im Primobuch, Herderstraße 24 Ecke Gritznerstraße, in Berlin Steglitz.
U Schlossstraße.

Der Autor ist in den vergangenen Jahren etliche Kilometer durch Berlin getigert, daher der Titel »Tigergeschichten«. Dabei hat er sich seine Gedanken gemacht. Diesmal möchte er an seine Erlebnisse um das Jahr 1968 in West-Berlin anknüpfen. Es geht um Che Guevara, Jimi Hendrix in Woodstock, Rudi Dutschke, Fritz Teufel und die Kommune I, Leydicke, den Wagenbach-Verlag, den 1. Mai in Kreuzberg und um das Amerika-Haus.

Der Eintritt ist frei.

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2016/06/29

Tomorrow - die Welt ist voller Lösungen
ein Dokumentarfilm von Cyril Dion und Mélanie Laurent, bekannt als Filmschauspielerin

art kicksuch

tomorrow


© art kicksuch, Juni 2016.

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2016/06/28

Das Bedingungslose Grundeinkommen

Dr. Christian G. Pätzold

Das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist ein monatliches Einkommen, das der Staat an jeden Bürger zahlt, und zwar ohne Bedingungen zu stellen. Es erscheint logisch, ein BGE zu fordern, denn wenn der Staat nicht jedem Menschen eine bezahlte Arbeit garantieren kann oder will, dann muss er jedem Menschen wenigstens ein Grundeinkommen garantieren, zur Existenzsicherung.
In Deutschland heißt das Grundeinkommen meist Sozialhilfe, Grundsicherung oder Hartz IV, ist aber mit vielen Schikanen und viel und teurer Bürokratie verbunden. Ein BGE wäre da einfacher. Alternative Bezeichnungen für das BGE sind: Existenzgeld, Daseinsgeld, Sozialdividende, Bürgergeld, garantiertes Mindesteinkommen, Einkommen ohne Arbeit, auf Englisch: Basic Income.
Das Modell eines existenzsichernden, bedingungslosen Grundeinkommens für jeden Staatsbürger wurde in der Bundesrepublik Deutschland vor allem seit den 1980er Jahren diskutiert. Die Idee ist aber schon wesentlich älter.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts forderte der französische Denker Charles Fourier (1772-1837) ein Grundeinkommen, das er "Minimum" nannte. In seinem Werk »Theorie der vier Bewegungen« von 1808 schreibt Fourier:
"Ich verstehe unter sozialem Wohlstand einen abgestuften Reichtum, der selbst den Ärmsten vor Not bewahrt und ihm mindestens das Los sichert, das wir bescheidenen bürgerlichen Wohlstand nennen."
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Idee des Grundeinkommens von Josef Popper-Lynkeus vertreten. Er nannte das Grundeinkommen "Allgemeine Nährpflicht".
Ein garantiertes Mindesteinkommen findet sich auch bei Ernest Callenbach in dem Roman »Ökotopia« von 1975.
Die Idee des modernen Grundeinkommens geht davon aus, dass es über dem Niveau der herkömmlichen Sozialhilfe liegen sollte. Das bedingungslose Grundeinkommen sollte vom Staat an jeden Bürger gezahlt werden, ohne an Bedingungen geknüpft zu sein, quasi als Bürgerrecht. Eine Bedürftigkeitsprüfung sollte nich stattfinden. Das Grundeinkommen würde alle anderen Sozialleistungen des Staates (Arbeitslosengeld, Rente, Sozialhilfe, Wohngeld, BAföG, Kindergeld, etc.) ersetzen. Das wäre natürlich ein großer Vorteil für den Staat, da die riesigen Sozialbürokratien mit ihren enormen Kosten überflüssig würden.
Von Einigen wurde kritisch angemerkt, dass durch das BGE der Zusammenhang zwischen Arbeit und Einkommen entkoppelt würde. Wahrscheinlich bräuchte man ein neues Menschenbild und ein neues Verständnis der Arbeit. Man müsste anerkennen, dass jeder Mensch erstmal ein Recht auf Existenz hat, ohne Bedingungen, wenigstens in Deutschland. Es ist klar, dass ein solches System eine hohe Produktivität voraussetzt. Aber die deutsche Industrie hat eine hohe Produktivität. Wenn man es mal durchrechnen würde, dann würde man wahrscheinlich erstaunt feststellen, dass das BGE für den Staat gar nicht teurer wäre als die Milliarden, die gegenwärtig im Sozialsystem stecken. Aber die Menschen hätten eine so viel bessere Lebensqualität.
Diesen Abschied von der Gängelung und Schikane, und diesen Sprung zur Freiheit sollte man jetzt mal machen. Man könnte ja mit einem Modellprojekt in einer deutschen Großstadt für 10 Jahre beginnen. Die Stadt sollte möglichst eine Universität haben, um das Projekt wissenschaftlich zu begleiten und auszuwerten. Man könnte mit 1.200 Euro Grundeinkommen anfangen, bei Preisen vom Juni 2016.
Am 5. Juni 2016 haben die Schweizer in einem Volksentscheid über ein Bedingungsloses Grundeinkommen von umgerechnet 2.300 Euro für jeden Erwachsenen im Monat abgestimmt, für jedes Kind etwa 600 Euro. 2.300 Euro erscheinen mir allerdings eher ein Luxuseinkommen als ein Grundeinkommen zu sein. Ich hätte eher an die Hälfte des Betrages gedacht. Spötter hatten dann auch von einer Schlaraffenland-Initiative gesprochen.
Das Ergebnis der Abstimmung in der Schweiz war, dass 76,9 % (1.897.000 Personen) gegen das BGE gestimmt haben, 23,1 % (570.000 Personen) stimmten mit JA. Am höchsten war die Zustimmung in Basel mit 36 % Ja-Stimmen. Eigentlich wären die Voraussetzungen für ein BGE in der Schweiz relativ günstig. Die Schweiz ist ein kleines, überschaubares, relativ abgeschlossenes und sehr wohlhabendes Land.
Ein Haupthindernis für ein BGE scheint mir der Neidfaktor zu sein. Die Mehrheit der Bevölkerung gönnt den Armen kein bedingungsloses Einkommen. Sie können zwar nicht verhindern, dass die Armen eine Grundsicherung bekommen, aber dabei sollen sie bitte schön so richtig vom Staat schikaniert werden. Wie armselig ist eigentlich so eine Einstellung.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juni 2016.

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2016/06/25

BREXIT right or wrong?

Dr. Christian G. Pätzold

Am 23. Juni 2016 gab es ein Referendum im United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU). Für die weitere Mitgliedschaft stimmten 48,1 % (16.141.000 Stimmen), für einen Austritt aus der Europäischen Union (Brexit, Abkürzung für British Exit) stimmten 51,9 % (17.410.000 Stimmen). Damit ist es wahrscheinlich, dass die britische Regierung und das britische Parlament den Austritt des United Kingdom (UK) in Brüssel verkünden werden. Dann könnten Austrittsverhandlungen zwischen beiden Seiten beginnen, die tausend Fragen aufwerfen. Wenn man sich nicht einigt, kommt es zu einem schmutzigen Austritt. Die 1.000 britischen Beamten in Brüssel werden einfach rausgeschmissen.
Warum haben die Briten, und vor allem die Engländer, mehrheitlich für den Brexit gestimmt? Vermutlich erstens, weil sie sich nicht von Brüssel fremdbestimmen lassen wollen. Und zweitens, weil die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU besagt, dass sich jeder EU-Bürger im UK niederlassen und dort arbeiten darf. Laut britischem Statistikamt arbeiteten im März 2016 2,1 Millionen EU-Ausländer in Großbritannien. 2,1 Millionen Arbeiter plus zusätzlich Familienangehörige, das ist schon eine größere Millionenstadt wie etwa Berlin. Und das auf einer kleinen Insel wie England. Es ist klar, dass Engländer aus Jobs verdrängt wurden durch besser Qualifizierte, die für weniger Geld arbeiten. Die Arbeitslosigkeit hat viel Leid für die Engländer gebracht.
Das Zerbröseln der Europäischen Union wurde ja schon hier auf kuhlewampe.net vorhergesagt. Denn die kapitalistische Europäische Union ist keineswegs so hübsch, wie sie in Sonntagsreden dargestellt wird. Es gibt Massenarbeitslosigkeit, besonders von jungen Menschen, besonders krass in Süd-Europa. Das Leben von Millionen jungen Leuten wurde ruiniert, damit Herr Schäuble seine Ideologie des neoliberalen Kapitalismus verwirklichen kann. Es gibt eine gigantische soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit in Europa. Es gibt Konzerne, in denen betrogen wird (Deutsche Bank, Volkswagen etc.), wobei interessant ist, dass der deutsche Staat sogar Miteigentümer von Volkswagen ist und die Chefs von Volkswagen Millionen-Boni erhalten. Wahrscheinlich kann man von einem Unternehmen, das 1934 von Adolf Hitler begründet wurde, auch nichts anderes erwarten. In der EU gibt es immer mehr Rechtsradikale. Wenn man mich gefragt hätte, dann hätte ich auch für den Brexit gestimmt. Aber es ist in Deutschland sehr unwahrscheinlich, dass das Volk gefragt wird, denn die deutschen Konzerne brauchen den großen Markt als Absatzgebiet.
Die kapitalistische Europäische Union wird nicht die Probleme der europäischen Bürger lösen. Andererseits ist ein Europa von einzelnen nationalistischen Staaten, die sich bekämpfen, auch keine gute Aussicht. Wie man es dreht und wendet, die kurzfristigen Aussichten sehen schlecht aus. Nur Englisch wird wohl weiter die Lingua franca in Europa bleiben. Dafür sorgen schon die USA.
Und jetzt noch ein Wort zu Extrawürsten. Seit den Tagen der berüchtigten Maggie Thatcher wollte die britische Regierung nur besondere Vergünstigungen für sich. Wer mag es schon, wenn jemand sich für etwas Besseres hält? Man hätte schon vor 30 Jahren sagen sollen: Bye-bye UK.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juni 2016.

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2016/06/21

Buchtipp: 100 Jahre »Junius-Broschüre« von Dr. Rosa Luxemburg

Dr. Christian G. Pätzold

rosa

Das Manuskript der Broschüre »Die Krise der Sozialdemokratie (Junius-Broschüre)« wurde von Dr. Rosa Luxemburg im April 1915 im Berliner "Königlich-Preußischen Weibergefängnis" in der Barnimstraße niedergeschrieben und aus dem Gefängnis geschmuggelt. Die Broschüre selbst konnte dann erst am 2. Januar 1916 in Zürich in der Schweiz erscheinen. Das Pseudonym Junius bedeutet auf Lateinisch "der Jüngere". Im August 1914 hatte das Deutsche Kaiserreich den Ersten Weltkrieg begonnen. Aufgrund der Zensur in Deutschland durften natürlich keine kritischen oder sozialistischen Schriften gedruckt oder veröffentlicht werden. Aus diesen Umständen erklärt sich der komplizierte Publikationsweg der Junius-Broschüre. Die Junius-Broschüre ist in 8 Kapitel gegliedert.
Um einen Eindruck von der damaligen Atmosphäre zu geben, möchte ich die Anfangssätze von Rosa Luxemburg zitieren:

"Die Szene hat gründlich gewechselt. Der Marsch in sechs Wochen nach Paris hat sich zu einem Weltdrama ausgewachsen; die Massenschlächterei ist zum ermüdend eintönigen Tagesgeschäft geworden, ohne die Lösung vorwärts oder rückwärts zu bringen. Die bürgerliche Staatskunst sitzt in der Klemme, im eigenen Eisen gefangen; die Geister, die man rief, kann man nicht mehr bannen.
Vorbei ist der Rausch. Vorbei der patriotische Lärm in den Straßen, die Jagd auf Goldautomobile, die einander jagenden falschen Telegramme, die mit Cholerabazillen vergifteten Brunnen, die auf jeder Eisenbahnbrücke Berlins bombenwerfenden russischen Studenten, die über Nürnberg fliegenden Franzosen, die Straßenexzesse des spionenwitternden Publikums, das wogende Menschengedränge in den Konditoreien, wo ohrenbetäubende Musik und patriotische Gesänge die höchsten Wellen schlugen; ganze Stadtbevölkerungen in Pöbel verwandelt, bereit, zu denunzieren, Frauen zu misshandeln, hurra zu schreien und sich selbst durch wilde Gerüchte ins Delirium zu steigern; eine Ritualmordatmosphäre, eine Kischineff-Luft, in der der Schutzmann an der Straßenecke der einzige Repräsentant der Menschenwürde war."

Es muss damals im August 1914 in Berlin eine hysterische Kriegsbegeisterung geherrscht haben, die allerdings bald einer Ernüchterung weichen sollte. Rosa Luxemburg behandelt über weite Strecken der Junius-Broschüre die Einzelheiten der diplomatischen Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs, denn so ein Krieg wurde natürlich vorbereitet und gemacht. Er brach nicht einfach aus. Es gab zahlreiche Einzelkonflikte zwischen den imperialistischen Ländern in Europa, vor allem zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn, England, Frankreich und Russland. Diese Konflikte kennen wir ja heute auch noch, obwohl sie teilweise durch die Europäische Union verdeckt werden.
Für mich ist der 4. August 1914 der interessanteste Punkt, das heißt die scheinbar plötzliche Zustimmung der sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten zu den Kriegskrediten des Kaisers. Wahrscheinlich hätte der Erste Weltkrieg auch ohne die Stimmen der SPD stattgefunden. Aber die Zustimmung der SPD zum imperialistischen Krieg war doch ein signifikanter Wendepunkt. Vielleicht hätte man ihn auch erahnen können. Die SPD war seit dem Tod von Engels 1895 zunehmend zerfressen vom Reformismus. Um 1900 kam dann die Attacke von Eduard Bernstein und der Revisionismus. Nach dem Tod von Bebel 1913 gab es kein Halten mehr. Es gab in der SPD nur noch ein paar Aufrechte wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht oder Clara Zetkin.
Rosa Luxemburg hat diese Auseinandersetzung innerhalb der SPD zwischen Revisionisten und Radikalen mindestens 15 Jahre lang miterlebt und mitgemacht. Es wundert mich, dass sie darüber kein eigenes Kapitel in der Junius-Broschüre schreibt. Denn der 4. August 1914 kam nicht so plötzlich, wie es vielleicht scheint. Die SPD war schon vorher zerfressen.
Nachdem die Funktionäre der Partei alles verraten hatten, wofür die Partei vorher gekämpft hatte, besonders den Internationalismus der Arbeiter, war die glorreiche SPD moralisch erledigt. Rosa Luxemburg schreibt:

"Aber schon als ein mächtiger Dämpfer auf den chauvinistischen Rausch und die Besinnungslosigkeit der Menge hätte die mutige Stimme unserer Partei gewirkt, sie hätte die aufgeklärten Volkskreise vor dem Delirium bewahrt, hätte den Imperialisten das Geschäft der Volksvergiftung und der Volksverdummung erschwert... Die deutsche Sozialdemokratie wäre in dem allgemeinen Strudel, Zerfall und Zusammenbruch wie ein Fels im brausenden Meer der hohe Leuchtturm der Internationale geblieben, nach dem sich bald alle anderen Arbeiterparteien orientiert hätten. Die enorme moralische Autorität, welche die deutsche Sozialdemokratie bis zum 4. August 1914 in der ganzen proletarischen Welt genoß, hätte ohne jeden Zweifel auch in dieser allgemeinen Verwirrung in kurzer Frist einen Wandel herbeigeführt. Damit wäre die Friedensstimmung und der Druck der Volksmassen zum Frieden in allen Ländern gesteigert, die Beendigung des Massenmordes beschleunigt, die Zahl seiner Opfer verringert worden."

Rosa Luxemburg war an diesem 4. August 1914 leider nicht Mitglied der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion. Frauen hatten im Kaiserreich bekanntlich kein Stimmrecht.
Die »Junius-Broschüre« enthält eine scharfsinnige Analyse der Ursachen und der Wirkungen des Ersten Weltkriegs als eines imperialistischen Krieges. Sie ist eine Perle der politischen Literatur. Lenin hat übrigens 1916 auch einen Aufsatz »Über die Junius-Broschüre« geschrieben, und natürlich seine berühmte Schrift »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus«.
Der Erste Weltkrieg wurde auch aus anderen Perspektiven heraus untersucht, die vielleicht auch interessant sein könnten. Dabei wäre bspw. die Schrift »Zeitgemäßes über Krieg und Tod« von Sigmund Freud zu nennen, die auch 1915 geschrieben wurde. Nach der Ansicht von Freud sind seine Zeitgenossen praktisch Urmenschen mit einer dünnen kulturellen Patina, wobei jederzeit der Barbar wieder durchbrechen kann. Sigmund Freuds Pessimismus hat sich letztlich als richtig herausgestellt, und Rosa Luxemburgs Hoffnung auf den klassenbewussten Arbeiter, der alles richtig macht, hat sich vorläufig nicht realisiert.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juni 2016.

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2016/06/17

lesung im café morgenrot am 20. juni 2016

dr. christian g. pätzold liest aus seinen büchern »querdenkerartikel« und »tigergeschichten«.
darin geht es um persönliche erinnerungen an des revolutionsjahr 1968 in west-berlin.
es treten auf: che, jimi hendrix, fritz teufel, rudi dutschke, leydicke, klaus wagenbach, der 1. mai in kreuzberg, das amerika-haus.
frank wismar singt dazu seine subversiven songs und spielt akkordeon.

am montag, 20. juni 2016, um 20:00 uhr.
im café morgenrot - berliner kollektivbetrieb
kastanienallee 85, in 10435 berlin prenzlauer berg
u2 eberswalder straße/u8 rosenthaler platz.

http://morgenrot.blogsport.eu/veranstaltungen/

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2016/06/16

40 Jahre Soweto Uprising

Dr. Christian G. Pätzold

Die weißen Rassisten in Südafrika hatten sich alles so schön vorgestellt. Wir nehmen den Schwarzen ihr Land weg. Wir nehmen den Schwarzen ihre Bodenschätze weg. Wir sperren sie in Homelands und Townships. Wir lassen sie billig für uns arbeiten. Wir zwingen sie dazu, in der Schule unsere Sprache Afrikaans zu sprechen. Dieses ganze System der Unterdrückung hatte den Namen Apartheid (Rassentrennung).
Dieses System hätte vielleicht noch länger funktioniert, wenn Millionen von Europäern nach Südafrika ausgewandert wären. Aber nach dem Zweiten Weltkrieg war die Bevölkerung in Europa dezimiert. Es gab keinen Auswanderungsdruck aus Europa mehr. Die kleine weiße Minderheit in Südafrika wollte trotzdem ihr undemokratisches System aufrechterhalten.
Doch dann kam der Aufstand in Soweto dazwischen. Soweto ist die Abkürzung für South Western Township, eines Vorortes von Johannesburg. Dort erhoben sich die schwarzen Schüler am 16. Juni 1976, um gegen Afrikaans als Unterrichtssprache zu protestieren. 20.000 Schüler demonstrierten durch den Stadtteil Orlando in Soweto. Die Polizei des Regimes schoss auf die Schüler, wobei es Tote gab. Es folgte eine Resolution 392 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, die die Handlungen der Regierung verurteilte.
Auch der im Untergrund kämpfende African National Congress (ANC) unterstütze die Schülerbewegung gegen das Apartheidregime. Seit dem Soweto Uprising nahmen die Protestaktionen der schwarzen Mehrheitsbevölkerung nicht mehr ab. Die weißen Einwanderer aus Europa mussten einsehen, dass sie zu wenige und zu schwach waren, um ihre Unterdrückung fortzusetzen. Nelson Mandela musste 1990 aus dem Gefängnis freigelassen werden und wurde 1994 Präsident der Republik Südafrika.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juni 2016.

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2016/06/13

art kicksuch

hallutsination


© art kicksuch, Juni 2016.

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2016/06/10

Die Bagdad-Bahn

Michael Ickes, MA

bagdad

"Syria est divisa in partes tres, quarum unam incolunt Kurdes..."

"Wie zu Zeiten von Mata Hari", frotzelte Martin Schulz gestern nach einem kurzen Besuch an unserem abendlichen Tisch in der Lobby des Hotels de la Paix am Rande der Friedensgespräche. Thema war ein Papier, wohl aus internationalen Gewerkschaftskreisen, das dazu aufforderte, den kurdischen Autonomiegebieten den Betrieb der so genannten Bagdad-Bahn zu übertragen, und welches eine erfrischende Abwechslung zu den zähen bürokratischen Verhandlungen um "Module der Friedensicherung" darstellte.
Die Bagdad-Bahn, ich erinnere, ist die Fortführung des legendären Orient-Express, deren Bau von 1903-1940 maßgeblich von Interessen des Deutschen Reichs, seiner Nachfolger und Verbündeten, gegen die Interessen insbesondere Frankreichs und Englands forciert wurde. Entsprechende sagenhafte Ränkespiele gingen mit dem Bau einher, setzten sich fort in dem Betrieb und kommen zu neuem Leben heute, in der Diskussion um den Wiederaufbau und die Friedenssicherung im Nahen Osten.
Die Planung der Bagdad-Bahn vom Persischen Golf ans Mittelmeer stand nämlich in direkter Konkurrenz zu den Handelswegen, die der Bau des Suez-Kanals eröffnet hatte, der wiederum erst in den Jahren 2009-2015, nach zahlreichen Rangeleien und Kostenrechnungen bezüglich der Größe der Schiffe, Risikoabschätzungen bezüglich Piraterie am Horn von Afrika und anderen Junktims modernisiert wurde.
Auch in der Zwischenkriegszeit hatten Engländer und Franzosen wenig Interesse daran, das Hinterland ihrer Völkerbundmandats-Territorien eisenbahntechnisch zu erschließen. So zerstörten sie mit dem Vertrag von Lausanne von 1923 den gewachsenen Wirtschaftsraum Aleppos inklusive der Wirtschaftlichkeit der Bagdad-Bahn, die in den Folgejahren immer weiter zerstückelt wurde.
"Die Zerschlagung des öffentlichen Bahnverkehrs ist die Geschichte des Siegeszugs des Kapitals", höre ich den serbischen Gewerkschafter M. S. am Tisch im Hotel de la Paix sagen. Die kämpfen gerade gegen den Aufkauf ihrer Bahn durch das französische SNCF Unternehmen. Der Verkauf ist eine Bedingung für die Aufnahme Serbiens in die EU und wird durch radikale Einsparungen so billig wie möglich gemacht. Die serbische Bahn sei nur noch gut, Flüchtlinge von Mazedonien nach Kroatien weiter zu schieben, meint der Gewerkschafter. "Und auch dafür wird privatwirtschaftlichen Busunternehmen Vorrang eingeräumt", lallt das schon etwas angetrunkene Mitglied der kommunistischen Fraktion in der russischen Duma.
Womit er nicht ganz Unrecht hat. Denn das Monopol auf den Transport von Flüchtlingen durch das Land hat sich der Neffe des Ministerpräsidenten gesichert. Der Regierungschef wehrt sich gleichzeitig gegen die Initiative zur kommunalen Aufnahme von Flüchtlingen auf der Balkanroute, wie sie nach Vorstellungen der EU im Sommer in Mazedonien gestartet werden soll.
Und dann ist da noch die deutsch-französische Erbfeindschaft: Weil die Einen den Anderen die Route jeweils über Zagreb, München, Stuttgart nach Paris respektive Budapest, Prag nach Berlin nicht gönnen, zerschlagen sie lieber gemeinsam den internationalen Bahnverkehr gleich ganz. Der Trubel um Stuttgart 21 in der Fortsetzung der Rangelei um den Orient-Express!

***

Nach der abendlichen Gemengelage - diplomatischem Gelage - kam ich am heutigen Morgen selbst zu spät in den Konferenzsaal. Ich verpasste den Namen des Referenten der Internationalen Labour Organisation (ILO). Sein Argument ist, dass der Konflikt zwischen dem türkischen Staat und der PKK auf einem Missverständnis von Souveränität beruhe. In dem Konflikt gehe es vordergründig um territoriale Unverletzlichkeit, wenngleich Eigenständigkeit vielmehr von kultureller Selbstbestimmung und wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit abhinge.
"Die willkürliche Zuschreibung der letzten Terroranschläge - mal dem IS, mal der PKK nahe stehenden Gruppierungen - verdeutlicht die Separation von Anliegen und Forderungen beider Extreme." Für die Kurden müsse die Grundlage für eine wirtschaftliche Autonomie geschaffen werden. Und die Bagdad-Bahn böte sich hier an.
Denn im Mittleren Osten setzt sich die Zerstückelung der Bahn weiter fort. In den letzten Jahrzehnten wurden immer wieder symbolträchtige Versprechungen einer Wiederaufnahme des Regelverkehrs auf der 2.000 Kilometer langen Strecke von Istanbul nach Basra gemacht. Zuletzt war 2008 zu hören, dass die Türkei vier Zugpaare pro Woche "zum Wiederaufbau" in den Irak schicken möchte. Eine Umsetzung scheiterte bislang jedoch an einer Verständigung der verschiedenen privaten und staatlichen Betreiber der Teilstrecken, die unterschiedlich wirtschaftlich tragfähig sind. Die Einheit der Bagdad-Bahn ist also eine Voraussetzung für ihre wirtschaftliche Verwertbarkeit und damit ihrer friedensstiftenden Potentiale, so der ILO Mensch.

***

Stuttgart 21 kommt. Und zwar nicht, weil die Strecke München-Paris 8 Minuten schneller für Passagiere sein wird, sondern weil es das Ideal eines öffentlichen Verkehrsnetzes für Europa nähert. Der Traum einer Anbindung Westeuropas an die Reichtümer des mittleren Ostens ist so alt wie der Mythos des Orient-Express. Dabei erzählt dieser Name nicht einmal die Hälfte der Geschichte. In Verbindung mit der Bagdad-Bahn steht sie für die Vision einer Schienenstrecke von Basra am Persischen Golf bis ins Herz Europas.
Es ist die Vision einer nachhaltigen Handelsroute, auf der Menschen den Gütern folgen. Die Reise, der Kontakt und Austausch ist eine von drei Pfeilern des Kantschen "ewigen Friedens" und Woodrow Wilsons Idealismus.
Investitionen in langfristig Frieden schaffende Maßnahmen hatten es schwer, sich gegen kapital-akkummulierende und rent-seeking, privatwirtschaftliche Interessen zu behaupten. Der Suez-Kanal konkurrierte als erster mit der Bagdad-Bahn. Englische und französische Investoren konnten sich eine sichere, weil überschaubarere Anlage versprechen. Anstatt 5.000 Kilometer Gleise durch Kurdistan und den Balkan zu sichern, musste nur eine vergleichbar kleine Passage in Ägypten verteidigt werden. Eine Vergleichsrechnung der Kosten für die Intervention gegen Nasser mit jahrzehntelangen Sicherheits- und Stabilisierungsmaßnahmen in Syrien und dem Irak scheinen dieser Vorstellung Recht zu geben.
Doch der Vergleich hinkt in mehr als einer Hinsicht. In der gleichen Zeit, als öffentliche Investitionsprogramme die deutsche Autobahn und andere westeuropäische Individualverkehrsnetze begründeten, verwirklichte die Sowjetunion Lenins entwicklungspolitisches Credo von Eisenbahn und Elektrifizierung. Über alle Konflikte der letzten 100 Jahre und historischen Entgleisungen hinweg verbleibt das sibirische Schienennetz das einzige Erfolgsmodell für eine asiatisch-europäische Integration.
Entsprechend propagierten die Bolschewiken diese Ideologie in ihren Satelliten. Mit dem Ergebnis, dass sich die letzten Kommunisten in der Duma mit der serbischen Eisenbahngesellschaft verbrüdert haben, um gegen die Zerschlagung im Zuge der EU-Anwärterschaft zu kämpfen.
Denn die Fronten werden deutlicher: Die Eisenbahn ist die Realisierung einer öffentlichen Mobilität, die in einem anderen, nämlich geschützten Sektor, wirtschaftet als der privatwirtschaftliche Individualverkehr der Strasse. Das "Ende der Geschichte" negiert die Berechtigung und Bedeutung dieses Sektors, zusammen mit der Aussicht auf eine nachhaltige Entwicklung, inklusive friedensstiftenden Maßnahmen.
Wenn die Russen nun über eine Beteiligung an der griechischen Eisenbahn verhandeln, so mag das eine Trendwende versprechen, die jedoch im Bewusstsein der europäischen Öffentlichkeit sehr viel sichtbarer werden muss. In Deutschland wurde der Gewerkschaftsführer Claus Weselsky zum ersten Hassobjekt des Individualismus und der Privatwirtschaft erklärt. Dabei ist der Selbstzweck der Bahn im Interesse der öffentlichen Mobilität.
Durchschlagen kann dieses Interesse also erst, wenn sich ihre letzten Statthalter der Geschichte entsinnen. Das französische Staatsunternehmen und der österreichische Eisenbahner-Kanzler dürfen sich nicht länger dem neoliberalen Zeitgeist ergeben. Der Kampf um den Orient-Express und die Bagdad-Bahn als Pfeiler für eine nachhaltige, friedensstiftende Entwicklung Kurdistans ist die Verteidigung der Mobilität gegen virtuelles Reisen und Handel, gegen Vereinsamung und Abkapselung, gegen engstirnige Nationalismen.

© Michael Ickes, Juni 2016.

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2016/06/08

Breslau Kulturhauptstadt Europas 2016

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2016/06/06

Das alte Rathaus von Breslau (Wrocław)

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Foto von © Dr. Christian G. Pätzold

Das Alte Rathaus von Breslau in Schlesien liegt am Großen Ring (Rynek). Der Große Ring ist ein Band von 4 größeren Marktplätzen, die in allen Himmelsrichtungen um das Rathaus angeordnet sind. In den Erdgeschossen der historischen Häuser am Großen Ring gibt es vor allem Restaurants, Schnellimbisse und die zentrale Touristeninformation. Das Rathaus ist ein beeindruckender spätgotischer Bau, so richtig verwinkeltes Mittelalter, wie man es sich vorstellt. Die ältesten Teile des Rathauses stammen aus dem 13. Jahrhundert. Die schönste Ansicht des Rathauses bietet die Ostseite mit der astronomischen Uhr in der Mitte. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Rathaus nur leicht beschädigt. Heute befindet sich im Rathaus das Stadtmuseum.

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2016/06/04

Breslauer Zwerge

Dr. Christian G. Pätzold

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Linkes Bild: Papa Krasnal von Olaf Brzeski. Er ist der älteste und größte unter den Zwergen, der Zwergenguru, der am Ort des historischen Auftretens der Orangen Alternative steht.
Rechtes Bild: Sisyphusse. Wie im richtigen Leben: Der eine schiebt, der andere bremst. Die kleinen Zwerge, von denen es inzwischen an die 300 gibt, wurden von dem Zwergenkünstler Tomasz Moczek geschaffen.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold.

Viele Berliner haben historische Familienwurzeln in Breslau, polnisch Wrocław. Als Berlin um 1900 zu einer Millionenmetropole mit zahlreichen Arbeitsplätzen wurde, sind viele Schlesier nach Berlin umgezogen, um etwas vom Wohlstand abzubekommen oder um den Duft der großen weiten Welt zu schnuppern. Auch meine beiden Großväter stammten aus der Nähe von Breslau und siedelten 1905 respektive 1919 nach Berlin über, wo sie im Konfektionsgewerbe Arbeit fanden.
Ich habe es jetzt umgekehrt gemacht und bin von Berlin nach Breslau gefahren. Trotz Bedenken, denn ich spreche kein Polnisch und halte Polnisch für eine Sprache, die meine Gehirnwindungen nie verstehen werden. Zum Glück sprechen die jungen Polen fast alle Englisch. Die englischsprachige Globalisierung hat auch schon Breslau erreicht. Die Breslauer futtern nicht nur ihre traditionellen Pierogi sondern auch bei Kentucky Fried Chicken und bei McDonald’s.
Zum Verständnis der ganzen Geschichte sollte ich noch erwähnen, dass Breslau vor 1945 überwiegend von Deutschen bewohnt wurde, und nach 1945 überwiegend von Polen. Die Deutschen mussten am Ende des Zweiten Weltkriegs Schlesien verlassen, nachdem die Wehrmacht den Krieg verloren hatte. Das hatte zur Folge, dass in Breslau die Bevölkerung komplett ausgetauscht wurde. Die deutsche Bevölkerung war weg, stattdessen wohnten in Breslau nun Polen, die aus Lemberg in der Ukraine umgesiedelt worden waren.
Heute kommt man von Berlin ZOB nach Breslau schnell und preiswert mit Polski Bus für 8 Euro. Eine Schachtel Zigaretten ist auch nicht viel billiger. Ich wäre auch mit der Bahn gefahren, aber erstens fährt sie nicht jeden Tag und zweitens ist sie viel teurer. Der Bahnhof von Breslau ist übrigens ein architektonisches Schmuckstück.
Die politische Situation in Polen hat sich seit der letzten Parlamentswahl nach rechts verschoben. Die konservativ-nationalistische Regierung versucht, die Justiz und die Presse nach ihren Ansichten auszurichten. Außerdem muss man wissen, dass Polen erzkatholisch ist. Auf meinem Stadtplan der Innenstadt von Breslau sind 36 Kirchen aufgeführt! Das ist schon ein kleiner Kulturschock für einen atheistischen Berliner. Und moslemische Flüchtlinge aus Syrien möchte die polnische Regierung auch nicht so gerne haben. Begründung: Es gibt ja keine Moscheen in Polen.
Auch die Währung ist hier anders. Das Geld heißt Złoty, wird aber anders ausgesprochen. 1 Euro sind ungefähr 4 Złoty, 1 Złoty ungefähr 25 Cent. 1 Złoty ist unterteilt in 100 Groszy. Daran muss man sich erstmal gewöhnen.
Der eigentliche Anlass meiner Reise nach Breslau war die Ernennung der Stadt zur Kulturhauptstadt Europas 2016. Das war auch berechtigt, denn Breslau ist mit 630.000 Einwohnern nicht nur die Hauptstadt der Woiwodschaft Niederschlesien, sondern hat auch ein vielfältiges österreichisches, preußisches und jüdisches Erbe. Wenn man in Breslau zusätzliche Informationen benötigt, dann gibt es den Infopoint der Kulturhauptstadt Bar BarBara, ul. Swidnicka Ecke Kazimierza Wielkiego.
Irgendwie kam es dazu, dass ich mich in Breslau vor allem für die Breslauer Zwerge interessiert habe, die nach 1990 entstanden sind. Die Zwerge heißen auf Polnisch Krasnale. Die Breslauer Gnome sind nicht etwa deutsche Gartenwichtel, sondern moderne Stadtzwerge aus Bronze. Sie sind wohl auch keine Heinzelmännchen wie in Köln am Rhein, die nachts heimlich die Hausarbeit erledigen sollen. Die Breslauer Zwerge sind moderne Wesen, die den Geist der heutigen Breslauer widerspiegeln. Es soll in Breslau bereits an die 300 Zwerge geben, die von dem Künstler Tomasz Moczek stammen.
Ursprünglich sollen die Zwerge in Zeiten der Rebellion gegen die kommunistische Regierung in den 1980er Jahren aufgekommen sein, und zwar als Zwergengraffiti an den Häuserwänden von Breslau. Die studentische politische und künstlerische Oppositionsbewegung hieß "Orange Alternative" und kämpfte gegen den grauen sozialistischen Alltag. Sie war wiederum beeinflusst durch die Kabouterbewegung in Amsterdam zu Anfang der 1970er Jahre. "Kabouter" ist das niederländische Wort für Heinzelmännchen oder Kobold. Jedenfalls sind Zwerge an sich unterirdische subversive Geister, die ihren eigenen Kopf haben. Damals hatten sich viele Intellektuelle und Künstler vom real existierenden Sozialismus abgewendet.
Die Breslauer Zwerge sind echte Streetart, über die ganze Stadt verteilte öffentliche Kunst für Alle. Die offizielle Homepage der Wrocławer Zwerge ist www.krasnale.pl. Es gibt in Breslau sogar eine eigene Zwergentouristeninformation in der Sukiennice 12.
Eine Frage wollte ich noch klären: Werden die berühmten Breslauer Zwerge von den Hunden respektiert oder werden sie von ihnen angepinkelt? Ich habe die offiziellen Angestellten der Kulturhauptstadt in der Bar BarBara und in der Touristeninformation am Markt gefragt. Sie haben mir einstimmig versichert, dass sie noch nie gehört hätten, dass ein Hund die Zwerge angepinkelt hätte.
Natürlich habe ich nicht nur die Breslauer Zwerge fotografiert, sondern auch das historische Rathaus am Rynek, ein Bau mit Elementen der Gotik und der Renaissance. Um noch etwas Kultur zu tanken, habe ich abschließend das Nationalmuseum für bildende Künste (Muzeum Narodowe we Wrocławiu) besucht. Es zeigt viel christliche religiöse Kunst des Mittelalters, Gemälde, geschnitzte Altäre und Heiligenstatuen. Es hat aber auch zwei Räume mit sehr guten Gemälden und Plastiken deutscher Künstler aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Impressionisten, Expressionisten und Neue Sachlichkeit. Außerdem wird gerade eine große Sonderschau mit Frauenmode aus der Zeit der Volksrepublik Polen gezeigt.
Breslau ist eine wunderschöne Stadt mit vielen Geheimnissen. Wenn man ein Gefühl für Polen bekommen will, dann ist es keine schlechte Idee, nach Breslau zu fahren. Die Menschen machen einen sachlich-freundlichen Eindruck. Mir ist die große Homogenität der Bevölkerung aufgefallen. Man sieht sehr viele Menschen auf den Straßen und fast alle sind Polen. Das ist in Berlin definitiv anders und viel mehr multikulti.
© Dr. Christian G. Pätzold, Juni 2016.

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2016/06/02

2. Juni

Jenny Schon, Magistra Artium

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Am Abend des 2. Juni 1967 besuchten der Schah von Persien und seine Gattin zusammen mit Bundespräsident Heinrich Lübke und dem Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz in der Deutschen Oper in Westberlin eine Aufführung der "Zauberflöte". Es gab vor der Deutschen Oper in Charlottenburg eine Demonstration gegen die Politik des Schahs. Auf Geheiß des Berliner Polizeipräsidenten Erich Duensing wurde anschließend die so genannte "Leberwursttaktik" gegen die Demonstranten angewandt, die letztlich darauf abzielte, in einer Menschenmenge Panik zu erzeugen, indem sie zusammengequetscht wurde und keine Fluchtmöglichkeit mehr hatte. Im Verlauf dieser Demonstration wurde unter nie ganz geklärten Umständen der Student Benno Ohnesorg von einem in Zivil agierenden Polizisten erschossen. Dieser Polizeiobermeister Karl-Heinz Kurras war, wie 2009 bekannt wurde, Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der Deutschen Demokratischen Republik. Infolge dieses schrecklichen Ereignisses radikalisierte sich die Studentenbewegung. Es gründeten sich Protestgruppierungen wie später die "Bewegung 2. Juni" oder die "RAF".
Benno Ohnesorg dichtete und wollte Künstler werden. Nach dem Abschluß des Braunschweig-Kollegs bewarb er sich an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin, wurde abgelehnt und begann ein Studium der Germanistik an der Freien Universität Berlin (FUB). Er war wie ich im Argument-Club und Mitglied der ESG, der evangelischen Studentengemeinde, und Pazifist.
Helmut Gollwitzer, Pfarrer, Bekennende Kirche, und Professor der Evangelischen Theologie an der FUB, wurde Pate des Sohnes Lukas Ohnesorg.
Literatur: Uwe Timm: Der Freund und der Fremde, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005, ISBN 978-3-462-03609-1 (autobiographische Erinnerung an seinen Schulfreund).
© Jenny Schon, Juni 2016.

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2016/05/30

Grândola Vila Morena

Zeca Afonso

Grândola, vila morena
Terra da fraternidade
O povo é quem mais ordena
Dentro de ti, ó cidade

Dentro de ti, ó cidade
O povo é quem mais ordena
Terra da fraternidade
Grândola, vila morena

Em cada esquina, um amigo
Em cada rosto, igualdade
Grândola, vila morena
Terra da fraternidade

Terra da fraternidade
Grândola, vila morena
Em cada rosto, igualdade
O povo é quem mais ordena

À sombra duma azinheira
Que já não sabia a idade
Jurei ter por companheira
Grândola, a tua vontade

Grândola a tua vontade
Jurei ter por companheira
À sombra duma azinheira
Que já não sabia a idade

Das Lied, das in der Nacht zum 25. April 1974 das Startsignal für die portugiesische Nelkenrevolution war. Die Nelkenrevolution (Revolução dos Cravos) erhielt ihren Namen von den roten Nelken, die in die Gewehrläufe der aufständischen Soldaten gesteckt wurden.

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2016/05/28

Lissabon: A Voz do Operário

Ferry van Dongen

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Foto © Ferry van Dongen.

In Lissabon, in der gleichnamigen Straße mit der Hausnummer 13, steht das Gebäude der Voz do Operário (Arbeiterstimme). Der Name geht auf die Zeitung der Gewerkschaft der Tabakarbeiter zurück. Die Zeitung wurde 1879 von Custódio Gomes gegründet. Er hatte vorher einen Artikel über die Lage der Tabakarbeiter in Portugal geschrieben, der von allen Zeitungen abgelehnt wurde. Da blieb nur die Gründung eines eigenen Sprachrohrs. Die Genossenschaft wurde 1883 von 316 Mitgliedern gegründet, die jeweils nach Möglichkeit einen monatlichen Beitrag zahlten. Die Genossenschaft sollte nicht nur die Publikation der Zeitung ermöglichen, sondern auch sinnvolle Angebote zur Bildung und Versorgung der Arbeiter machen. 1912 begann der Bau des Hauses, der erst 1932 abgeschlossen war. Der Architekt war Manuel Joaquim Norte Júnior (1878 -1962), der nicht nur in Lissabon noch viele weitere, schöne Gebäude baute. Die Genossenschaft bietet bis heute schulische und handwerkliche Ausbildung, letzteres vor allem für Arbeitslose, ärztliche Betreuung von Armen, eine Bibliothek, eine Kantine, Veranstaltungsräume und vieles mehr. Besonders die Grundschulausbildung der Genossenschaft ist in Lissabon bekannt. 1932 hatte die Genossenschaft etwa 70.000 Mitglieder. 1938 besuchten 4.200 Schüler die Grundschule. Auch die Salazar-Diktatur hat die Einrichtung überstanden. 1974 zur Zeit der Nelkenrevolution hatte die Genossenschaft noch 7.000 Mitglieder und 500 Schüler. 2008 konnte A Voz do Operário das 125jährige Jubiläum feiern.
© Ferry van Dongen, Mai 2016.

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2016/05/26

Stolpersteinverlegung durch den Künstler Gunter Demnig

am 10. Mai 2016 vor dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Haus Evastraße 6
in Berlin Friedenau

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Es gibt wenigstens noch einen kleinen Stein, nur 10 mal 10 Zentimeter, der an einen
Menschen erinnert.
Fotos von Dr. Christian G. Pätzold.

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2016/05/23

Swetlana Alexijewitsch, Literaturnobelpreisträgerin

Dr. Christian G. Pätzold

Swetlana Alexijewitsch aus Minsk in Weißrussland gewann den Literaturnobelpreis 2015 und alle bürgerlichen, schöngeistigen Belletristikschwärmer in Deutschland, die schon zusammenzucken, wenn sie das Wort Politik nur hören, waren entsetzt, denn sie ist eine politische Schriftstellerin. Schrecklich! Eine Katastrophe! Geht es noch schlimmer? Schon wieder wurde der spießige Literaturgeschmack der deutschen Kleinbürger mit Füßen getreten. Es geschieht ihnen ganz recht.
Am 3. März 2016 kam sie endlich auch nach Berlin, ins Literarische Colloquium Berlin (LCB) am Wannsee. Das Haus war voll. Sie hat Russisch gesprochen und wurde ins Deutsche übersetzt. Sie sagte, dass alle ihre bisherigen Bücher zusammenhängen. Die Titel ihrer Bücher sind:
1. Der Krieg hat kein weibliches Gesicht, Berlin 1987.
2. Die letzten Zeugen. Kinder im Zweiten Weltkrieg, Berlin 1989.
3. Zinkjungen. Afghanistan und die Folgen, Frankfurt am Main 1992.
4. Im Banne des Todes. Geschichten russischer Selbstmörder, Frankfurt am Main 1994.
5. Tschernobyl. Eine Chronik der Zukunft, Berlin 2006.
6. Secondhand-Zeit. Leben auf den Trümmern des Sozialismus, Berlin/München 2013.
Die große Geschichte erzählt sie in den kleinen individuellen Geschichten der Menschen. Der einzelne Mensch ist im Fokus ihres Interesses. Indem sie die Menschen zu Wort kommen lässt, entsteht eine Welt der Stimmen, oder ein Roman von Stimmen, so wie eine Symphonie aus vielen Stimmen zusammengesetzt ist. Ursprünglich war sie Reporterin und führte Interviews. Diese Interviews fasste sie dann später zu ihren dokumentarischen Romanen zusammen. Sie schnappte auch Gespräche auf der Straße auf und war von der menschlichen Stimme fasziniert.
In ihrem Buch »Secondhand-Zeit« schreibt sie:
"Ich staune immer wieder, wie interessant das normale menschliche Leben ist... Historiker interessieren sich nur für Fakten, die Gefühle bleiben draußen... Ich aber sehe die Welt mit den Augen der Menschenforscherin... Ich bestaune den Menschen."
Für ihre Romane ist sie weit gereist und sie hat viele Menschen befragt. Sie war in Sibirien, in Afghanistan, in Tschernobyl nach dem Atomreaktorunfall. Immer hat sie die Berichte von den Leiden der Menschen aufgezeichnet, besonders in der Sowjetunion. Daraus ist so etwas wie ein O-Ton der Geschichte entstanden.
Manche haben moniert, der Inhalt ihrer Bücher sei ziemlich hart. Aber wenn man über die Leiden der Menschen berichtet, wie kann man da nicht hart und realistisch sein? Die Erlebnisse der Menschen, die sie zitiert, waren nun einmal hart. Sie lässt nur die Stimme des russischen Volkes sprechen - vox populi.
Man versteht durch sie, warum der Sozialismus in der Sowjetunion zusammengebrochen ist. Die Mehrheit der Leute hatte keine Lust mehr auf den grauen Sozialismus, auf leere Regale und Schlangen vor den Geschäften. Sie wollten 1990 den schönen, bunten Kapitalismus sowie die Freiheit, wie sie hofften. Endlich mal reich sein! Schöne Kleider haben! Nach Europa verreisen! Natürlich hat das nicht für alle Leute geklappt. Aber den Kommunismus will die Mehrheit der Russen anscheinend bis heute nicht zurückhaben.
Damals wollten alle jungen Leute in der Sowjetunion stone-washed Jeans. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum die große Sowjetunion es nicht geschafft hat, in ihrer Textilindustrie stone-washed Jeans herzustellen. Das wäre bestimmt einfacher gewesen als die Produktion von Kalaschnikows.
"Das zaristische Russland, so liest man es in Memoiren, war binnen drei Tagen weg, und genauso der Kommunismus. Binnen weniger Tage." (Secondhand-Zeit, S. 77).
Es gab niemanden, der den Kommunismus verteidigt hat, nicht mal die Mitglieder der Kommunistischen Partei. Im Gegenteil, viele kommunistische Parteikader haben ihre volkseigenen Betriebe einfach übernommen und sind über Nacht Kapitalisten geworden. Nach dem Putsch haben die Parteimitglieder massenhaft ihre Parteibücher abgegeben. Und dann ist auch noch die Sowjetunion in ihre natürlichen nationalen Einzelteile zerfallen, mit all den eingefrorenen militärischen Konflikten in Georgien, Moldau, Ukraine, die wir heute haben.
Die Sowjetunion und die Sowjetmacht sind 1991 an allen Ecken und Enden implodiert. Hinzu kam der Generalsekretär Gorbatschow mit seiner Perestroika, der den Kommunismus abschaffen wollte.
Gegenwärtig schreibt Swetlana Alexijewitsch an einem Buch über die Liebe, über das Altern und über den Tod. Dafür spricht sie auch wieder mit vielen Frauen und Männern.
© Dr. Christian G. Pätzold, Mai 2016.

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2016/05/17

FEDERLICHT

Caroline Alves/Olga Ramirez Oferil
Tanz Performance am 21./22. Mai 2016
10 TIMES 6

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Olga Ramirez Oferil. Fotografiert von © Miro Wallner.

Olga Ramirez Oferil ist eine katalanische Tänzerin, die seit vier Jahren in Berlin lebt. Sie arbeitete mit verschiedenen Choreografen wie z.B. Ricardo de Paula und Isidre Rebenaque zusammen, konzipierte das site-specific Dansapar, das für den Dansacat Award der ApdC in Barcelona nominiert war; engagiert bei diversen Tanz- und Theaterfestivals: Tanznacht, FRATZ, Plataforma Berlin und Costa Contemporánea. Momentan involviert u.a. als Regie- und Produktionsassistentin in mehreren Projekten des Theaters o.N., sowie bei den Spreeagenten.

Caroline Alves ist eine brasilianische Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreografin, die in Berlin lebt. Sieben Jahre lang war sie Mitglied des staatlichen Ensembles Companhia de Dança Palácio das Artes in Brasilien. Danach arbeitete sie mit zahlreichen Choreografen und performte in Brasilien, Deutschland und Afrika. Momentan ist sie Mitglied der Grupo Oito in Berlin. Seit 2012 arbeitet sie an einer auktorialen choreografischen Forschung, die in die Stücke "DropingBox" (2012), "Unset" (2013), "DOCH!" und "UAU: happening now" (2015) mündete. Ihre aktuelle Arbeit ist "Federlicht" (2016).

"Ich weiß nicht, wie viele Seelen ich habe. Jeden Moment verändere ich mich. Dauernd befremde ich mich. Ich habe mich nie gesehen, noch vollendet. Von so vielem Sein habe ich nur Seele."
Inspiriert von einem Gedicht Fernando Pessoas zeigt das Stück einen poetischen Körper, der sich mit Veränderungen und befremdlichen Gefühlen auseinandersetzt. "Federlicht" ist ein steter Dialog zwischen Erinnerung und Erwartung.

Konzept & Regie: Caroline Alves
Dramaturgische Beratung: Miro Wallner
Performance: Olga Ramirez Oferil
Kostümberatung: Sofia Vannini
Produktion: Hower.

Am 21./22. Mai 2016, 20:30
ada studio in den Uferstudios/Studio 7
Uferstraße 8/23, 13357 Berlin Wedding
U8 Pankstraße/U9 Nauener Platz/S Gesundbrunnen
Tickets 8-13 Euro sliding scale
Tel. 218 00 507.

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2016/05/15

Wie Herr Varoufakis Europa retten will

Dr. Christian G. Pätzold

Yanis Varoufakis, geboren 1961 in Athen, galt vielen als die Lichtgestalt des Fortschritts in Europa. Er war zwar nur der ehemalige Finanzminister Griechenlands, aber manche erhofften sich von ihm nichts weniger als die Rettung Europas. Anfang Februar 2016 gründete er in der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz eine neue Europäische Bewegung: DiEM25, Democracy in Europe Movement 2025. Werden wir 2025 den Sozialismus in Europa haben?
Aber wie kam es eigentlich dazu? Von Varoufakis hörte man zum ersten Mal, als die Partei Syriza in Griechenland im Januar 2015 die Parlamentswahlen gewonnen hatte. Alexis Tsipras wurde Ministerpräsident in Griechenland, Yanis Varoufakis sein Finanzminister. Als Ökonom mit internationaler Erfahrung war er gut qualifiziert. Varoufakis wurde schlagartig international berühmt, denn er führte die Verhandlungen mit den Geldgebern Griechenlands, den so genannten Institutionen (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds). Sein eigentlicher Kontrahent im Hintergrund war aber der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, denn er war ja der Herrscher über die Euro-Milliarden.
Zu diesem Zeitpunkt im Januar 2015 war Griechenland komplett pleite. Es konnte nicht mehr die Zinsen für seine enorme Staatsschuld zahlen. Es konnte nicht mehr fällige Staatsschulden ablösen. Es war vollständig von den Kapitalmärkten abgeschnitten. Es konnte keine Renten mehr zahlen. Es konnte keine Gehälter für die Staatsangestellten mehr zahlen. Die Staatskasse war gähnend leer, geplündert von den Vorgängerregierungen. Varoufakis versuchte monatelang, von den Geldgebern einen Schuldenerlass zu erreichen. Vergeblich.
Das ganze Verhandlungsdrama endete im Juli 2015, als Varoufakis als Finanzminister zurücktrat. Die Geldgeber hatten ultimativ ihre Bedingungen wie Reformauflagen und Sparauflagen durchgesetzt. Tsipras veranstaltete ein Referendum, in dem das griechische Volk über die Sparauflagen abstimmen sollte. Das griechische Volk sagte "Ochi" = "Nein" zu den Sparauflagen und Tsipras akzeptierte die Sparauflagen trotzdem. Die Alternative wäre der Grexit gewesen, der Austritt Griechenlands aus der Währung Euro. Das ganze war ein ziemlich absurdes Theater von Tsipras. Der einzige, der sich konsequent verhielt, war Varoufakis.
Da die alten Griechen bekanntlich die Logik erfunden haben, vermute ich, dass das Abstimmungsdrama eine höhere Form von Logik war, die nicht jeder versteht. Das Ergebnis für Griechenland war jedenfalls: Es hatte immer noch den Euro als Währung. Es hatte immer noch seine riesigen Staatsschulden. Immer noch den Kapitalismus. Und die griechische Wirtschaft schmierte ab, die Bevölkerung verarmte rapide. Die große Chance, ganz neu anzufangen und den Sozialismus in einem unabhängigen Griechenland aufzubauen, war vertan.
Ein halbes Jahr später hatte Varoufakis seine Truppen um sich gesammelt. Die Berliner Volksbühne war natürlich ausverkauft an jenem Dienstag, 9. Februar 2016, als DiEM25 gegründet wurde. Daher blieb mir nichts anderes übrig, als die Veranstaltung im Live-Stream am Computerbildschirm zu verfolgen. Zuerst hielt Yanis Varoufakis eine Rede. Er forderte einen neuen Start für Europa, ein Europa von unten, eine Demokratisierung der Europäischen Union. Besonderes Gewicht dabei haben für ihn die Transparenz der Entscheidungsfindung und eine Versammlung für eine neue Verfassung für Europa. Seine Vision eines neuen Europas ist unter anderem grün, international und offen.
Im Anschluss traten Rednerinnen und Redner aus zahlreichen europäischen Ländern wie Deutschland, England, Irland, Spanien, Portugal, Dänemark etc. auf, die sich den Ansichten von Varoufakis anschlossen. Darunter waren Katja Kipping (Die Linke, Deutschland), Caroline Lucas (Green Party UK, MP), Nessa Childers (MEP, Irland), eine Rednerin von Blockupy. Julian Assange war per Video aus der ekuadorianischen Botschaft in London zugeschaltet, denn dort ist er bekanntlich eingesperrt. Die ganze Veranstaltung zog sich ziemlich in die Länge und wiederholte sich. Ich dachte mir, ach du Schreck, schon wieder so ein endloser linker Quatschclub.
Aber die Idee von Varoufakis hat Hand und Fuß. Man hat jetzt den Eindruck, dass Europa unter dem Ansturm der Rechtsradikalen und Nationalisten aus allen Ländern zusammenbricht. Wenn Europa erstmal tatsächlich implodiert ist, dann hat Varoufakis jedenfalls schon mal sein Team zusammengestellt, das den Laden übernehmen könnte. Das wäre dann vielleicht so etwas wie ein sozialistisches Europa mit Herrn Varoufakis als Präsident. Aber vielleicht ist die Aufgabe auch eine Nummer zu groß für Herrn Varoufakis. Es wäre alles besser gelaufen, wenn Herr Varoufakis erstmal den Sozialismus in Griechenland eingeführt hätte.
Ich glaube nicht, dass das kapitalistische Europa plötzlich zusammenbricht und am nächsten Tag ein sozialistisches Europa dasteht. Wahrscheinlich wird es an allen Ecken und Enden anfangen zu bröckeln. Und dann werden sich allmählich einzelne Staaten Europas zu einer sozialen Europäischen Union zusammenschließen, die auf sozialen Grundsätzen beruht. Aber bis die Bürger Europas so weit sind und die Nase voll haben von Massenarbeitslosigkeit und sozialer Ungerechtigkeit, kann es noch dauern. Und in Deutschland dauert sowieso alles am längsten.
© Dr. Christian G. Pätzold, Mai 2016.

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2016/05/13

Streetart von XUEHKA in Lissabon

Ferry van Dongen

Diese Fliesen sind uns bei unserem Stadtspaziergang durch Lissabon gleich aufgefallen. Es sind eben nicht die typischen Azulejos, die man überall sieht. Auch die Anbringung scheint etwas improvisiert bzw. unter Zeitdruck geschehen. Die Künstlerin heißt XUEHKA bzw. Xueh Magrini Troll. Die "Sexy Tiles" findet man auch in ihrem Blog als Eintrag vom 16. Januar 2016: http://xuehka.blogspot.de. Die Künstlerin kommt aus Bogotá in Kolumbien und lebt in Berlin.

xuehka
Gesehen in Lissabon, im Stadtteil Graça, am 2. Mai 2016.
Foto © Ferry van Dongen.

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2016/05/11

Eric Burdon zum 75. Geburtstag

Ferry van Dongen

Eric Burdon wird heute 75 Jahre alt. Ich habe ihn im letzten Jahr noch bei einem Live-Konzert erlebt. Seine Stimme ist immer noch hervorragend für den Bluesrock, den er schon immer gemacht hat. Vielleicht sind die Musiker heute besser, mit Sicherheit aber ist die Soundtechnik besser. Er hatte ein paar alte, bekannte Songs zum Besten gegeben, aber auch Titel seines letzten Albums (Til Your River Runs Dry) aus dem Jahr 2013 gesungen. Mit diesem Album hat er sich vor drei Jahren in bemerkenswerter Form wieder zurückgemeldet.
Eric Burdon wurde am 11. Mai 1941 in Newcastle upon Tyne (England) geboren. Seit 1958 ist er Musiker. Er ist mit verschiedenen Musikgrößen wie Jimi Hendrix, Alexis Korner, Chuck Berry oder Otis Redding aufgetreten. 1964 gründete er mit Alan Price The Animals. Mit dieser Band hatte er zahlreiche erfolgreiche Titel wie See See Rider, Good Times, San Franciscan Nights und natürlich House of the Rising Sun.
1969 gründete er die Band War. Die Musik bekam deutliche Züge von Funk und Soul. Auf dem Album Eric Burdon Declares War (1970) findet sich neben Spill The Wine mein Lieblingsstück: Tobacco Road. Hierzu eine kleine persönliche Geschichte. Ende der 70er Jahre habe ich mit ein paar FreundInnen eine Multimedia-Show bei verschiedenen Gelegenheiten aufgeführt. Der Begriff Multimedia-Show hört sich heute etwas altbacken an. Es war nichts anderes als eine Zusammenstellung von Bildern (Dias, präsentiert mit einem Diaprojektor!), Musik (zusammengestellt und abgespielt von Kassettenrekordern!) und mündlich vorgetragenen Texten. Thema war Unterdrückung und Befreiung im Trikont. Tobacco Road war und ist mein Lieblingstitel aus dem Programm:

"I was born in a filthy dump, my mother died and my daddy got drunk
And they left me here, yes, to die or grow
In the middle of Tobacco Road...I grew up in prefabricated shack
When I went to high school, they pulled the clothes off my back
Lord above knows how much I loathe
This mean old place called Tobacco Road, yes
Tobacco Road, let me tell you now, Tobacco Road
Talkin’ ’bout a road yeah, Tobacco Road, Lord!
Talkin’ ’bout your road, talkin’ ’bout my road
Talkin’ ’bout Tobacco Road, talkin’ ’bout a road
But it’s home, hmm, yes it is
The only life I’ve ever known, I’ve ever known
And the Lord knows how much I loathe..."

Der Titel der Show entstammte dem Albumtitel The World Is A Ghetto, dem fünften Album von War (1972), bei dem Eric Burdon schon nicht mehr mitwirkte. Ende der siebziger Jahre lebte er für eine kurze Zeit auch in Deutschland. Er spielte fortan in verschiedenen Formationen, spielte u.a. in dem Film Comeback (1981) das Revival eines älteren Rockmusikers, schrieb seine Autobiografie Don’t Let Me Be Misunderstood (2001). Eric Burdon blieb seiner Linie und seiner Musik bis heute treu. Seine Lieder sind gesellschaftskritisch und menschenfreundlich. Vielleicht kann man sagen, dass er der letzte bedeutende Hippie seiner Generation ist. In diesem Sinne: Happy Birthday, Eric! Stay just as you are. And take care!

© Ferry van Dongen, Mai 2016.

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2016/05/09

Ulrike

Zum 40. Todestag am 9. Mai 1976
Jenny Schon, Magistra Artium

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Ulrike Meinhof, 7. Oktober 1934 in Oldenburg - 9. Mai 1976 Stuttgart, Journalistin, Kolumne bei "Konkret", Bambule, Fernsehspiel, 1970; Regie Eberhard Itzenplitz, Drehbuch Ulrike Meinhof. RAF-Gründerin.
Foto: Jenny Schon bei der Trauerfeier für Che Guevara 1967,
s.a. Jenny Schon, fussvolk, Gedichte, Geest Verlag, 2012,
Jenny Schon, 1967 Wespenzeit, Roman, dahlemer verlagsanstalt, 2015.

© Jenny Schon, Mai 2016.

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2016/05/05

art kicksuch

geh


© art kicksuch, Mai 2016.

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2016/05/04

Eine andere Definition der Gutmenschen

Jenny Schon, Magistra Artium

Dem Kommentar zum Gutmenschen in dem Artikel vom 29. April 2016 kann ich mich nicht anschließen. Gutmenschen sind für mich jene, die Jesus Pharisäer nannte. Jene, die immer auf die anderen zeigen, was sie alles falsch machen und wie böse sie sind und sich selber als Gute in den Vordergrund stellen. Besonders dann, wenn die anderen sich nicht ihrer Meinung anschließen, denn sie haben, wie seinerzeit die unselige Partei, immer Recht, weil ja angeblich das Gute auf ihrer Seite steht.
Seit meiner Kindheit habe ich unter diesen Moralaposteln gelitten, und sie waren katholisch im Rheinland, woher ich komme, die Mehrheitsmeinung eben, hier sind sie oft evangelisch, die Mehrheitsmeinung, in Berlin, wohin mich eine Mauer getrieben hatte, die ich als enthusiastischer moralischer junger Mensch einreißen wollte.
Sie sind aber auch oft grün-alternativ und verdammen jene, die nicht auf Fleisch verzichten wollen oder andere Genüsse. Sie sind letztlich lebens-lust-feindlich und steril, weil sie alles nach ihren Geboten formen wollen wie einst die alleinseligmachende Kirche oder Partei. Dass es immer Ausnahmen gibt, bestätigt die Regel! Und übrigens: Wer helfen will, hilft still!
Gutmenschen sind jene, die anderen ein schlechtes Gewissen machen - ist die Kurzformel!
© Jenny Schon, Mai 2016.

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2016/05/03

Lenins Kopf ist wieder da

In der Zitadelle Spandau in Berlin Spandau.
Vergleichen Sie bitte auch den Artikel vom 17. September 2015.

Lenin1 Lenin2
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold am 30. April 2016.
Im Original liegend, rechtes Bild gedreht.

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2016/05/01

Genossenschaftliche Grüße zum 1. Mai 2016!

von www.kuhlewampe.net

Mai

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2016/04/29

»Gutmensch«

Dr. Christian G. Pätzold

Der "Gutmensch" wurde im Januar 2016 zum "Unwort des Jahres 2015" gewählt. Ich dachte mir, darüber könnte man mal etwas schreiben. Aber es ist mir doch sehr schwer gefallen. Daher melde ich mich erst jetzt damit. Es ist ein schwieriges, erklärungsbedürftiges Wort, das allerdings schon seit ein paar Jahren durch den deutschen Wortschatz spukt. Ich sage mit Absicht spukt, denn es wurde vor allem in eher dunklen Ecken verwendet.
"Gutmensch" wurde mit Vorliebe von Rechtsradikalen verwendet. Sie bezeichnen damit Leute, die links sind und die sie hassen, Leute, die sich bspw. für Flüchtlinge einsetzen. Mit dem Wort "Gutmensch" wollen die Rechten nicht ausdrücken, dass die Gutmenschen gut sind, sondern im Gegenteil, dass die Gutmenschen sich fälschlicherweise für gute Menschen halten. Das Wort "Gutmensch" wird also ironisch verwendet, vor allem um Gegner zu etikettieren und anzugreifen.
Ein Beispiel: Die Deutsche Burschenschaft schreibt auf ihrer Webseite (Januar 2016): "An deiner Universität findest du nur Oberflächlichkeit ohne geistigen Tiefgang? Das Leben um dich herum ist geprägt von Werteverfall, Gutmenschentum, Genderwahnsinn und linker Lebenslüge? Wähle deine Gegenkultur, wir sind auch in deiner Stadt!"
Die "Gutmenschen" bezeichnen ihre Gegner im Gegenzug als Nazis. Wobei allerdings das Wort Nazi von den Nazis selbst verwendet wurde, also auch eine Eigenbezeichnung ist. Im Gegensatz zu den Nazis haben die "Gutmenschen" noch etwas Sprachgefühl und würden ihre Gegner nicht etwa als "Schlechtmenschen" oder "Bösmenschen" bezeichnen. Der abwertende Charakter des Wortes "Gutmensch" kommt dadurch zustande, dass das Wort "der gute Mensch" quasi amputiert wurde.
Aber gibt es überhaupt gute Menschen? Nach einer These von Adorno könnte man argumentieren, dass es keine guten Menschen in einer bösen Gesellschaft gibt. Vielleicht gibt es ja nicht mehr als sporadische Annäherungsversuche an den guten Menschen. Vielleicht könnte man ja mal versuchen, wenigstens etwas gut zu sein.
© Dr. Christian G. Pätzold, April 2016.

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2016/04/24

Das Kommunistische Amerika

Ferry van Dongen

Koreshan
Koreshan Unity Settlement in Estero/Florida/USA.
Foto © Ferry van Dongen.

Vor ein paar Jahren habe ich bei einer Reise durch Florida die ehemalige Siedlung der Koreshan Unity in Estero besucht. Diese religiöse Gemeinschaft wurde von dem Arzt und Messias Dr. Cyrus R. Teed, alias Koresh (1839-1908) gegründet. Dr. Teed und seine Anhänger waren überzeugt, dass wir im Inneren einer Kugel leben. Nun gut, die religiösen Ansichten finde ich nicht interessant, aber dass sie in einer Form von sozialistischer Gemeinschaft lebten, dass interessierte mich doch. 1894 gründeten etwa 250 Menschen die Siedlung als Neu-Jerusalem. Mit dem Tod von Teed löste sich die Gemeinschaft langsam wieder auf. Zu sehen gibt es noch 11 Gebäude bzw. Einrichtungen aus der Zeit. Man kann sich gut vorstellen, wie hier gemeinsam gewirtschaftet und gelebt wurde. Ein friedlicher Platz in einer schönen Natur. In den USA gibt es zahlreiche Beispiele für solche nicht-kapitalistischen Gemeinschaften.
Dr. Rudolf Stumberger war in den letzten Jahren ebenfalls "auf den Spuren utopischer Kommunen in den USA", so der Untertitel des Buches. Der Autor reiste auf der Route eines anderen Autors. Charles Nordhoff veröffentlichte 1875 ein Buch mit dem Titel »The Communistic Societies of the United States«. Nordhoff besuchte dabei verschiedene aktive Gemeinschaften: Die Inspirierten von Amana (Iowa), Harmony (Pennsylvania), die Separatisten von Zoar (Ohio), die Shaker (New York), die Perfektionisten von Oneida (New York) und Wallingford (Connecticut) und die Aurora Community (Oregon). Dr. Rudolf Stumberger fügt auf seiner Reise von der Ostküste zur Westküste noch zwei weitere Gemeinschaften hinzu: Die Brook Farm (Massachusetts) und eine noch existierende Gemeinschaft der Hutterer (Montana).
Alle sind soziale Gemeinschaften ohne Privateigentum und ohne persönliches Gewinnstreben. Die Gemeinschaft sorgt für die Gemeinschaft. Gewirtschaftet wird im Kollektiv. Innerhalb der Gemeinschaft werden keine Löhne ausgezahlt. Darüber hinaus gibt es verschiedene religiöse Vorstellungen (nicht bei allen), die sich auf die soziale Organisation und Ordnung auswirken.
Sie waren zu einem guten Teil wirtschaftlich sehr erfolgreich. Oneida wurde 1881 aufgelöst und in die Oneida Community Aktiengesellschaft mit 5 Unternehmen überführt. Die Anteile wurden unter den Mitgliedern nach der Summe des eingebrachten Vermögens und der Anzahl der Jahre in der Kommune verteilt. Noch heute wird das Besteck der Firma Oneida Ltd. produziert und ist weit bekannt. Harmony, gegründet von dem Pietisten Johann Georg Rapp, gründete sich gleich drei Mal: In New Harmony, und dann (Old) Economy. Nachdem jeweils die Häuser gebaut, Felder gerodet und bestellt, Orte gegründet waren, gab es gute Gründe für den Verkauf und den Start an einem neuen Ort. Übrigens, 1873 besuchte Cyrus R. Teed von der Koreshan Unity die Harmony, um sich über die Gemeinschaft zu informieren.
Es gab auch langlebige Gemeinschaften. Zoar wurde 1898 nach 80 Jahren aufgelöst. Die Gemeinschaft hatte erfolgreiche Unternehmen, die der Kommune ein gutes Auskommen ermöglichten, aber dann gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der beginnenden Industrialisierung scheiterten. Amana, etwas später gegründet, brachte es auf 77 Jahre und löste sich 1932 nach der Weltwirtschaftskrise auf. Denn ohne Außenbeziehungen konnte keine der Kommunen existieren. Andere Gemeinschaften wie die Hutterer gibt es aber noch heute. Bei alldem hat man den Eindruck, dass es den Gemeinschaftsmitgliedern sehr gut ging. Die Kommunen gaben soziale Sicherheit, hatten für wirtschaftliche Prosperität gesorgt, bei gleichzeitiger Verkürzung der Lebensarbeitszeit, was mehr oder weniger gelang. Charles Nordhoff schrieb am Ende seines Buches: "I must confess that the communist life is so much freer from care and risk, so much easier, so much better in many ways, and in all material aspects" (Seite 418).
Für Dr. Stumberger waren letztlich nur die religiösen Gemeinschaften erfolgreich. Mehr noch, es ging vor allem um das religiöse Zusammenleben, das kollektive Wirtschaften ohne Geld war nachrangig. Die vom Autor zu Beginn der Reise besuchte Brook Farm bei Boston ist so etwas wie ein Gegenbeispiel zu den anderen Gemeinschaften. Die Brook Farm bestand nur zwischen 1841 und 1847, war nicht religiös, und orientierte sich an den Ideen des Frühsozialisten Charles Fourier. Für das Scheitern gibt es wohl zwei Anlässe: Eine Pockenepidemie und einen Großbrand. Aber es zeigte sich auch, dass es zu viele Intellektuelle waren, und zu wenige, die auch arbeiteten und etwas von Handwerk und Landwirtschaft verstanden. Und es waren wohl ähnliche Gründe für das Scheitern von Robert Owen, ein weiterer Frühsozialist, der 1824 New Harmony von den Rappisten erwarb, aber schon 2 Jahre später aufgeben musste.
Das Buch ist sehr gut recherchiert. Die Kommunen werden in einzelnen Kapiteln beschrieben, zunächst in einer Reportage über das, was man heute vorfindet, anschließend wird die Geschichte der Kommune erzählt, und es gibt einen praktischen Teil mit Tipps für den Besuch. Zum Schluss der Kapitel finden sich noch alte und neue Fotos von den Kommunen.

Buchtipp: Rudolf Stumberger: Das Kommunistische Amerika. Mandelbaum Verlag, 240 Seiten, Wien 2015.

© Ferry van Dongen, April 2016.

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2016/04/23

Det Klajelied von de Krumme Lanke

Alt-Berliner Lied von Fredy Sieg aus dem Jahr 1923.
Das muss jetzt mal hier stehen, um alle Neu-Berliner rechtzeitig vor der gefährlichen
Krummen Lanke zu warnen.


1. Vor zwee Jahren, im Aujust
Da hatt’ ick noch nich jewusst
Det ick heute Klajelieda singen muss
Damals hatt’ ick eahst, entfernt
Meene Emman kenn’jelernt
Ach, und heute is schon mit deah Liebe Schluss
In ‘nem Jrunewaldlokal
Sah ick iah zum eahstenmal
Sie trank Kaffe und aß Liebesknochen zu
Und ick schlängelte mia ran
Und wia fing’n zu meckern an
Und um achte saachten wia schon beede "Du".

2. Und denn saß ick mit deah Emman uff ‘ne Banke
Üba uns, da sang so schmelzend een Pirol
Unta uns, da floss so still de Krumme Lanke
Vis-à-vis aß Eena Wurscht mit Sauakohl
Im Jebüsch, da zooch sich Eena um vom Baden
Und wia konnten’n noch im Badeanzuch seh’n
Und die Emma saachte traut:
"Biste ooch so scheen jebaut?"
Und denn jab sie mia’n Kuss; ach, wah det schön!

3. Ja, deah eahste Kuss wah schön
Und et blieb nich bei dem Een’n
Denn een Kuß alleene hat ja nich viel Zweck
Emma küsste mit Jefühl
Und die Nacht, die wah so schwül
Und deah letzte Zuch wah sowieso schon weg -
Doch dann, um die Weihnachtszeit
Saacht se mia, et is so weit
Und sie saachte: "Dat Malör, det is von diah!"
Und ick dachte: "Au, vadammt!"
Und wir jing’n zum Standesamt
Und denn macht’ ick schleunichst Hochzeit
ooch mit iah.

4. Und denn saß ick mit deah Emman uff ‘ne Banke
Und die Orjel hatt’ so wundaschön jedröhnt
Und wir dachten beede an de Krumme Lanke
Und die janzen ollen Tanten ham jeweent
Und deah Pastoa hielt ‘ne schöne, fromme Rede
Und eah sprach von einer Jungfrau, rein und klar
Denn deah hatt’ ja nischt jewusst
Von dem Abend im Aujust
Weil a damals nich dabeijewesen wah.

5. Und nu wahn wa Frau und Mann
Und bald kam deah Kleene an
Und denn krichte ick’n Schreck janz fürchtalich
Eenen Wassakopp en gros
Und die Beene krumm wie’n O
Wah so’n richtja kleena Krummelankerich
Ach, deah Junge, deah wah doll
Alle Windeln schissa voll
Und ick spülte dann die dreckjen Dinga aus
Denn die Emma saachte jlatt
Detse dat nich nötich hat
Dadurch jab’s bei uns den ersten Krach im Haus.

6. Und denn saß ick in de Küche, uff de Banke
Und die Windeln dufteten so wundaschön
Und ‘ne Filiale von de Krumme Lanke
Macht deah Lümmel mia uff’s linke Hosenbeen
In deah Nacht, da konnten wia nie ruhich schlafen
Denn deah Bengel brüllte bis zum Morjen fast
Und da riss uns die Jeduld
Eena jab dem andan Schuld:
"Hättste damals lieba nich den Zuch vapasst!"

7. Seit deah Zeit jab’s jeden Tach
Zwischen mia und Emman Krach
Und der Emma schwoll janz fürchtalich deah Kamm
Und sie haute jeden Topp
Kurz und kleen uff meenem Kopp (Aua!)
Meene Birne wurde weich wie’n Jummischwamm
Voah Verzweiflung schafft’ ick dann
Mia ‘ne neue Freundin an
Und die Emma hatt’s natürlich rausjekricht
Und sie reichte - wie jemein! -
Jleich ‘ne Scheidungsklaje ein
Und denn krichte ick ‘ne Ladung
vor’t Jericht.

8. Und denn saß ick wieda mit iah uff ‘ne Banke
Und deah Richta hatt uns beede dann vahöaht
Und ick dachte: "Die verfluchte Krumme Lanke!"
Denn ick wurde ja als schuld’ja Teil akläaht
Jetz muss ick füa Emman und det Jör bezahlen
Und ick komm’ mein Leben lang nich meah zua Ruh’
Det soll mia ‘ne Warnung sein
Ick fall’ nich noch eenmal rein
Ick koof ma Sand und schipp’ de Krumme Lanke zu.

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2016/04/19

Ein Koppenträger auf der Schneekoppe, um 1940

Koppentraeger
Foto © Jenny Schon.

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2016/04/18

Verhinderte Alpinistin

Jenny Schon, Magistra Artium

Schneekoppe
Die Schneekoppe um 1900

Ich kann sagen, ich war im Himalaya Gebirge, bevor ich auf der Schneekoppe war, denn 1969 hatte ich begonnen, in Westberlin Sinologie zu studieren, 1972 war ich das erste Mal in China. An Trautenau, wo ich geboren und mit gut zwei Jahren ausgewiesen wurde, habe ich keine Erinnerung, auf der Schneekoppe, wie es sich für ein Trautenauer Kind gehört, war ich nie. Das sollte sich ändern.
Anfang Juli sagte meine Mutter am Telefon, die im Rheinland lebt, ich fahre mit Onkel Rudi und Tante Leni (eine geborene Rudel, Halbtschechin) nach Trautenau. Komm doch auch! Onkel Rudi war der jüngste Bruder meiner Oma, die einen Schwantner geheiratet hat. Auch die Oma-Familie namens Kosek hatte ursprünglich tschechische Vorfahren, die, wie ich später erfahre, aus dem Gebiet um Nachod nach Lampersdorf, wo ab 1830 Steinkohle abgebaut wird, in den Bergbau gekommen sind. Das erzähle ich deshalb, weil diese Familien im Gegensatz zu der reindeutschen Schwantner-Familie offensichtlich noch Verwandte in Tschechien hatten, was ich natürlich nicht wusste, aber nicht nur weil sie tschechischstämmig waren, sondern auch weil sie als Bergbauarbeiter gebraucht wurden. So hat heute noch Schatzlar, wozu das Dorf gehört, den höchsten Anteil an deutschstämmiger Bevölkerung und könnte nach EU-Richtinien zweisprachig sein, wozu sich aber kein Deutscher trauen würde, es zu beantragen. Auch der Bildhauer Emil Schwantner, ein Verwandter meiner Opa-Familie stammt aus dieser Region. Hier sollten wir übernachten.
Komm doch auch. Das sagt sich so schön: Aus Westberlin, mit Visa über die DDR nach Tschechien, so plötzlich. Der zerdätschte Prager Frühling war noch nicht lange her und überhaupt, ich kann ja nur übers Wochenende, ich studiere und es sind noch keine Semesterferien.
Ich besorge mir die Visa und fahre mit dem Zug via Prag und 5 Umstiegen nach Trautenau/Trutnov. Am Bahnhof steht Onkels Auto mit Bonner Kennzeichen. Wir düsen los. Da war eine Cousine, dort eine Schwägerin, ich kenne sie alle nicht, sie meinen aber, mich als Kind gekannt zu haben. Also wenn Du gar keine Erinnerung hast und auch noch nie da warst, gibt es nichts, jedes Trautenauer Kind muss auf die Schneekoppe, früher, als wir nuff sind, da sind mir noch zu Fuß, und doste jo än Spazierstock host. Mit dem Lift wirste fahren dürfen. Die älteren Frauen bleiben unten im Lokal, wo wir uns erst mal mit Schweinsbraten und Knedla gestärkt haben.
Ich muß gestehen, ich hasse Berge. Wenn ich mit meinem Freund in Europa unterwegs war, wollte er auf die Berge und ich ans Meer. Einmal haben wir den Onkel Rudi in seinem Urlaubsort am Tegernsee besucht, da sind wir irgendwo rauf auf einen Fünfzehnhunderter mit einem übervollen Kabinenlift, runter weigerte ich mich und wir sind den ganzen Nachmittag talabwärts. Nächsten Tags taten mir die Oberschenkel zum Zerreißen weh.
Also freue ich mich auf den offenen Lift in Petzer. Wir hampeln ganz schön in den Lüften, vor dem Abhang nur mit einer Eisenstange geschützt, wo ich schon als Kind öfter den Traum hatte, ich falle aus dem kreisenden Kettenkarussell, so baumeln auch hier die Beine im Nirgendwo, manchmal meine ich das Geäst streifen zu können. Auf der Zwischenstation raus, einen Schnaps trinken. Hinter dem Berg hören wir ein Grummeln, obwohl die Sonne ohne Schutz auf uns brennt. Der weitere Lift nach oben fahre nicht, da man nicht wisse, ob ein Gewitter kommt, kann Onkel Rudi erfahren, der ein wenig Tschechisch spricht. Also er, Mutti und ich los. Wir sehen den Weg vor uns. Ausgelatscht über die Jahrhunderte, ausgespült vom Donnerregen. Helle Rinnen zu sehen zwischen Knüppelholz, bis auch dieses schwindet. Noch haben wir nicht den kahlen Buckel der Schneekoppe erreicht, da legt es los. Regenstrippen zum Anfassen so dick, ein Getobe da oben und ein Gepolter, als zerkrache Rübezahl all das menschliche Gerümpel, das ihm im Weg liegt, Wetterstationen, Poststationen, Bauden, Hütten und Seilbahnen, zerrt und fetzt es uns um die Ohren. Ich lasse mich unter Krüppelnadelholz auf den aufgeweichten Boden fallen, Onkel und Mutti hocken neben mir. Sie scheinen das zu kennen. Ich könnte mir vor Angst in die Hose machen und hocke mich zwei Büsche weiter hin. Als sähe es Rübezahl, entgeistert er sich nun total und gibt alles seiner widerwärtigen Gehässigkeit von sich, als wolle er nun endlich das Ende aller Zeiten, wie von Nostradamus prophezeit.
Wie es gekommen, beruhigt es sich. Wir können aus dem Gebüsch. Glück gehabt, sagt Onkel, greift sich seinen Knüppel, weil es keine Stöcke zu kaufen gab und schon gar keine Stocksiegel, in die man früher das Besuchsdatum eintragen ließ. Aber wir kommen nicht weit. Mutti hat nicht das richtige Schuhwerk, es ist klatschnass, wir schliddern. Der Onkel als Bergsteiger ist natürlich am besten ausgerüstet. Aber es hilft ihm nichts, die beiden Frauen bleiben stehen. Wos, willst nej nuf uf die Koppe? Mutti erwidert, als wenn ich nej uf der Koppe gewesn wär! Ich sag erst mal gar nichts, schüttele den Kopf, dass tausende Tropfen durch die Luft schwirren und wende.
Obwohl es schwül ist, friere ich. Bei der Mittelstation erfahren wir, dass der Strom auf der Seilbahn nach unten ausgefallen ist. Rübezahl lässt nichts aus. Ein Restaurant gibt es nicht. Also noch mal am Kiosk ein Schnäpschen. Das muss für eine Stunde Wartezeit reichen, denn im Nu sind die Fläschchen ausverkauft, auch die anderen verhinderten Bergsteiger wollen ins Tal und müssen warten.
Endlich sitzen wir wieder im Lift, endlich geht es runter, was irgendwie gefährlicher aussieht als nach oben. Und es baumelt wieder und plötzlich macht es Ruck, Stillstand. Wir hängen zwischen Berg und Tal. Nichts geht mehr. Irgendwo ist in einem Mast der Blitz eingeschlagen, sagt der Onkel. Und jetzt? frage ich. Na ja, irgendwann werden sie mit Leitern kommen und uns runterholen. Ich zittere am ganzen Körper. Wenn ich doch runter laufen könnte wie am Tegernsee, aber es ist ganz schön steil. Ich sehe keine Möglichkeit, außer zu warten. Ich komme mir wirklich hilflos und wie ein kleines Kind vor, was ich ja mal war, hier in der Nähe.
Die Tanten im Lokal waren schon ganz verzweifelt, als wir endlich eintrudeln, nachdem die Elektrizität wieder geströmt war. Eine der Tanten schenkte mir zuhause Fotos von den zünftigen Urgroßeltern Kosek vor der damaligen Baude beim Aufstieg auf die Koppe, wo noch die Stocksiegel mit Besuchsdatum zu erwerben waren und andere Erinnerungsmitbringsel; und ein Foto von einem Koppenträger, der über das Steingerümpel, das auf dem Weg liegt, gebückt, mit einer Kraxe, die weit über seine Körpergröße hinausreicht, zielstrebig dem Weg nach oben folgt, als wär das mal nur so ein Sonntagsspaziergang. Der Lift wurde erst 1949 gebaut, nachdem das Gros der deutschen Bevölkerung ausgewiesen worden war. Der Beruf des Koppenträgers war ausgestorben, wenngleich bis vor einigen Jahren noch in Petzer einer namens Hofer lebte. Da wurde mir klar, warum ich kein Freund der Berge geworden bin, sondern ein entwurzelter Weltenbummler.
Auf meiner Heimfahrt machen wir halt bei einer weiteren Cousine, die im Tschechischen, wie es früher hieß, an der Elbe wohnt. Ihr Mann füttert soeben an die hundert fette Karnickel in den Drahtkäfigen, sie pflückt Gemüse auf dem lehmigen Elbboden. Dobre den, da keiner zu der Zeit ein Telefon hatte, ist man einfach da und wird halt mit schmutzigen Händen, aber umso herzlicher, begrüßt. Nach dem obligatorischen tschechischen Brühkaffee mit viel Zucker dränge ich, ich muss zum Zug nach Chlumec, um über Prag nach Berlin zu kommen. An der Grenze muss ich die Tasche öffnen. Die Tante hatte ihren frisch gepflückten Knoblauch in einen Packen alte Rude Pravo gepackt. Der Grenzer wendet sich angeekelt ab. Auf der DDR Seite das gleiche. Gönnse fleisch de Goffer öffnen. Der Sachse macht ein Gesicht, als wär sein Ende gekommen. Mochen se de Tosche wieder zu, und verschwindet. Sollte ich Schmuggler werden, schwor ich mir, würde ich das Schmuggelgut in frischen Knoblauch einpacken, dann wär ich das lästige Schnüffeln der Grenzer los.
aus: Jenny Schon, Böhmen nicht am Meer, Gerhard-Hess-Verlag, Bad Schussenried, 2016.
© Jenny Schon, April 2016.

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2016/04/16

130. Geburtstag von Ernst Thälmann am 16. April 2016

Dr. Christian G. Pätzold

Thaelmann

Ernst Thälmann wurde am 16. April 1886 in Hamburg geboren und am 18. August 1944 im KZ Buchenwald von den Nazis ermordet. Das Todesdatum ist allerdings etwas unsicher. Seine Eltern hatten ein kleines Gemüse-, Steinkohlen- und Fuhrwerksgeschäft in Hamburg-Eilbek, waren aber nicht wohlhabend, sondern relativ arm, wie viele kleine Leute damals im Kaiserreich. Der Große Hamburger Hafenarbeiterstreik von November 1896 bis Februar 1897 hatte Thälmann schon als 10-jährigen tief beeindruckt. 1902 als 16-jähriger verließ er sein Elternhaus, arbeitete als Hafenarbeiter und fuhr ab 1904 als Heizer zur See. 1910 war er in der Nähe von New York auch kurzzeitig als Landarbeiter beschäftigt. Anfang 1915 wurde er dann zum Kriegsdienst eingezogen, war an zahlreichen Schlachten an der Westfront in Frankreich beteiligt, zweimal verwundet. Im Oktober 1918 hatte er genug vom Ersten Weltkrieg und kehrte nicht vom Urlaub zurück.
Sein politischer Kampf begann schon früh. Im Mai 1903 war er in die SPD eingetreten, die damals zu Zeiten von Kaiser Wilhelm II. noch eine revolutionäre Partei war. Ende 1918 trat er in die USPD ein und im November 1920 in die KPD. Von 1925 bis zu seiner Verhaftung durch die Nazis 1933 in Berlin war er Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Für die KPD war er auch im Reichstag. 1925 und 1932 kandidierte er bei den Reichspräsidentenwahlen erfolglos für die KPD. Neben den Nazis von der NSDAP bekämpfte er in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre vor allem die SPDler, die seiner Ansicht nach den Kapitalismus stützten.
Thälmann gehörte zu den bedeutenden Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, bei denen man sich fragt: Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn? Was wäre geschehen, wenn Ernst Thälmann und nicht Adolf Hitler die Macht in Deutschland übernommen hätte? Millionen Tote des Zweiten Weltkriegs wären am Leben geblieben. Der Holocaust an den Juden und den anderen Verfolgten hätte nicht stattgefunden.

Das Thälmann-Lied

Heimatland, reck deine Glieder,
kühn und beflaggt ist das Jahr
Breit in den Schultern steht wieder,
Thälmann vor uns wie er war.

Maßlos gequält und gepeinigt
blieb er uns treu und hielt Stand
in seinem Namen geeinigt
kämpf um dein Leben mein Land.

Dass ihre Waffen zerbrechen,
schirmen wir Brücke und Wehr;
geben der Welt das Versprechen,
standhaft zu bleiben wie er.

Thälmann und Thälmann vor allen,
Deutschlands unsterblicher Sohn.
Thälmann ist niemals gefallen -
Stimme und Faust der Nation.

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2016/04/10

Historische Ecke: Der Tulpenwahn von 1637

Dr. Christian G. Pätzold

Tulpe

Jetzt haben wir den Beginn des Frühlings, und kaum eine Blume steht so sehr für den Frühling wie die Tulpe, die wiederum untrennbar mit Holland verbunden ist, denn dort werden die meisten Zwiebeln gezüchtet. Jedes Jahr strömen tausende Touristen zur Tulpenblüte auf den Keukenhof in Lisse. Er liegt in der Blumenzwiebel-Gegend nordwestlich von Leiden, die Bollenstreek genannt wird. Aber wie kam es eigentlich dazu?
Die Gartentulpe wurde in der Türkei bereits früh kultiviert. Sie war in der osmanischen Kunst ein häufig verwendetes Dekorationsmuster, bspw. auf Kacheln aus Iznik. 1554 wurde sie wahrscheinlich von dem niederländischen Diplomaten und Schriftsteller Ogier Ghislain de Busbecq (1522-1592) nach Europa gebracht. 1562 kam eine Ladung Tulpenzwiebeln von Konstantinopel nach Antwerpen.
Die Niederlande entwickelten sich in ihrem Goldenen Zeitalter zum Zentrum der Tulpenzucht. 1629 gab es bereits 140 Sorten der Gartentulpe. Für Neuzüchtungen wurden sehr hohe Preise bezahlt, so dass eine Preisblase entstand. Es wurden Hypotheken auf Häuser und Landgüter aufgenommen, um Zwiebeln zu kaufen und zu immer höheren Preise wieder zu verkaufen. Diese Spekulation erreichte in Holland in den Jahren 1633 bis 1637 ihren Höhepunkt.
Ein Zentrum der Tulpomanie war die nordholländische Stadt Alkmaar. Der Boom brach schließlich im Frühjahr 1637 aus ungeklärten Ursachen zusammen. Diese Periode der Spekulation mit Tulpenzwiebeln in den Niederlanden in den 1630er Jahren, in der Zwiebeln zu phantastischen Preisen gehandelt wurden, nannte man Tulpenwahn, Tulpenfieber, Tulpenhysterie, Tulipomanie oder Tulpomanie, auf Holländisch Tulpenwoede oder Tulpengekte. Die Tulpenmanie war die erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte, deren Verlauf gut bekannt ist.
So ist das immer bei Manien oder Blasen, ob bei Tulpen, an der Börse, bei Immobilien oder auf dem Kunstmarkt. Erst steigen die Preise in unermessliche Höhen. Die Spekulanten steigern sich in einen Rausch und kaufen immer mehr, weil sie immer höhere Preise erwarten. Irgendwann werden astronomische Preise erreicht und die Blase platzt. Dann stürzen die Preise ins Bodenlose, weil plötzlich niemand mehr an die Preise glaubt. Wer rechtzeitig gekauft hat und rechtzeitig verkauft hat, hat einen großen Gewinn gemacht. Die Spekulanten, die zuletzt gekauft haben, machen den größten Verlust. Statt von Manie wird in der Ökonomie auch von Hype oder Euphorie gesprochen.
Literatur: Mike Dash: Tulpenwahn. Die verrückteste Spekulation der Geschichte, München 1999 (Claassen).

© Dr. Christian G. Pätzold, April 2016.

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2016/04/07

Los tiempos estan cambiando: The Rolling Stones in Kuba

Dr. Christian G. Pätzold

Nachdem Papst Franziskus, Tausende deutsche Touristen sowie US-Präsident Barak Obama auf Kuba waren, wollten und durften auch die Rolling Stones nach Kuba. Das war am Karfreitag 2016, als die Stones in Havanna vor 200.000 Besuchern kostenlos »Jumpin’ Jack Flash« und »I can’t get no satisfaction« spielten. Seit der kubanischen Revolution von 1959 waren immerhin schon 57 Jahre vergangen, zwei Generationen. Natürlich war der Rock-n-Roll der Stones problematisch, denn sie singen auf Englisch, und das ist die Sprache des Erzfeindes USA. Aber irgendwie gehörten Mick Jagger und Keith Richards schon immer zu Fidel Castro und Che Guevara. Ein Widerspruch hat sich gelöst und eine Verbindung zwischen Sozialismus und Rock-n-Roll wurde hergestellt, die im Westen schon immer bestand. Die Kubaner können ja trotzdem weiter ihre Salsa Cubana spielen. Die Kritiker des Auftritts schäumten natürlich vor Wut: "Die Stones lassen sich vor den Karren des Regimes spannen." Aber die Kubaner im Allgemeinen scheinen sich gefreut zu haben. Einmal im Leben die Rolling Stones, die größte Band aller Zeiten, live erleben!
© Dr. Christian G. Pätzold, April 2016.

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2016/04/02

art kicksuch

kicksuch


© art kicksuch, April 2016.

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2016/03/30

Tagebuch 1973, Teil 8: Charkow

Dr. Christian G. Pätzold

"Mais les vrais voyageurs sont ceux - là seuls qui partent
Pour partir, coeurs légers, semblables aux ballons,
De leur fatalité jamais ils ne s’écartent,
Et, sans savoir pourquoi, disent toujours: Allons!"
Baudelaire: Le voyage.

1. August 1973, Charkow, Mittwoch

Die Roteltourleute, die mit uns zusammen die Sowchose besuchen, waren Lehrer aus dem Kanton Bern in der Schweiz. Sie unterrichten alle Geographie und hatten sich monatelang sorgfältig auf die Reise vorbereitet. Sie hatten auch vorher um die Erlaubnis zur Besichtigung von landwirtschaftlichen Betrieben gebeten. Sie hatten Karten und andere Papiere dabei, in die sie Informationen der Reise eintrugen.
Wir besichtigten das Institut für Gemüse- und Melonenanbau, das 1947 gegründet wurde. Es hat 750 Mitarbeiter, davon 160 wissenschaftliche, außerdem 5 Filialen in der gesamten Ukraine. Die größte Abteilung ist die Getreide- und Samenzucht. In 25 Jahren haben sie etwa 120 Samensorten erfunden. 75 % der Gemüsesamen und 90 % der Melonensamen in der Sowjetunion stammen aus diesem Institut. Es gibt 530 Sowchosen in der Ukraine (oder in der Sowjetunion?) mit 300 bis 500 Hektar. Zu den Aufgaben gehören Düngefragen, Bewässerungsfragen, Ausbildung von Wissenschaftlern, Testen von Samen, Entwickeln von Insektiziden, Gewächshäuser. Die Ukraine produziert 30 bis 40 % von allem Obst und Gemüse in der SU. 130 kg Obst und Gemüse pro Kopf und Jahr gibt es in der UdSSR, nur in Frankreich und Italien ist der Prozentsatz höher. 1.300 ha Gewächshäuser gibt es in der UdSSR. Alle Wissenschaftler auf dem Land müssen 2 bis 3 Monate im Jahr im Institut studieren. Es gibt Buchveröffentlichungen über Neuigkeiten. Sie entwickeln Bohnen-, Gurken- und Tomatenerntemaschinen und eine Samengewinnungsmaschine. Es gibt 15.000 ha Anbaufläche in der UdSSR zum Experimentieren und zur Versorgung von 70 % aller Kolchosen in der UdSSR mit Gemüsesamen.
Das Institut baut auch Wohnungen für die Arbeiter, insgesamt 380 in 5 Jahren, inklusive Wasseranschluss, Kanalisation und Gas. Der Verdienst beträgt durchschnittlich 172 Rubel. Während der Ernte gibt es das Essen auf dem Feld gratis. Außerdem bietet das Institut verbilligt Holz und Kohle im Winter. Es hat eine Kinderkrippe und einen Kindergarten, und eine eigene Mittelschule. Der Direktor meint, es bestehen kaum Unterschiede zwischen Leitern und Arbeitern. Es gibt Kooperationen mit Großbritannien zu Gewächshäusern, mit Italien und Jugoslawien zu Gurken, mit Bulgarien und der DDR zu Samen und mit Ungarn zur Ernte. Durchschnittlich werden 300 Doppelzentner/ha Obst, 200 bis 250 dz/ha Melonen und 37 bis 40 dz/ha Getreide geerntet (1 Doppelzentner = 100 Kilogramm). Außerdem hat das Institut eine kleine Simmentaler-Zucht, die Kühe geben zirka 4.000 Liter Milch im Jahr je Kuh. Die Simmentaler sind eine Zweinutzungsrasse (Fleisch und Milch), die aus der Schweiz stammt. Die Kühe sind braun und weiß gefleckt.
Das Gebiet der Ukraine ist schon seit Tausenden von Jahren Steppengebiet. Früher hat das Institut Chemikalien selber hergestellt, aus Kohleresten des Donezkbeckens. Heute liefert die chemische Industrie Produkte an das Institut für den Pflanzenschutz zur Testung. Die Produkte werden auch an andere Institute weitergegeben. In der UdSSR werden 35 % der Gemüse künstlich bewässert. Der Direktor des Instituts wird vom Ministerium eingesetzt. Zweimal im Monat tagt der Wissenschaftsrat mit 21 Personen. Die Gewerkschaftsversammlung tagt einmal oder zweimal im Monat. Nach dem Vortrag haben wir noch Versuchsfelder besichtigt.
Nach dem Besuch der Sowchose hatten wir noch zwei Erlebnisse in Charkow. Sie zeigen, dass Ausländer oder Touristen in gewisser Weise freundlicher behandelt werden als die Einheimischen. Meine Brille wurde mir kostenlos im Uhrenladen repariert. Erst wurden wir zwar wie üblich abgewiesen: "Das ist ein Uhrenladen, kein Brillenladen." Dann ging es aber doch. Beim Kauf von einem bemalten Lackkästchen im Souvenirladen haben wir die Verkäuferin sogar dazu gebracht, das Kästchen aus der Dekoration zu nehmen. "Kein Russe würde das versuchen", hat unser Freund Igor Jeroschenko gesagt. Das zeigt, dass die Russen bzw. Ukrainer freundlich zu den Ausländern sind, um ein gutes Image bei ihnen zu haben.
© Dr. Christian G. Pätzold, März 2016.

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2016/03/26

Tagebuch 1973, Teil 7: Rostov-na-Donu

Dr. Christian G. Pätzold

"Und da nun der Frühling herankam, so erwachte auf einmal eine sonderbare Begierde zum Reisen in ihm, die er bis dahin noch nie in dem Grade empfunden hatte."
Karl Philipp Moritz: Anton Reiser.

28. Juli 1973, Ordshonikidze - Pjatigorsk, Sonnabend

Die Straße war sehr gut, teilweise sogar vierspurig. Wir lernten einen Bergführer kennen, der Deutsch und Englisch an der Uni studierte. Pjatigorsk ist ein Kurort mit Schlammbädern. Als wir unseren Bergführer fragten, ob man denn nicht auch chemische Medikamente entwickeln könnte, meinte er: "Gegen den lieben Gott und die Natur kommt man nicht an." Am Ehrenmal hielten die Pioniere Wache; das soll ihre gute Gesinnung fördern, außerdem lungern sie dann nicht im Park rum und trinken keinen Wodka. Wir wurden von unserem Bergführer mit ins Studentenwohnheim genommen, was eigentlich nicht erlaubt ist. Dort feierten wir mit Deutschstudenten eine kleine Party. Wir haben bisher überall in der Sowjetunion sehr freundliche und gesprächsbereite Leute getroffen. (Nachtrag: Der Homo sovieticus war eine überaus sympathische und lockere Spezies).
Die 3-Bett-Zimmer waren ziemlich eng, es gab ein Klo für 6 Personen. Die generelle Tendenz war positiv. Der Lebensstandard und der Handel seien gut, "es wird schon werden". Die Außenpolitik der Sowjetunion sei auf Frieden und Völkerverständigung ausgerichtet und das finden sie gut. Unser Bergführer hat jede Menge Sprichwörter auf Lager: "Man sagt dem Esel nicht, dass er ein Esel ist", "In der Nacht sind alle Katzen grau", Goethe: "Edel sei der Mensch, hilfreich und gut". Sie erzählten, dass es eine Europa-Schiffsrundreise für 800 Rubel gäbe, die aber nur Maler usw. machen könnten.

29. Juli 1973, Pjatigorsk - Rostov-na-Donu, Sonntag

Die Straße war gut. Die Kühe standen häufig auf der Straße, weil die Fliegen den Geruch des Asphalts nicht leiden können. Wir haben einige Privatmärkte gesehen. In Rostov haben wir den Dolmetscher vom ersten Aufenthalt wiedergetroffen. Er war 3 Jahre bei der Armee. Seit 1967 dauert die Dienstzeit in der Armee 2 Jahre. Ob er Schriften von Lenin während der Zeit gelesen hat? "Das hat man nicht von uns verlangt." Das »Kommunistische Manifest« wird in der Schule nur auszugsweise gelesen. Immerhin. Man bekam 20 Rubel Sold im Monat, er fand es viel, gespart wurde kaum. Manche machten ein Fernstudium. Er fand die Militärzeit gut. 1 Monat pro Jahr hatte man Ernteeinsatz, dort waren Unterkunft und Essen frei. Er freute sich immer besonders auf die Mädchen auf der Kolchose. Wenn der Monat um war, bekamen sie ein Tönnchen Weißwein vom Kolchoschef. "Das ist die Regel."

30. Juli 1973, Rostov-na-Donu, Montag

Eine Fabrikbesichtigung in Rostov war nicht möglich. Die Theater hatten Theaterferien. In den Ferien gehen die Theater oft auf Tournee, aber wir hatten Pech, entweder war gerade eine Truppe da gewesen, oder sie kam erst in ein paar Tagen. Unser Deutschstudent hat uns herumgeführt. Die Verkäuferinnen in den Geschäften machten einen unfreundlichen Eindruck. 3 Optiker hatten Ruhetag, andere gab es anscheinend nicht. Das Wasser war in Rostov völlig verchlort, der Milchkaffee war nicht trinkbar, alles schmeckte danach. Die Antibabypille war dem Deutschstudenten unbekannt, er meinte, die Mädchen müssten sich alleine darum kümmern. Wir haben die Reifen hydraulisch aufgepumpt mit Manometer, das hat 1 Stunde gedauert und 40 Kopeken gekostet. Eine ungarische Schlagergruppe trat auf. Der Flug nach Moskau kostet 15 Rubel, für Studenten die Hälfte.
Am Abend haben wir 2 Stunden lang die X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Ost-Berlin im Fernsehen gesehen. Das Musikprogramm war durch und durch verbürgerlicht: Kleine Nachtmusik, Leipziger Domchor, Operette, Ballett etc. Der Besuch von Angela Davis in Ost-Berlin wurde gezeigt.

31. Juli 1973, Rostov-na-Donu - Charkow, Dienstag

Unterwegs haben wir auf dem Feld Mais gepflückt, in Salzwasser gekocht, mit Butter schmeckte es sehr lecker. Wir haben auch Sonnenblumen gepflückt. Wir haben unseren guten Dolmetscher Igor Jeroschenko in Charkow wieder getroffen. Morgen ist ein Besuch in einer Sowchose möglich, zusammen mit einer Roteltourgruppe. Der Besuch kostete 2 Rubel in ausländischer Währung pro Person, wir haben aber in russischem Rubel bezahlt. In der Charkower Gegend gibt es zirka 300 Kolchosen und 100 Sowchosen. Die Sowchosen sind komplett in Staatseigentum, die Kolchosen sind Kollektiveigentum der Bauern was die Produktionsmittel betrifft, mit Ausnahme des Bodens, der dem Staat gehört.
Wir haben uns länger mit unserem Dolmetscherfreund Igor Jeroschenko unterhalten. Er bestätigte, dass bei der Armee kein Lenin gelesen wird. Er hatte von 1968 bis 1970 Armeezeit. Er sagte, dass die Armee viel Geld verschlingt und immer die neuesten und besten Sachen bekommt. Er bestätigte, dass es sehr viele Ränge in der Armee gibt, aber in Friedenszeiten nicht viele Orden. Er ist Komsomolzenleiter in seiner Studentengruppe. Sie haben ihren Dozenten für Parteigeschichte aus pädagogischen Gründen abgesetzt. Das passiert auch in anderen Fällen, bspw. wurde ihr Deutschdozent im 5. Studienjahr degradiert.
© Dr. Christian G. Pätzold, März 2016.

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2016/03/22

Buchtipp: »Die Abholzung« von Franz Josef Degenhardt

Dr. Christian G. Pätzold

Franz Josef Degenhardt (1931-2011) hörte ich zuerst 1965. Verwandte von mir hatten schon einen Plattenspieler und hatten seine Platte »Spiel nicht mit den Schmuddelkindern« gekauft.

"Spiel nicht mit den Schmuddelkindern,
Sing nicht ihre Lieder,
Geh doch in die Oberstadt,
Machs wie deine Brüder!
So sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor.
Er schlich aber immer wieder durch das Gartentor
Und in die Kaninchenställe, wo sie Sechsundsechzig spielten
Um Tabak und Rattenfelle." etc.

Die Verwandten fanden es damals wohl schick, Degenhardt zu besitzen, obwohl sie ziemlich reaktionär waren.
Ich dagegen entwickelte mich 1968 zum Schmuddelkind, verlor aber Degenhardt aus den Augen und den Ohren. Denn ich lebte in West-Berlin mit Rock-n-Roll, Beat-Musik und Psychedelik, weit entfernt vom Wirkungskreis von Degenhardt. Aber das Lied von den Schmuddelkindern hatte Degenhardt berühmt gemacht. Außerdem war er eine seltsame, recht kuriose Kombination, einerseits Rechtsanwalt, andererseits Liedermacher, und später auch noch Schriftsteller. Man kann vielleicht sagen, dass er im weitesten Sinne auch ein westdeutscher 68er war, denn er setzte sich gegen den Vietnamkrieg, gegen die Notstandsgesetze und gegen den Radikalenerlass von Willy Brandt (SPD) ein.
1978 trat Degenhardt dann in die DKP ein und wurde neben Süverkrüp der Lieblingsliedermacher der westdeutschen Kommunisten. Von der RAF hielt er sich etwas fern, obwohl die Kollegen in seiner Anwaltssozietät RAF-Mitglieder verteidigten. Von der DDR wurde er natürlich mit Ehrungen überhäuft, so lange es die DDR noch gab. Da er bis zu seinem Tod in der DKP blieb, ist er für die alten Genossen der ultimative Liedermacher geblieben. Hannes Wader dagegen, der nach dem Zusammenbruch des Sozialismus Anfang der 1990er Jahre aus der DKP ausgetreten war, gilt bis heute als eine Art Verräter. Diese ganzen Feinheiten innerhalb der deutschen Liedermacherszene bekam ich mehr am Rande mit, denn ich verkehrte nicht in dieser Szene.
Dann hat mich kürzlich ein Freund auf den Roman »Die Abholzung« von Franz Josef Degenhardt aus dem Jahr 1985 aufmerksam gemacht. Ich dachte mir, warum nicht mal 30 Jahre zurückblicken? Das war die Gelegenheit, mich wieder mit Degenhart zu beschäftigen.
Degenhardts Roman »Die Abholzung« handelt von einer Bürgerinitiative "Rettet den Habichtsforst", die gegen die Abholzung des Forstes für einen Autobahnzubringer kämpft. Solche Bürgerinitiativen waren typisch für den Beginn der 1980er Jahre, als auch die Partei "Die Grünen" gegründet wurde. Im Zentrum der Geschichte steht die Mittelstandsfamilie Steingrüber, von der sich besonders die Mutter Griet Steingrüber in der BI engagiert. Erzähler ist ein Nachfahre von Griet Steingrüber, der bereits in der zukünftigen kommunistischen Gesellschaft lebt und auf die Geschichte anhand von Dokumenten zurückblickt. Es kommt auch ein Außerirdischer namens Mando vor, der zaubern kann.
Dazwischen ereignen sich die Abenteuer einer Gruppe von kleinkriminellen Punks. Eine magersüchtige Tochter kommt auch vor. Die staatliche Verwaltung und das Gericht sind korrupt, worüber Degenhardt als Rechtsanwalt natürlich bestens Bescheid wusste. Die Gesellschaft der Zeit wird als "heruntergekommene Gesellschaftsformation" bezeichnet. Das Ganze spielt in gehobenen westdeutschen Mittelstandskreisen, die ständig Cognac trinken. Am Ende der Geschichte kettet sich Griet Steingrüber an die Blutbuche auf dem Marktplatz von Heiderkamp und bespuckt die Polizisten, die sie losbinden sollen.
Degenhardts Roman »Die Abholzung« ist sicher keine Perle der deutschsprachigen Belletristik. Aber er ist doch ein interessantes politisches Zeitdokument aus dem Beginn der 1980er Jahre in West-Deutschland: Eine Kleinstadtposse mit korrupten Politikern und aufgebrachten Bürgern, die es so tatsächlich gegeben hat. Und die Geschichte hat einen gewissen Drive. Der ganze Roman ist recht sonnig. Etwas Sex & Crime kommt auch vor. Der Blick 30 Jahre zurück hat sich doch gelohnt. Bleibt noch zu erwähnen, dass die beiden Söhne von Degenhardt, Jan Degenhardt und Kai Degenhardt, auch Rechtsanwälte und Liedermacher geworden sind. Das ist dann nicht mehr so originell.
© Dr. Christian G. Pätzold, März 2016.

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2016/03/20

Frühlingserwachen

Frühling
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold.

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2016/03/12

Lesung im Antiquariat & Café Morgenstern am 18. März 2016

Dr. Christian G. Pätzold liest am Freitag, dem 18. März 2016, um 19:30 Uhr im Antiquariat & Café Morgenstern aus »Querdenkerartikeln« und »Tigergeschichten«, das sind Berliner Geschichten von damals und heute.
In der Schützenstraße 54 Ecke Albrechtstraße, U+S Rathaus Steglitz, in Berlin-Steglitz.
Frank Wismar singt dazu Berliner Chansons und spielt auf dem Akkordeon.
Thomas Röthlisberger vom Antiquariat Morgenstern heißt alle herzlich willkommen.
Der Autor tigert durch Berlin und macht sich dabei seine Gedanken. Man könnte auch sagen: Durch die Stadt laufen, spazieren, flanieren, schlurfen, streifen, bummeln, schlendern, aber tigern gefällt mir am besten. Lustwandeln und promenieren sind dagegen veraltet. Dem Lustwandeln haben die Autos den Garaus gemacht. Und das Promenieren machte man früher sonntags nach dem Mittagessen, als Sehen und gesehen werden noch in war. Entstanden ist daraus das Buch »Tigergeschichten« mit Essays zwischen Friedenau, Berghain und Tiergarten.
Natürlich wird am 18. März auch an die Märzrevolution von 1848 erinnert.
Wenn ihr früher kommt, dann könnt ihr noch in dem umfangreichen Antiquariat des Café Morgenstern herumstöbern.

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2016/03/09

Der Friedhof der Märzgefallenen im Friedrichshain

Dr. Christian G. Pätzold

Friedhof
Auf dem Friedhof der Märzgefallenen.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold, Oktober 2014.

Der Friedhof der Märzgefallenen liegt im Volkspark Friedrichshain auf einer Anhöhe. Es ist ein kleiner, weitgehend unbekannter Friedhof, der extra für die Freiheitskämpfer von 1848 angelegt wurde, heute in der Innenstadt, damals aber noch außerhalb von Berlin gelegen. An diesem späten Oktobertag des Jahres 2014 waren außer mir nur noch drei Besucher dort. In der Mitte des quadratischen Platzes sind große Schautafeln zur Geschichte der März-Revolution und zu den Barrikadenkämpfen vom 18. März 1848 aufgestellt. Ein leichtes Brausen des Autoverkehrs und Baugeräusche dringen bis hier hinauf. Außerhalb ist ein Informationscontainer aufgestellt, der aber geschlossen war.
Es ist ein schöner Friedhof für die Märzgefallenen mit viel Efeu, umstanden mit alten Bäumen. Einige originale Grabsteine sind noch erhalten, manche ohne Kreuz und ohne Rücksicht auf den preußischen König. Darauf kann man lesen, wie jung die Opfer waren. Auf einigen Steinen steht: "Gefallen im Freiheitskampfe". Normalerweise gehe ich nicht auf Friedhöfe und schreibe auch nicht über Friedhöfe, aber für die Märzgefallenen habe ich mal eine Ausnahme gemacht.
© Dr. Christian G. Pätzold, März 2016.

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2016/03/05

Wartet nur (1844)

Heinrich Heine

Weil ich so ganz vorzüglich blitze,
Glaubt ihr, daß ich nicht donnern könnt!
Ihr irrt euch sehr, denn ich besitze
Gleichfalls fürs Donnern ein Talent.

Es wird sich grausenhaft bewähren,
Wenn einst erscheint der rechte Tag;
Dann sollt ihr meine Stimme hören,
Das Donnerwort, den Wetterschlag.

Gar manche Eiche wird zersplittern
An jenem Tag der wilde Sturm,
Gar mancher Palast wird erzittern
Und stürzen mancher Kirchenturm!

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2016/03/02

Lesung im Primobuch Antiquariat am 8. März 2016

Premierenlesung: Jenny Schon liest aus ihrem Lyrikband
»endlich sterblich - de brevitate vitae«, Von der Kürze des Lebens, Geest Verlag, Vechta 2016.
Der Verleger Alfred Büngen ist anwesend.
Am Dienstag, Frauentag, 8. März 2016, um 19:00 Uhr.
Im Primobuch, Herderstraße 24 Ecke Gritznerstraße, in Berlin Steglitz, U Schlossstraße.

Bevor der Tag zur Neige geht, pflücke ihn, carpe diem, sagten die Lateiner und genossen, wie meine rheinischen Vorfahren auch, während lebensfeindliche Einstellungen auf ein Paradies im Jenseits hoffen.

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2016/02/28

60 Jahre - halbstark

Jenny Schon, Magistra Artium

Hotte

Eigentlich waren wir ganz schön stark, denn es wurde endlich auch mal über uns berichtet. In den 10 Jahren der Nachkriegsära zählten die Jugendlichen nicht, zählte nur Schadensbeseitigung und Aufbau und die Geschichten der Väter vom Krieg. Und plötzlich waren sie da, wie ich es auch für die 10 Jahre später aufkreuzenden sogenannten Achtundsechziger beschrieben habe: die Wespen, die pieksten. Wespen in Form von rebellischen Jugendlichen (Jenny Schon, 1967-Wespenzeit, Roman, dahlemer verlagsanstalt, 2015).
Durch den Film »Die Halbstarken«, 1956, mit Hotte Buchholz und Karin Baal, hatte diese Jugend ihre Gesichter; und: anders als bei den Achtundsechzigern waren es hauptsächlich proletarische Gesichter. Es hatte aber nicht nur die erste Nachkriegsjugendbewegung einen Namen, sondern auch ihr Zentralorgan: Bravo. Sie erschien am 26. August 1956 zum ersten Mal (damals mit dem Untertitel "Die Zeitschrift für Film und Fernsehen"); ab Heft 13/57, erschienen am 31. März 1957, war dann der neue Untertitel "Die Zeitschrift mit dem jungen Herzen" und der Zusatz "Film, Fernsehen, Schlager" zum Preis von 50 Pfennig (heute inflationsbereinigt etwa 1,18 €). Schon in der 4. Ausgabe 1956 wird Hotte aufs Titelblatt gesetzt und in der 15. Ausgabe ein weiteres Idol unserer Halbstarken-Jugend: James Dean. Und in jeder Ausgabe Rock n Roll und immer wieder Elvis Presley.
Alle diese Stars zeichnete aus, dass sie jugendliche Protestrollen übernommen hatten und Unterprivilegierte und Unverstandene darstellten. Häufig kam es auf den Jahrmärkten zu Rangeleien mit der Polizei. Auf den Jahrmärkten wurde öffentlich die Jugendmusik gespielt, da tanzten die Paare dann Rock n Roll mit Überschlag. Diese Jugend hatte auch ihre eigene Mode: die Jungen, Jeans, Lederjacken und die Haare so geschnitten und gekämmt, dass sie hinten im "Entenarsch" zusammenkamen. An jedem Schaufenster wurde dieser Entenarsch wieder zurechtgekämmt. Wer den schönsten hatte, hatte die meisten Chancen bei den Mädchen. Als Erfinder dieser Mode gilt der Frisör von Elvis Presley.
Die Erwachsenen fanden das alles schrecklich und schüttelten nur die Köpfe. Noch schlimmer war es für die Mädchen. Auch sie trugen Jeans, was die Erwachsenen auf die Barrikaden trieb: Hosen für Mädchen und dann noch so eng. Es folgte Schulrausschmiss, Hausverbot etc. Allein ihr Out-fit war Protest und war auch so von den Erwachsenen verstanden worden.
Der mehrmals gesteifte Unterrock, darüber ein weitschwingender Glockenrock wippte beim Tanzen und beim Überschlag konnte man zum Entsetzen der Kleinbürger noch mehr sehen! Der Rummelplatz war das exklusive Terrain der Halbstarken, besonders das Karussell "Die Raupe", wobei sich nach einer Weile das Verdeck über die Insassen stülpte, doch kurz vorher sprangen die Burschen hinein, waren dort Mädchen allein, und beim geschlossenen Verdeck versuchten sie die Mädchen zu küssen und es drang ein Gekreische nach draußen. Hier bekamen viele Backfische, wie damals die Mädchen hießen, ihren ersten Kuss. Dass es zu ernsthaften Übergriffen gekommen ist, ist mir nicht bekannt. Es sprang ja meist der Junge herein, mit dem das Mädchen schon vorher geflirtet hatte.
Die Raupe war nun der Sündenpfuhl an sich. Und anständige Mädchen durften nicht damit fahren und die anständigen Bürger gingen auch mit ihren anständigen Töchtern nicht in die Nähe der Raupe, die meist abseits, schon wegen der "Krach-" oder "Neger"-Musik, wie es damals hieß, in der Ecke des Kirmesplatzes stand. Hier konnten sich also die Jugendlichen ohne Aufsicht der Erwachsenen austoben, endlich das machen, was ihnen gefiel und nicht die Eltern vorschrieben.

"Zu einer regelrechten Straßenschlacht zwischen Polizisten und Halbstarken kam es in München. An die hundert Jugendliche zwischen 15 und 20 Jahren hatten sich zusammengerottet, als der Betrieb auf dem Rummelplatz schließen wollte. Die Lichter waren kaum verlöscht, als die Halbwüchsigen zu pfeifen und zu johlen begannen. Die Polizei hatte vorsorglich fünf Beamte in Zivil zum Jahrmarkt beordert, die nun versuchten, den Platz zu räumen. Immer mehr Halbstarke rotteten sich zusammen und leisteten Widerstand, selbst dann noch, als das Überfallkommando mit einem Funkstreifenwagen eintraf. Mit Gummiknüppeln wurden die Randalierenden abgedrängt. Dann gingen etwa 300 Jugendliche zum Gegenangriff über und bewarfen die Polizisten mit Pflastersteinen, wodurch u. a. die Windschutzscheibe des Streifenwagens zersplitterte und ein Beamter getroffen wurde. Schließlich trafen vom Polizeipräsidium der Wasserwerfer und ein zweites Überfallkommando ein. Danach zerstreuten sich die Jugendlichen unter Protestrufen und Pfiffen. Elf Jugendliche wurden festgenommen und werden wegen Aufruhrs angezeigt."
(Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 6. August 1956).

Auch in Westberlin ging es seit 1956 heiß her:
am 5. September in Steglitz mit ca. 400 Beteiligten,
am 6. September in Steglitz mit ca. 300 Beteiligten, in Charlottenburg mit ca. 80 Beteiligten und im Wedding mit ca. 100 Beteiligten,
am 7. September in Charlottenburg mit ca. 50 Beteiligten,
am 8. September in Steglitz mit ca. 500 Beteiligten, in Wilmersdorf mit ca. 50 Beteiligten und in Charlottenburg mit ca. 150 Beteiligten,
am 9. September in Steglitz mit ca. 400 Beteiligten.

Motive für diese Aufstände der Jugend waren oft nur die Lust an der Provokation oder die Chance kollektiven Auftretens, verbunden mit öffentlicher Wahrnehmung. Die öffentliche Empörung war ein wichtiger Bestandteil der Inszenierungen von Halbstarken. So wurde häufig das Eingreifen der Polizei mit einer Mischung aus freudiger Erwartung und Spannung geradezu herbeigesehnt. Erschienen die Beamten nicht, ging man oft enttäuscht auseinander. Ähnliches kennen wir ja heute noch bei den Mai-Demonstrationen in Kreuzberg und anderswo.
Ich arbeite derzeit an einem neuen Roman "1957 - halbstark", der zum Jahresende erscheinen wird.
© Jenny Schon, Februar 2016.

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2016/02/25

Schwimmwesten aus Lesbos am Konzerthaus Berlin

Ai Weiwei

aiweiwei1
Zur Erinnerung an die in der Ägäis ertrunkenen Flüchtlinge.
Gendarmenmarkt, Berlin Mitte, 15. Februar 2016.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold.

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2016/02/21

100 Jahre Schlacht von Verdun

Dr. Christian G. Pätzold

Genau vor 100 Jahren, am 21. Februar 1916, begannen die deutschen Truppen ihren Angriff auf die Festung Verdun in Lothringen (Frankreich). Im August 1914 wollte Kaiser Wilhelm II. noch einen kurzen Sommerausflug nach Paris machen. Dazu überfiel er das neutrale Belgien und blieb in Flandern stecken. Die deutschen Truppen griffen in Verdun immer wieder an, bis zum 19. Dezember 1916, ohne irgendwie vorwärts zu kommen. Denn sie waren zahlenmäßig und ausrüstungsmäßig zu schwach. Das Ergebnis war, dass in den Schützengräben von Verdun jeweils 100.000 Soldaten auf deutscher und auf französischer Seite gestorben sind. Das ist allerdings die ganz vorsichtige Zahl. Realistische Berechnungen gehen von insgesamt 350.000 getöteten Menschen aus. Die deutschen Militaristen und Waffenproduzenten haben schon genug Verbrechen im Ersten Weltkrieg und im Zweiten Weltkrieg begangen. Darüber sollte man mal nachdenken, bevor man wieder deutsche Waffen und Soldaten ins Ausland schickt.
© Dr. Christian G. Pätzold, Februar 2016.

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2016/02/18

Buchtipp: 50 Jahre »Mao-Bibel«

Dr. Christian G. Pätzold

Maobibel

Vor 50 Jahren erschien ein Buch, dessen weltweite Auflage auf 1 Milliarde Exemplare geschätzt wurde. Gar nicht schlecht. Die Auflagenhöhe allein ist natürlich noch kein Qualitätskriterium. Der umgangssprachliche Titel des Buches war »Mao-Bibel«, aber offiziell hieß das Buch »Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung«. Von allen sozialistischen Büchern war es wohl das am weitesten verbreitete Buch, wenn man mal vom »Kommunistischen Manifest« von Karl Marx und Friedrich Engels aus dem Revolutionsjahr 1848 absieht.
Mao Tse-tung war der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Chinas. Die Kommunisten in der Volksrepublik China hatten sich schon um 1960 mit den Kommunisten in der Sowjetunion überworfen. Sie betrachteten die sowjetischen Genossen für zu bürgerlich und zu nachgiebig gegenüber den USA und begründeten ihre eigene Ideologie, den »Maoismus«. Um das kommunistische Denken zu fördern, veranstaltete Mao in den Jahren 1966 bis 1976, bis zu seinem Tod, die »Große Proletarische Kulturrevolution« in der Volksrepublik China. Wichtigste Kraft in der Kulturrevolution war die »Rote Garde«, die Jugendorganisation der Partei. Die Rotgardisten hatten die Mao-Bibel immer dabei und lasen fleißig die Sprüche des Vorsitzenden Mao, die darin gesammelt waren. Der Umschlag war ganz in rot, daher wurde das Buch auch »Das kleine Rote Buch« genannt.
Die internationale Bedeutung der »Mao-Bibel« nahm rasch zu. Bereits im Jahr 1967 erschien die erste deutschsprachige Ausgabe in Peking in rotem Kunststofflederumschlag. 1968 erschien dann in Peking in gleicher Ausstattung die erste deutsche Miniatur-Ausgabe. Sie maß nur 8 cm x 10,5 cm und passte wirklich in jede Tasche. Der Titel und der Stern sind in Goldprägung auf dem Umschlag angebracht. Das mild lächelnde Portraitfoto von Mao Tse-tung wird durch ein dünnes Pergamentblatt geschützt. Ein kleines rotes Lesebändchen ist auch vorhanden. Das ganze Büchlein ist sehr liebevoll angefertigt. Mein Exemplar ist nach 50 Jahren immer noch komplett stabil. Denn in meinem westberliner Gymnasium war die Rote Garde gut vertreten, so dass ich schon frühzeitig ein Exemplar der »Mao-Bibel« besaß. Das war mal eine Abwechslung, denn ansonsten lasen wir nur Platon und Cicero.
Damals gab es in West-Berlin viele Maoisten. Man hatte den Eindruck, jeder wollte gerne mal Maoist sein. Manchen waren es 1 Tag lang, andere 3 Wochen, und wieder andere mehrere Jahre. Damals entstanden dann auch die KPD-ML-Parteien, wobei ML für Marxismus-Leninismus stand. ML wurde zur Abkürzung für die Maoisten. Auch Fritz Teufel von der Kommune I hat 1967 Mao-Bibeln an der Freien Universität Berlin verkauft, für nur 1,50 Mark das Stück. Heute kostet die originale Mao-Bibel im Antiquariat oft von 20 Euro aufwärts.
Die »Mao-Bibel« ist in 33 Kapitel unterteilt. Einige Beispiele:

I. Die kommunistische Partei
II. Klassen und Klassenkampf
III. Sozialismus und Kommunismus
IV. Die richtige Behandlung der Widersprüche im Volke
VI. Der Imperialismus und alle Reaktionäre sind Papiertiger
XVII. Dem Volke dienen
XX. Unser Land mit Fleiss und Genügsamkeit aufbauen
XXXII. Kultur und Kunst
XXXIII. Das Studium.

Um einen Eindruck vom Inhalt zu vermitteln, möchte ich ein paar kurze Sätze aus dem Buch zitieren:

"Die den Kern bildende Kraft, die unsere Sache führt, ist die Kommunistische Partei Chinas. Die theoretische Grundlage, von der sich unser Denken leiten läßt, ist der Marxismus-Leninismus."
"Alles, was der Feind bekämpft, müssen wir unterstützen; alles, was der Feind unterstützt, müssen wir bekämpfen."
"Jeder Kommunist muß diese Wahrheit begreifen: Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen."
"Wir müssen bescheiden und umsichtig sein, uns vor Überheblichkeit und Unbesonnenheit in acht nehmen und mit Leib und Seele dem chinesischen Volke dienen."
"Eine Revolution ist kein Gastmahl, kein Aufsatzschreiben, kein Bildermalen oder Deckchensticken."

Die Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung waren ursprünglich um 1960 von Verteidigungsminister Lin Biao, einem alten Kämpfer des Langen Marsches, für die politische Schulung der Soldaten der Volksbefreiungsarmee zusammengestellt worden. Daher ist es nur natürlich, dass Genosse Lin Biao 1966 auch das Vorwort zur »Mao-Bibel« verfasst hat. Aus dem Vorwort ein Zitat:

"Genosse Mao Tse-tung ist der größte Marxist-Leninist unserer Zeit. In genialer, schöpferischer und allseitiger Weise hat Genosse Mao Tse-tung den Marxismus-Leninismus als Erbe übernommen, ihn verteidigt und weiterentwickelt; er hat den Marxismus-Leninismus auf eine völlig neue Stufe gehoben. Die Ideen Mao Tse-tungs sind der Marxismus-Leninismus jener Epoche, in welcher der Imperialismus seinem totalen Zusammenbruch und der Sozialismus seinem weltweiten Sieg entgegengeht... Sobald die breiten Massen die Ideen Mao Tse-tungs beherrschen, werden diese zu einem unversiegbaren Kraftquell und zu einer geistigen Atombombe von unermeßlicher Macht."

Der Satz mit der Atombombe klingt heute etwas befremdlich.
Genosse Lin Biao entwickelte sich zum zweiten Mann in der Volksrepublik China hinter Mao Tse-tung. Doch dann nahm die Geschichte eine bizarre Wendung. Am 13. September 1971 stürzte ein Flugzeug mit Lin Biao über der Mongolei ab. Offensichtlich war Lin Biao nach einem Putschversuch auf der Flucht in die Sowjetunion, wobei das Flugzeug nicht genug aufgetankt gewesen war. Weitere Einzelheiten waren bis heute nicht herauszubekommen. Nach dieser Episode erschien die »Mao-Bibel« natürlich nur noch ohne das Vorwort von Lin Biao.
Welche Rolle spielen Mao Tse-tung und der Maoismus heute noch in China? Die Mitglieder der chinesischen Regierung bezeichnen sich zwar als Kommunisten der Kommunistischen Partei der Volksrepublik China. Ich glaube aber, dass sie in Wirklichkeit Kapitalisten sind. Sie beuten die Erde rücksichtslos für den Profit aus und verpesten die Luft für die eigene Bevölkerung so stark, dass es gesundheitsschädlich ist. In China gibt es heute Millionäre und Milliardäre und auf der anderen Seite sehr arme Bauern. Es gibt private Unternehmen und Aktienspekulation. Was in China existiert ist daher kein Sozialismus, sondern Kapitalismus. Der Staat befindet sich allerdings in der Hand einer Clique, die nicht abgewählt werden kann. Sie hat die Macht, weil sie das Militär zur Verfügung hat. Insofern besteht in China wohl eher eine Art kapitalistische Militärdiktatur.
Ein Filmtipp: Empfehlenswert ist der Film »La chinoise« von Jean-Luc Godard aus dem Jahr 1967. Darin spielt die Mao-Bibel eine zentrale Rolle.
Noch etwas Kurioses: 2015 hat der Berliner Eulenspiegel-Verlag die "Worte des Vorsitzenden Gregor Gysi" in gleicher Aufmachung herausgebracht.
© Dr. Christian G. Pätzold, Februar 2016.

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2016/02/16

Demo-Plakat im Friedrichshainer Nordkiez

demo
Berlin-Friedrichshain, Februar 2016.

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2016/02/13

achse der ismen

art kicksuch

kicksuch


© art kicksuch, Februar 2016.

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2016/02/10

Nicht Dada, sondern MERZ

Ferry van Dongen

Einst belächelt und missachtet, ist er heute ein Klassiker der experimentellen Literatur. Die Rede ist von Kurt Schwitters, diesem "Genie im Bratenrock" (Richard Huelsenbeck). Schwitters selbst prophezeite diese Entwicklung bereits 1931. Geboren wurde Schwitters 1887 in Hannover, oder wie er sagte, in "Re von nah" (später hieß es kurz "Revon"), und blieb bis 1937 seiner Heimatstadt treu. Er emigrierte zunächst nach Norwegen und anschließend nach England, wo er im Januar 1948 starb. In Hannover entwickelte er, nach anfänglichen Sympathien für den Expressionismus und Kubismus, die Merzkunst. Als eine Art Allroundkünstler experimentierte er mit den unterschiedlichsten Materialien und so blieb beim Zerschnipseln einer Anzeige der Commerz- und Privatbank nur noch Merz übrig. Das Kind hatte von nun an seinen Namen. Er stellte die Mitarbeit an diversen avantgardistischen Zeitschriften weitgehend ein und gründete eine eigene Zeitschrift mit dem Titel Merz, gründete den Merzverlag (später Apos-Verlag), arbeitete am Merzbau, an Merzbildern, Merzdichtung, schließlich dem Merzgesamtkunstwerk. "Merz bedeutet Beziehungen schaffen, am liebsten zwischen allen Dingen der Welt."
Kate T. Steinitz (Käte Steinitz, geb. Trautmann) hat als Freundin und Nachbarin eine Biografie über Kurt Schwitters geschrieben. In einem einfachen Erzählstil beschreibt sie ihre Arbeit mit Schwitters an vielen typographischen, illustrierten Texten wie dem "Hahnepeter" oder "Die Scheuche" (gemeinsam mit Theo van Doesburg), die Arbeit an der "Urlautsonate", als auch sein Privatleben und die Diskussionen mit Freunden. Sie erzählt auch, dass Schwitters sich schon früh von der Politik mehr oder weniger abwendete. Dies ist wahrscheinlich auch ein Grund für die relativ großzügige Beachtung des Künstlers im Gegensatz zu manch einem seiner dadaistischen oder expressionistischen Zeitgenossen. 1931 schreibt Schwitters im ersten Veilchen-Heft (Merz 21): "Ich hoffe, die Zeit wird auch ohne mich politisch weiterbestehen können, wohingegen ich bestimmt weiß, dass die Kunst für ihre Entwicklung mich noch braucht." Man wird Schwitters nicht gerecht, wenn man seine Arbeiten an seinem Verhältnis zur Politik misst.
"Anna Blume und ich" vereinigt die bekannten Dichtungen Schwitters an Anna Blume, neben Auguste Bolte die zweite, berühmte, von Schwitters erfundene Dame. Die Dichtungen stammen aus den Jahren 1918 bis 1922.

"Preisfrage:
1.) Anna Blume hat ein Vogel.
2.) Anna Blume ist rot.
3.) Welche Farbe hat der Vogel."
Kurt Schwitters, 1919

Sie sind im Gegensatz zu späteren Texten weniger durchkonstruiert, kümmern sich wenig um sinnschaffende Zusammenhänge und lassen viel Spielraum zur Interpretation. Die Gedichte sind von seinem Sohn Ernst Schwitters immer wieder sachkundig in die jeweilige Zeit gesetzt, so dass der Zusammenhang zwischen Leben und Arbeit des Merzkünstlers deutlich wird. In der Gebrauchsanweisung zum Lesen des Bandes wird Merz noch einmal definiert und vom Dadaismus abgegrenzt.
Einer meiner Lieblingsreime von Schwitters:

"Meine süße Puppe,
mir ist alles schnuppe,
wenn ich meine Schnauze,
auf die deine bautze."
Kurt Schwitters, 1926

Abgesehen von den literarischen und künstlerischen Aspekten ist die Lektüre von Schwitters Texten einfach unterhaltend und entspannend, und seine Biografie schildert sehr lebendig Kate Steinitz in ihren Erzählungen.

Literatur:
Kate T. Steinitz: Kurt Schwitters. Erinnerungen aus den Jahren 1918 - 1930. Arche Literatur Verlag. Zürich 1987. Erstauflage 1963.
Kurt Schwitters: Anna Blume und ich. Arche Literatur Verlag, Zürich 1996. Erstauflage 1965.
Die beiden Bände sind nur noch im modernen Antiquariat erhältlich. Der folgende Band ist aber noch beim Verlag lieferbar:
Kurt Schwitters: Kuwitter. Grotesken, Szenen, Banalitäten. Edition Nautilus. Kleine Bücherei für Hand und Kopf - Band 13. Hamburg 1997. 4. Auflage. Erstauflage 1986.

© Ferry van Dongen, Februar 2016.

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2016/02/07

Hans Arp, Dadaist

Ferry van Dongen

Er würde in diesem Jahr seinen 130. Geburtstag feiern. Und sein Todestag jährt sich zum 50. Mal. Aber 100 Jahre Dada ist das eigentliche Jubiläum.
Hans Arp, oder Jean Arp, wie er sich auch nannte, wurde 1886 in Straßburg geboren. Seine künstlerische Ausbildung vollzog sich in Straßburg und Weimar. Zu seinen Freunden zählten diverse Malerpersönlichkeiten, unter anderen Wassily Kandinsky und die Künstlergruppe "Der blaue Reiter". 1914 flüchtete er über Paris nach Zürich. Hier traf er weitere Exilanten. 1916 in Zürich begründete Arp mit Hugo Ball, Emmy Hennings, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco und Tristan Tzara den Dadaismus. Huelsenbeck schrieb in seinen Erinnerungen über Arp: "Einer derjenigen, die von Anfang an zu uns gestanden haben, war Hans Arp, der Maler."
Man kommt nicht umhin, die Züricher Spektakel der Dadaisten in den Kriegsjahren als besonders prägend für Arps künstlerisches und dichterisches Schaffen zu erkennen. Und umgekehrt. Auffallend ist, dass Arp im Dada-Kreis fast ausschließlich als Maler gesehen wurde. Seine Gedichte blieben bis heute immer im Hintergrund. Bereits zu seinem 100. Geburtstag hat der Arche Verlag ausgewählte Gedichte von Hans Arp veröffentlicht. Der Titel "Ich bin in der Natur geboren" ist Arps Straßburgkonfiguration entnommen. Dort heißt es:

"ich bin in der natur geboren. ich bin in straßburg geboren. ich bin in einer wolke geboren. ich bin in einer pumpe geboren. ich bin in einem rock geboren.
ich habe vier naturen. ich habe zwei dinge. ich habe fünf sinne. sinn ist ein unding. natur ist unsinn. platz da für die natur da. die natur ist ein weißer adler. platz dada für die natur dada.
ich modelliere mir ein buch mit fünf knöpfen. die kunsthauerei ist der schwarze blödsinn.
dada ist in zürich geboren. zieht man straßburg von zürich ab so bleibt 1916."
(Hans Arp, Straßburgkonfiguration1, 1932, S.60)

Typisch für Arp. Er jongliert mit den Wörtern. In spielerischer Form setzt er sie aneinander und lässt die verrücktesten Assoziationen aufkommen. Mystizismus und Realität verschmelzen in seinen Gedichten. Arp heiratete 1922 Sophie Taeuber. In den folgenden Jahren nahm er an Ausstellungen der Surrealisten und Kubisten teil. Er plastizierte und malte, machte Collagen, Holzschnitte und Lithographien, und dichtete. Während des Zweiten Weltkriegs war er auf der Flucht. 1943 starb im Schweizer Exil seine Frau Sophie. Seine Trauer schlug sich in seinem ganzen Schaffen nieder. Arp wurde ernst in seinen Gedichten. Alle spielerischen Elemente der Dada-Zeit ließ er fallen. Er schrieb unter Qual. Suchte nach einem Sinn. Dennoch arbeitete er weiter.
Seine plastischen Arbeiten und Werkausstellungen der Nachkriegsjahre verschafften ihm internationale Anerkennung. 1966 starb Hans Arp in Basel. Sein Grab findet man in Locarno, in Solduno steht auch noch das Wohn- und Atelierhaus, sowie ein neues Ausstellungsgebäude.

Literatur:
Hans Arp: Ich bin in der Natur geboren, Ausgewählte Gedichte, Arche Verlag, Zürich/Hamburg 1986/2002. Nur noch im modernen Antiquariat zu finden.

© Ferry van Dongen, Februar 2016.

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2016/02/05

DADA zum 100. Geburtstag

Dr. Christian G. Pätzold

Hoech
Hannah Höch: Schnitt mit dem Küchenmesser DADA durch die letzte Weimarer Bierbauchkulturepoche Deutschlands, Foto-Collage, 1919.

DADA wurde vor genau 100 Jahren, am 5. Februar 1916, in Zürich in der Schweiz geboren. Damals eröffneten Hugo Ball und Emmy Hennings in der Spiegelgasse 1 das Cabaret Voltaire. Weitere Beteiligte der ersten Stunde waren Tristan Tzara, Richard Huelsenbeck, Marcel Janco und Hans Arp.
Was machte DADA so sympathisch? Ich habe mir mal ein paar Stichwörter notiert: Ablehnung konventioneller Kunst und bürgerlicher Ideale, Revolte gegen die Gesellschaft, Zweifel an Allem, Individualismus, Zerstörung von Normen, Hass auf jede Art von Autorität, Publikumsbeschimpfung als Provokation der Bürger, Antikunst. Das alles muss man sich vor dem Hintergrund des mörderischen Ersten Weltkriegs vorstellen. In Deutschland wäre das "Vaterlandsverrat" gewesen. Die DADA-Künstler bestanden darauf, dass DADA nicht definierbar sei. Beziehungen zu zeitgenössischen Kunstströmungen wie dem Futurismus oder Kubismus lehnten sie eher ab.
DADA war besonders im Bereich der Kleinkunst und der Kleinstkunst sehr erfolgreich, bspw. in der Lyrik. Das Lautgedicht wurde von Hugo Ball erfunden. Wie der Name schon sagt, bestehen die Gedichte aus Klanggebilden von Lauten. Der Verzicht auf Wörter einer bestehenden Sprache war eine Kritik am Missbrauch der Sprache zu Propagandazwecken. Es gab auch Simultangedichte, bei denen mehrere Lautgedichte von verschiedenen Menschen durcheinander vorgetragen wurden. Das sollte die Geräuschkulisse der Großstadt nachahmen.

Als Beispiel für ein Lautgedicht möchte ich "Gadji beri bimba" von Hugo Ball vom Juni 1916 anführen:

"gadji beri bimba glandridi laula lonni cadori
gadjama gramma berida bimbala glandri galassassa laulitalomini
gadji beri bin blassa glassala laula lonni cadorsu sassala bim
gadjama tuffm i zimzalla binban gligla wowolimai bin beri ban
o katalominai rhinozerossola hopsamen laulitalomini hoooo
gadjama rhinozerossola hopsamen
bluku terullala blaulala loooo

zimzim urullala zimzim urullala zimzim zanzibar zimzalla zam
elifantolim brussala bulomen brussala bulomen tromtata
velo da bang band affalo purzamai affalo purzamai lengado tor
gadjama bimbalo glandridi glassala zingtata pimpalo ögrögöööö
viola laxato viola zimbrabim viola uli paluji malooo

tuffm im zimbrabim negramai bumbalo negramai bumbalo tuffm i zim
gadjama bimbala oo beri gadjama gaga di gadjama affalo pinx
gaga di bumbalo bumbalo gadjamen
gaga di bling blong
gaga blung"

Immerhin hört man heraus, dass dort ein Rhinozeros, ein Elefant, Affen und ein Neger Bumbalo in Zanzibar vorkommen, aber alles ziemlich gaga.

Berlin DADA konnte sich erst nach dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 entwickeln. Vor dem Kriegsende wäre eine Kritik an der Obrigkeit lebensgefährlich gewesen. Im Berlin DADA versammelten sich Künstler wie George Grosz, John Heartfield und der Oberdada Johannes Baader. Hannah Höch und Raoul Hausmann entwickelten die Fotomontage. Der Höhepunkt von Berlin DADA war die Erste Internationale Dada-Messe im Jahr 1920. Weitere bedeutende Dadaisten waren Kurt Schwitters, der MERZ-Künstler, in Hannover und Max Ernst in Köln. Einige Aspekte des DADA wurden später vom Surrealismus aufgenommen.
Obwohl die Hochzeit von DADA in den Jahren 1916 bis 1920 lag, haben einige Künstler wie Hannah Höch auch weiter im Sinne von DADA gewirkt. Hannah Höch (Gotha 1889 - West-Berlin 1978) war eine zentrale Künstlerin von Berlin DADA und berühmt für ihre Foto-Collagen. Heute sind Collagen fester Bestandteil des Kunstunterrichts an allen Schulen. Sie lebte von 1917-1933 in der Büsingstraße 16 in Berlin-Friedenau, wo eine Gedenktafel für sie angebracht ist, und von 1939-1978 in Berlin-Heiligensee. Zur Nazi-Zeit war sie natürlich eine entartete Künstlerin.
Ich würde DADA zwischen 1916 und 1920 als eine insgesamt fortschrittliche, innovative Bewegung sehen, künstlerisch und politisch. Was einzelne Mitglieder von DADA danach gemacht haben, kann ich nicht genau überblicken. Was ist von DADA geblieben? Ich habe festgestellt, dass Elemente von DADA in der Berliner Kleinkunstszene immer noch recht beliebt sind. Die Innovation von DADA strahlt bis heute aus. Zum Glück. Wir Trüffelschweine der Kunst sind ja immer auf der Suche nach etwas Neuem, Fröhlichen, Befreienden. Aber die Suche ist heute schwierig, die Trüffel scheinen den Klimawandel nicht zu vertragen.
© Dr. Christian G. Pätzold, Februar 2016.

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2016/01/30

The Topulli family

Judith Kiers

Topulli
Çerçiz Topulli (1880-1915, Albanian freedom fighter of the Rilindja.)

In June I travelled to Albania and went to Gjirokastra, an old town with wonderful architecture of fortified dwellings in Ottoman style, and grey-slated roofs localized to this area. Gjirokastra became UNESCO World Heritage Site in 2005. The old town is clinging towards the mountain, while facing a mountain range on the other side of the river Drino: an ideal place for fighters and traders.
While Gjirokastra became rich under the Ottoman regime, this wealth also created self-esteem in its affluent families and a desire to be recognized as an independent Albanian people. One of these freedom fighters was Cerciz Topulli, born in 1880. In 1907 he was considered one of the important nationalists, fighting for independence throughout Albania.
I bought a card with his picture on it, and did not think twice of the story. I believe I was more intrigued by the way this young man was dressed and his impressive hairstyle. Perhaps I also liked the way he posed for the photographer.
When walking at a snail’s pace through the old town of Gjirokastra, the older part of Dunavat, higher up on the mountain, I passed through a place with many steps leading up to a house. The steps looked not very used, but yet, there were many and the house it lead up to looked impressive enough. However, I took a small path climbing up and up until I had seen all there was to be seen. I decided to try and go down via another route and passed a square where I could only take some steps close to the side of a house. A elderly woman came around the corner to ask what I was doing. I explained I was a tourist and she let me go. When I reached the front of the house I noticed a small plaque, which stated the house had been a museum from 1907-1936. I returned to ask the old lady if indeed it was a museum, could I have a look inside? She told me no, but asked me to come sit with her and her neighbor. I thought: Why not?
And soon her granddaughter appeared, an energetic appearance, carrying a plate of dolma. She prepared a fork for me, and some serviettes and told me I should eat. She also engaged me with questions and stories of herself. Apparently she was studying law in Greece, while she, her parents and brother had lived and grew up there. Father and brother still worked there, but her mother returned to Gjirokastra to work as a sports teacher in school. When the mother also joined the table she stated: ‘Greece is destroyed, no jobs anymore, no income’. The brother was also sitting with us and he told us he worked in a bar. His cousin was younger and still studying at the local Gymnasium. During this talking and eating they told me at one point that they were descendants of the freedom fighter Topulli and that this was his house. The house was no longer a museum, and grandmother lived there as the rightful owner, as she inherited the place. Grandmother had 4 daughters and one son. The granddaughter and her brother are the true descents and will inherit this property one day.
After telling me this story they invited me inside the house and showed me the room that had been the center of the museum. It comprised mainly old photographs and some documents of value. The three youngsters took pride in showing me all, going over the photos, pointing out who was important and why and showing me their great-grand father portrait. In the middle of it all stood a disused dishwasher. The three of them happily posed around it. They could appreciate a joke!
I felt as if these people shared a special gift with me, their history, their background. They were unpretentious though, just nice and trusting in me; it was fun, an unexpected adventure, but also a true discovery, a hidden treasure, the reality of what I would read in the guidebooks.
I left them ‘walking with my head in the clouds’, hardly believing what had just happened to me.
31. Juli 2015.
© Judith Kiers, January 2016.


Die Topulli Familie

Judith Kiers

Im Juni reiste ich nach Albanien und kam nach Gjirokastra, einer alten Stadt mit befestigten Häusern in einem wundervollen osmanischen Architekturstil und mit ortstypischen grauen Dachschiefertafeln. Gjirokastra wurde 2005 UNESCO Weltkulturerbe. Die Altstadt liegt an einem Berghang, gegenüber liegt ein weiterer Bergzug auf der anderen Seite des Flusses Drino, ein idealer Platz für Kämpfer und Händler.
Während Gjirokastra unter der osmanischen Herrschaft reich wurde, wuchs das Selbstbewusstsein innerhalb der wohlhabenden Familien, die als unabhängiges albanisches Volk anerkannt werden wollten. Einer dieser Freiheitskämpfer war Çerçiz Topulli, der 1880 geboren wurde. Im Jahr 1907 galt er als einer der wichtigen Nationalisten, die in ganz Albanien für die Unabhängigkeit kämpften.
Ich kaufte eine Postkarte mit seinem Bild und dachte nicht mehr an die Geschichte. Ich war wohl mehr fasziniert von der Bekleidung des jungen Mannes und von seinem beeindruckenden Haarstil. Vielleicht mochte ich auch seine Pose für den Fotografen.
Als ich im Schneckentempo durch die Altstadt von Gjirokastra lief, durch den älteren Teil von Dunavat, höher am Berg, kam ich auf einen Platz mit vielen Treppenstufen, die zu einem Haus führten. Die Stufen sahen nicht sehr abgenutzt aus, aber es waren viele und das Haus sah sehr beeindruckend aus. Ich ging einen schmalen Pfad immer höher, bis ich alles gesehen hatte, was es zu sehen gab. Ich entschied mich, einen anderen Weg hinab zu gehen und kam an einem Platz vorbei, an dem es nur ein paar Stufen nahe am Haus gab. Eine ältere Frau kam um die Ecke und fragte mich, was ich hier mache. Ich erzählte ihr, ich sei eine Touristin und sie ließ mich laufen. Als ich die Vorderseite des Hauses erreicht hatte, bemerkte ich eine kleine Gedenktafel, auf der stand, dass das Haus von 1907 bis 1936 ein Museum gewesen war. Ich wandte mich wieder an die alte Frau und fragte sie, ob es wirklich ein Museum sei und ob ich es von innen sehen konnte. Sie verneinte es, aber sie lud mich ein, mit ihr und ihrer Nachbarin zu sitzen. Ich dachte mir: Warum nicht?
Bald darauf erschien ihre Enkelin, eine tatkräftige Erscheinung, mit einer Platte voll Dolma. Sie gab mir eine Gabel und Servietten und forderte mich zum Essen auf. Sie wandte sich auch mit Fragen und mit ihren Geschichten an mich. Scheinbar studierte sie Jura in Griechenland. Sie, ihre Eltern und ihr Bruder haben dort gelebt und sind dort aufgewachsen. Ihr Vater und ihr Bruder arbeiten noch dort, aber ihre Mutter ist nach Gjirokastra zurückgekehrt, um als Sportlehrerin in der Schule zu arbeiten. Als die Mutter auch an den Tisch kam, sagte sie: "Griechenland ist kaputt, keine Jobs mehr, kein Einkommen". Der Bruder saß auch bei uns und erzählte, dass er in einer Bar arbeitet. Sein Cousin war jünger und ging noch auf das lokale Gymnasium. Während wir sprachen und aßen sagten sie mir plötzlich, dass sie die Nachkommen des Freiheitskämpfers Topulli seien, und dass dies sein Haus sei. Das Haus sei kein Museum mehr, Großmutter lebe jetzt dort als rechtmäßige Eigentümerin, da sie es geerbt habe. Großmutter hat vier Töchter und einen Sohn. Die Enkelin und ihr Bruder sind die wahren Nachkommen und werden das Haus eines Tages erben.
Nachdem sie mir das erzählt hatten, luden sie mich nach drinnen ein und zeigten mir den Raum, der der Mittelpunkt des Museums gewesen war. Dort gab es hauptsächlich alte Fotografien und einige wertvolle Dokumente. Die drei Jungen zeigten mir stolz alles, und wiesen auf wichtige Personen auf den Fotos hin und zeigten mir das Portrait-Foto ihres Urgroßvaters. In der Mitte des ganzen stand ein ausrangierter Geschirrspüler. Die drei posierten sich darum für ein Foto. Sie verstanden Spaß.
Ich hatte das Gefühl, dass diese Leute mir ein besonderes Geschenk machten, indem sie mir ihre Geschichte und ihr Leben mitteilten. Sie waren nicht protzig, einfach nur nett und vertrauensvoll. Es war ein Vergnügen und ein unerwartetes Abenteuer, aber auch eine wirkliche Entdeckung und ein verborgener Schatz. Die Wirklichkeit von dem, was in den Reiseführern steht.
Als ich sie verließ konnte ich kaum glauben, was ich gerade erlebt hatte.
(Deutsche Übersetzung aus dem Englischen von Dr. Christian G. Pätzold)
© Judith Kiers, Januar 2016.

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2016/01/29

Lesung im Nachbarschaftshaus Friedenau am 5. Februar 2016

Peter Hahn und Jürgen Stich lesen aus ihrem Buch "Friedenau - Geschichte & Geschichten" im Kultur-Café im Nachbarschaftshaus Friedenau, Holsteinische Straße 30, 12161 Berlin.
Am Freitag, 5. Februar 2016 um 19.00 Uhr.
Speziell für diesen Ort - hart an der Grenze zwischen dem historischen Friedenau von 1874 und dem "gefühlten" Friedenau - haben wir Texte ausgewählt, die von den umliegenden Straßen und ihren einstigen Bewohnern erzählen:
Am Beispiel der Holsteinischen Straße befassen wir uns mit den Straßenbenennungen von Friedenau.
In der Fregestraße steht natürlich der Kauf des Hauses Nr. 19 durch Hans Magnus Enzensberger im Vordergrund.
Aus der Dickhardtstraße Nr. 44 erklingt wie einst im Jahre 1920 das Chanson "Jonny, wenn du Geburtstag hast".
Und schließlich möchten wir gerne mit Ihnen über den vielfach geäußerten Wunsch sprechen, unserem Buch "Friedenau - Geschichte & Geschichten" eine weitere Publikation über das "Gefühlte Friedenau" folgen zu lassen.
Eintritt: 6 Euro.

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2016/01/25

Berliner S-Bahn-Desaster

Eleonore Gondek

Ich wollte nach einem Konzert mit der S-Bahn nach Hause fahren und stieg in "Südkreuz" in die S 46. Mir gegenüber saß eine junge Mutter mit einem zirka 9 Jahre alten Mädchen. Nach 2 Stationen stieg die Mutter alleine aus. Bei der Station "Baumschulenweg" fragte mich das Mädchen, ob wir jetzt am "Treptower Park" wären. Ich sagte ihr, nein, wir sind "Baumschulenweg". Nach Treptower Park hätte sie die andere S-Bahn S 42 nehmen müssen.
Da fing sie an zu weinen, dass sie sich gar nicht auskennt, weil sie heute zum ersten Mal ganz alleine 2 Stationen fahren sollte, um sich daran zu gewöhnen. Am Treptower Park sollte sie abgeholt werden. Es rief dann ihre Mutter an, die Kleine war ganz aufgelöst und gab mir das Handy. Ich sagte ihrer Mutter, dass sie in die S 42 hätten steigen müssen und nicht in die S 46, diese würde bis Schöneweide fahren. Ich machte der Mutter den Vorschlag, dass ich mit ihrer Tochter bis Schöneweide fahren würde, um sie dann zur S 8 zu bringen, die auch bis Treptower Park fährt. Da kullerten die Tränchen bei dem Mädchen noch mehr. Ich machte ihr dann den Vorschlag, mit ihr in die S 8 zu steigen und sie dann bis Treptower Park zu begleiten.
Wir sind dann in Schöneweide ausgestiegen. Nach einem weiteren Anruf ihrer Mutter sagte sie ihrer Tochter, dass sie nach Schöneweide kommen würde, um sie abzuholen. Ich sagte ihr, dass ich bis zu ihrer Ankunft bei ihrer Tochter bleiben würde. Da versiegten dann auch die letzten Tränen. Als sie nach zirka 15 Minuten kam, legte sich die Aufregung, Mutter und Tochter waren überglücklich, dass alles so gut auslief. Ich kam dann zwar fast 1 Stunde später zu Hause an, aber das war mir egal. Hauptsache ich konnte einem kleinen Mädchen in seiner Verzweiflung helfen.
© Eleonore Gondek, Januar 2016.

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2016/01/19

Lesung im Café-Winebar Amarcord am 24. Januar 2016

Dr. Christian G. Pätzold liest am Sonntag, dem 24. Januar 2016, um 17 Uhr im Café Amarcord aus »Querdenkerartikeln« und »Tigergeschichten«, das sind Berliner Geschichten von damals und heute.
In der Handjerystraße 55/Ecke Bundesallee, U Friedrich-Wilhelm-Platz, in Berlin-Friedenau.
Frank Wismar singt dazu Berliner Chansons und spielt auf dem Akkordeon.
Die Wirtin Daniela Dohan heißt alle herzlich willkommen.

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2016/01/17

Die Shoah Foundation von Steven Spielberg

Dr. Christian G. Pätzold

1994 erhielt der Film »Schindlers Liste« von Steven Spielberg 7 Oscars in Hollywood: Bester Film, Beste Regie, Bestes Szenenbild, Bestes adaptiertes Drehbuch, Bester Schnitt, Beste Kamera, Beste Musik. Er war damit der erfolgreichste Film des Jahres 1993. Die Geschichte von Schindlers Liste behandelt ein Kapitel des Zweiten Weltkriegs und des Holocaust. Auf Schindlers Liste standen die Namen von polnisch-jüdischen Zwangsarbeitern, die der sudetendeutsche Fabrikant Oskar Schindler (1908-1974) beschäftigte. Die Personen auf der Liste wurden als kriegswichtige Arbeitskräfte bezeichnet und so vor der Ermordung in Auschwitz und anderen KZs bewahrt. Schindler rettete über 1.000 Zwangsarbeiter. Sein Grab befindet sich auf dem Zionsberg in Jerusalem.
Der US-amerikanische Regisseur Steven Spielberg hat selbst jüdische Wurzeln in Ost-Europa. Daher kann man wohl sagen, dass er besonders qualifiziert war, über dieses Kapitel der Geschichte einen Film zu drehen. Jedenfalls wird »Schindlers Liste« als einer der besten Filme der Filmgeschichte angesehen. Aber auch andere Filme von Spielberg waren kommerziell sehr erfolgreich, darunter »Der weiße Hai« (1975), »E.T.« (1982) und »Jurassic Park« (1993).
1994 entstand auch die Shoah Foundation, die mit vollem Namen "Survivors of the Shoah Visual History Foundation" heißt. Sie archiviert Aussagen von Überlebenden der Shoah für Bildungszwecke. Die Shoah Foundation befindet sich heute an der University of Southern California in Los Angeles.
Bei den Dreharbeiten zu »Schindlers Liste« wurde Spielberg von Holocaust-Überlebenden in Krakau angesprochen, die ihre Lebensgeschichte vor der Kamera erzählen wollten. Daraus entstand die Shoah Foundation, die so viele Interviews wie möglich auf Video aufnehmen wollte. Insgesamt wurden 52.000 Personen aus 56 Ländern in 32 Sprachen interviewt. Die Gesamtdauer der Gespräche beträgt 120.000 Stunden. Damit wurden im letzten Moment die Aussagen von Zeitzeugen dokumentiert, von denen viele inzwischen gestorben sind.
Die 52.000 Video-Interviews wurden digitalisiert, außerdem mit Stichwörtern versehen, um die richtigen Stellen zu finden, die man gerade sucht. In Deutschland werden die Videos von der Freien Universität Berlin (FU Berlin) auf einem Server gespeichert und zur Verfügung gestellt. Das muss man der Freien Universität Berlin hoch anrechnen. Die Videos sollen vor allem der Jugend das Wissen über den Holocaust vermitteln. Berlin als Ausgangsort des Holocaust ist jetzt ein Zentrum, das Dokumente des Holocaust zur Verfügung stellt. Das ist eigentlich eine Verpflichtung für die Stadt.
Ein Vorbild für Steven Spielberg war in gewisser Weise der Film »Shoah« von 1985 des französischen Regisseurs Claude Lanzmann. Der neunstündige Dokumentarfilm enthält ausschließlich Interviews mit Zeitzeugen des Holocaust, sowohl mit Opfern als auch mit Tätern. Zu weiteren Dokumentarfilmen von Lanzmann über den Holocaust gehören: »Sobibor, 14. Oktober 1943, 16 Uhr« aus dem Jahr 2001, und »Der Letzte der Ungerechten« aus dem Jahr 2013.
Weitere Informationen enthält der Wikipedia-Artikel "Shoah Foundation" im Internet.
© Dr. Christian G. Pätzold, Januar 2016.

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2016/01/13

Max Beckmann in der Berlinischen Galerie

Dr. Christian G. Pätzold

Berlinische
Eingang zur Berlinischen Galerie in Berlin-Kreuzberg.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold.

Max Beckmann (Leipzig 1884-New York City 1950) hat zweimal in seinem Leben in Berlin gewohnt und gemalt. Das ist der Grund, warum die Berlinische Galerie ihn ausstellt. Das erste Mal lebte er von 1904-1914 in Berlin, von 20 bis 30 Jahren, als er auf der Suche nach seinem Stil war und noch impressionistisch malte. Der Erste Weltkrieg an der Front hat ihn so heftig durchgeschüttelt, dass er vom Impressionisten zum Expressionisten wurde. Immerhin. Dieser Bruch ist in der Ausstellung deutlich sichtbar. Das zweite Mal lebte er von 1933-1937 in Berlin, als er als "entarteter Künstler" herausfinden wollte, ob er mit den Nazis doch noch leben konnte. Er konnte es nicht.
Er ist 1937 nach Amsterdam emigriert, wo er bis 1947 lebte. Die deutschen Besetzer in Amsterdam haben ihn in Ruhe gelassen. Er war ja immerhin arisch. Die Nazis hatten schon ab 1933 Dutzende seiner Bilder aus öffentlichen Sammlungen in Deutschland entfernt. In der berüchtigten Nazi-Ausstellung "Entartete Kunst" in den Münchner Hofgartenarkaden 1937 wurde Beckmann in ganz großem Stil lächerlich gemacht. Seine letzten 3 Jahre lebte er in den USA. Da war er allerdings schon sehr schwach.
Frage: Hat Max Beckmann jemals in seinem Leben ein politisches Bild gemalt? Soviel ich weiß eher nicht. Er malte lieber verrätselte Mythologismen. Er hat sich sein Leben lang um sein Ich gekümmert. Aber zu irgendeiner Form von Wir hat er es nicht gebracht. Er war ein expressiver Maler, aber ein sehr bürgerlicher Expressionist. Harry Graf Kessler nannte ihn mal einen Mann "von mittlerer Bourgeoisie". Die Nazis haben Beckmann einen "Kunstbolschewisten" genannt, aber das war er nun ganz gewiss nicht. Mit der politischen Linken hatte er nie etwas ernsthaft zu tun. Von Malerei und Ästhetik hatte er eine Menge Ahnung, aber nicht von Politik. Am höchsten schätze ich übrigens seine Stillleben und Landschaften ein.
Die goldenen 1920er Jahre hat er nicht in Berlin ausgehalten. Er hat in Frankfurt am Main gelebt. Wahrscheinlich waren ihm die Roaring Twenties in Berlin too much. Was soll ich noch zu den Bildern von Max Beckmann sagen? Er war ein sehr guter Maler, und er wollte immer gern ein Maler von Weltgeltung sein. Aber an bspw. Pablo Picasso hat er nicht herangereicht. Eine richtige Ikone des 20. Jahrhunderts hat er nicht hervorgebracht, so wie Picasso mit »Guernica«. Beckmann ist hauptsächlich als der Maler der schwarzen Konturen in die Kunstgeschichte eingegangen.
Letztlich war er wohl doch der beste deutsche Maler im 20. Jahrhundert. Daher bringen seine Bilder bei Auktionen immer noch Millionen von Dollar ein. Es gibt also immer noch reiche Fans von Max Beckmann und das ist wohl berechtigt. Der Kunstmarkt spiegelt manchmal doch den Wert von Qualität. Obwohl die Preise der Bilder für normale Menschen schon abenteuerlich erscheinen müssen.
Die kleine Max-Beckmann-Schau in der Berlinischen Galerie ist noch bis zum 15. Februar 2016 zu sehen. Ja, wenn ich es so recht bedenke, ist die Ausstellung zu klein ausgefallen. Das Thema war Max Beckmann in Berlin. Aber die Berlinische Galerie ist halt nur ein kleines Museum.

Literatur:
Peter Beckmann: Max Beckmann, Leben und Werk, Stuttgart/Zürich 1982, Belser Verlag.
Max Beckmann, Die Hölle, Berlin 1983, Kupferstichkabinett Berlin Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz.
Stephan Lackner: Max Beckmann, Köln 1991, DuMont Buchverlag.

© Dr. Christian G. Pätzold, Januar 2016.

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2016/01/10

Social Knit Work Berlin

SKWB
Baumschmuck, Berlin-Friedenau, Friedrich-Wilhelm-Platz, Dezember 2015.
Fotografiert von Dr. Christian G. Pätzold.


SKW Berlin ist eine urbane Initiative von Frauen aus Friedenau, die sich seit 2011 regelmäßig zum Stricken und Umgarnen ihres Stadtteils treffen. Bislang wurden Objekte nach dem Zufallsprinzip bestrickt.

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2016/01/08

Tahrir-Platz - Platz der Befreiung
Oder One Billion Rising
14.02.2013

Jenny Schon, Magistra Artium

Männer haben den Platz geschaffen
In Jahrzehnten sich zu befreien...
Tahrir - Platz der Befreiung
Sie haben die Freiheit
Aus der Menge
Eine Frau zu zerren
Die auch demonstriert für Freiheit
Schleifen sie über Asphalt
Kreuzigen die Arme
Trampeln auf ihren Händen
Zerrreißen ihre Kleidung
Die Unterwäsche wird herumgereicht
Die Frau auch...
Sie war noch Jungfrau

Es passiert täglich
Sex ist Macht
Krieg gegen Frauen
Es sei der Mob
Wird gesagt
Väter
Brüder
Gatten
Söhne
Die nach dem Abendgebet
Ihren Auftrag erfüllen
Im Namen Allahs
Die Männerordnung zu
Bewahren
So ganz ohne Bakschisch

Orientalische Plätze
Sind keine Frauenplätze
Ihre Befreiung hat keinen
Öffentlichen Ort
Freiheit ist kein Frauenwort
Hinter dem Vorhang von
Jahrtausenden haben sie die
Aufgabe Söhne zu gebären

Und doch kommen sie
Ungerufen jeden Abend
Auf den Tahrirplatz
Töchter
Es sind auch Brüder darunter
Väter
Söhne
Gatten
Sie halten sich an den
Händen
Schützen die Frauen
One Billion Rising

One Billion Rising for Justice - Internationale Bewegung gegen die Übergriffe auf Frauen.
Zu den Vorfällen an Silvester 2015/16 in Köln -
Auch am Kölner Hauptbahnhof ist so ein Platz, wo Frauen kollektiv sexuell belästigt und vergewaltigt wurden -
Brüder, Väter, Söhne, Gatten, kommt und solidarisiert euch!
© Jenny Schon, Januar 2016.

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2016/01/06

Buchtipp: 500 Jahre »Utopia« von Thomas Morus

Dr. Christian G. Pätzold

Vor genau 500 Jahren, im Jahr 1516, erschien das Buch »Utopia« des englischen Politikers Thomas Morus, auch Thomas More genannt, gedruckt in Löwen. Und seitdem ist es auch immer ein bekanntes und viel diskutiertes Buch geblieben, ein politischer Klassiker. Denn sein Bericht von den vorbildlichen politischen Einrichtungen auf der Insel Utopia begründete eine ganz neue Literaturgattung, den utopischen Roman. Nach der »Utopia« sind einige andere Utopien erschienen. Ich möchte hier nur an die Utopien von Tommaso Campanella, Francis Bacon, Charles Fourier, Etienne Cabet, Edward Bellamy, William Morris oder Ernest Callenbach erinnern. Der vollständige Titel des Buches lautet: »Ein wahrhaft goldenes Büchlein von der besten Staatsverfassung und von der neuen Insel Utopia«.
Die Lebensgeschichte von Thomas Morus ist gut bekannt. Daher kann ich mich auf wenige Angaben beschränken. Er wurde 1478 in London geboren, war ein bedeutender englischer Politiker unter König Heinrich VIII. Gleichzeitig war er ein Humanist und Gelehrter der Renaissance, der mit Erasmus von Rotterdam befreundet war. Als Katholik wurde er 1535 wegen Hochverrats angeklagt und im Tower von London enthauptet. 1935 wurde er heilig gesprochen und im Jahr 2000 vom Vatikan zum Schutzheiligen der Politiker ernannt.
Utopien sind Bücher, in denen eine positive gesellschaftliche Organisation beschrieben wird, die den schlechten aktuellen Zuständen gegenüber gestellt wird. Utopien sind daher von Menschen verfasst, die sowohl etwas zu kritisieren haben als auch positive Vorschläge zur Verbesserung machen wollen. In der »Utopia« des Morus wird die Schilderung der Verhältnisse in dem Staat Utopia dem Reisenden Raphael Hythlodeus in den Mund gelegt. Das führt zu der Schwierigkeit, dass nicht Morus selbst spricht und argumentiert, sondern seine Kunstfigur Raphael. Man muss also sehr aufpassen, wer gerade redet.
Berühmt ist die »Utopia« des Thomas Morus vor allem wegen ihrer offensichtlichen Befürwortung des Gemeinbesitzes oder Kommunismus der Utopier. Morus beruft sich dabei auf den antiken griechischen Philosophen Platon, der auch in seiner Schrift »Staat« den Kommunismus befürwortet hatte. Es ist aber rätselhaft, ob Morus ein Kommunist war. Denn er legt die Schilderung des Kommunismus dem Reisenden Raphael Hythlodeus in den Mund. Man kann sie also nicht mit den Worten des Autors gleichsetzen. Hinzu kommt, dass der Name Hythlodeus "Schwätzer" oder "Aufschneider" bedeutet. Und Morus bezweifelt ausdrücklich in der Ich-Rede die Aussagen des Hythlodeus zum Kommunismus. Morus äußert leise Zweifel, ob dann überhaupt noch jemand arbeiten würde, wenn es alles umsonst gibt.
Andererseits heißt es in dem Buch ausdrücklich, dass in Utopia streng darauf geachtet wird, dass alle arbeiten. Der Gemeinschaftsbesitz der Utopier bezieht sich vor allem auf ihre Häuser und Grundstücke, die ihnen vom Staat zugewiesen werden, sowie auf ihre Lebensmittel, die aus staatlichen Magazinen kostenlos verteilt werden. Die Arbeit der Utopier wird auch vom Staat organisiert. Für die ganz unbeliebten Arbeiten hat man in Utopia übrigens Staatssklaven (Straftäter). Das hört sich heutzutage schon ziemlich befremdlich an.
Die bekannteste Stelle über den Kommunismus in der »Utopia«, von Raphael gesprochen, lautet:

"Kurzum, wenn ich das alles so bei mir betrachte, werde ich dem Plato doch besser gerecht und wundere mich nicht mehr so sehr, dass er es verschmäht hat, solchen Leuten überhaupt noch Gesetze zu geben, die sich gegen gesetzliche gleichmäßige Verteilung aller Lebensgüter auf alle Staatsbürger sträubten. Denn das hat dieser tiefe Denker ohne weiteres gesehen, dass nur ein einziger Weg zum Wohle des Staates führe: die Verkündigung der Gleichheit des Besitzes, die doch wohl niemals durchgeführt werden kann, wo die einzelnen noch Privateigentum besitzen. Denn solange jeder aufgrund gewisser Rechtsansprüche, soviel er nur kann, an sich zieht, mag die Menge der vorhandenen Güter noch so groß sein, sie wird doch nur unter wenige aufgeteilt, und für die übrigen bleibt Not und Entbehrung.
...
So bin ich denn fest überzeugt, dass der Besitz durchaus nicht auf irgendeine billige oder gerechte Weise verteilt und überhaupt das Glück der Sterblichen nicht begründet werden kann, solange nicht vorher das Eigentum aufgehoben ist; solange es bestehen bleibt, wird vielmehr auf dem weitaus größten und weitaus besten Teil der Menschheit Armut, Plackerei und Sorgen als eine unentrinnbare Bürde weiter lasten." (Deutsche Übersetzung von Gerhard Ritter).

Diese Argumentation kann man noch heute nachvollziehen. Man kann natürlich sagen: Einen Moment mal, so einfach ist das nicht. Man schafft das Privateigentum ab und alle Menschen sind glücklich. Wenn dann Staatsbürokraten über die Wirtschaft bestimmen, muss es nicht unbedingt besser werden. Andererseits kann es heute auch nicht so bleiben, wie es ist. Die Millionäre und Milliardäre dieser Welt werden immer reicher und auf der anderen Seite verhungern Millionen von Menschen.
Die Interpretationen der »Utopia« in der Vergangenheit waren vielfältig. Mir scheint es klar zu sein, dass Morus den antiken Kommunismus von Platon ernst nimmt. Auch wenn er Zweifel äußert, ob das wirklich funktionieren kann. Unwillkürlich assoziiert man auch den Kommunismus der Urchristen in der Apostelgeschichte, denn die Bibel war natürlich das Buch, das im 16. Jahrhundert am bekanntesten war. Diese Interpretation führte dazu, dass Karl Kautsky den Morus 1888 als "Vater des utopischen Sozialismus" bezeichnete, eine Stellung, die er im Marxismus behalten hat.
Mir scheint es auch nicht problematisch, dass Platons Kommunismus und der Kommunismus der Utopier beide heidnisch sind. Wenn man sich den christlichen Kommunismus der Apostelgeschichte dazu denkt, dann kann das für einen Humanisten der Renaissance durchaus übereinstimmen. Humanisten wie Morus haben die antiken Philosophen mindestens so hoch eingeschätzt wie die christlichen Lehren. Man kann vielleicht seine Zeitgenossen noch für nicht reif für den Kommunismus halten, ohne den Kommunismus als Idealzustand aufzugeben. In der »Utopia« heißt es, Raphael habe den Utopiern erzählt, "Christus habe die kommunistische Lebensführung seiner Jünger gutgeheißen, und dass diese in den Kreisen der echtesten Christen noch heute üblich sei", womit offenbar die katholischen Mönche gemeint sind. Thomas Morus war wohl ein sehr katholischer Kommunist.
Der marxistische Kommunismus unterschied sich vom antiken Kommunismus, vom christlichen Kommunismus und vom utopischen Kommunismus. Marx ging von der Idee der Freiheit aus. Er sah Arbeit und Betätigung als psychische Grundbedürfnisse der Menschen. Unter den Bedingungen der Freiheit im Kommunismus werde Arbeit daher eine Freude sein. Morgens angeln und abends Essays schreiben, und zwischendurch etwas lesen. Die Entwicklung der Technik und der Produktivkräfte werde zu einem allgemeinen Wohlstand im Kommunismus führen.
Insgesamt ergeben sich mit dem Buch viele Fragen. Zu den weiteren interessanten Aspekten gehört auch das Gleichgewichtsdenken in der »Utopia«, denn die Bevölkerung in Utopia nimmt nicht zu. Bei einem Bevölkerungswachstum gründen die Utopier Kolonien im Ausland.
Das ganze Buch »Utopia« ist im Stil der antiken Philosophen geschrieben, deren Niveau man damals in der Renaissance wieder erreichen wollte. Daher muss man sich erst etwas einlesen, um sich an die Argumentationsweise zu gewöhnen. Anmerkungen sind auch sehr hilfreich, damit man die Anspielungen auf Stellen bei antiken Autoren mitbekommt.
Das Buch »Utopia« ist in lateinischer Sprache der Renaissance verfasst und da stellt sich natürlich gleich die Frage nach einer guten Übersetzung, denn heute kann kaum noch jemand flüssig lateinisch lesen. Ich habe es mal mit der Übersetzung von Gerhard Ritter versucht, die bei Reclam erschienen ist. Es gibt auch weitere deutsche Übersetzungen, denn das Buch ist ein politischer Klassiker. Die Übersetzung von Ritter geht schon auf 1922 zurück, ist etwas angestaubt, aber noch passabel. Der Vorteil der Ausgabe von Reclam ist die Zweisprachigkeit. Man hat ein gutes Gefühl, wenn man zur Not auch das lateinische Original analysieren könnte. Die Register der Ausgabe sind auch gut.
Thomas Morus, Utopia, Lateinisch/Deutsch, Übersetzung von Gerhard Ritter, Stuttgart 2012, Verlag Philipp Reclam, 9,80 Euro, ISBN 978-3-15-018875-0.
© Dr. Christian G. Pätzold, Januar 2016.

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2016/01/04

Die Satisfaktion begann viel früher...
und wurde nicht befriedigt - bis heute.
Zum Artikel über Satisfaktion vom 23. Oktober 2015

Jenny Schon, Magistra Artium


Ich war 1965 dabei, zumindest in der Nähe, hab die Stimmung dann am Kudamm, der damals noch Kulturdamm war, mitgekriegt, ich verkaufte nämlich abends nach Feierabend meine eigene Zeitschrift "Mensch", die gegen den § 218 und die Notstandsgesetze konterte, die den Faschismus anprangerte und sich für einen schöpferischen Humanismus einsetzte, frei nach Marx, morgens zu angeln und abends Essays zu schreiben und manchmal auch wahnsinnig verliebt zu sein. Ich war noch nicht 23 Jahre alt, hatte schon eine Lehre als Steuerfachfrau in Köln hinter mir und wurde als solche 1961 nach Westberlin geworben, weil durch den Mauerbau die Ost-Arbeitskräfte über Nacht nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz in Westberlin arbeiten konnten und junge westdeutsche Arbeitskräfte benötigt wurden. Ich ging ab Herbst 1962 auf das Abendgymnasium in Wilmersdorf, um das Abitur nachzumachen, was mir als Mädchen im Rheinland verwehrt worden war. Brach aber mit der Mittleren Reife ab, um die Buchhändlerprüfung zu machen, denn ich arbeitete schon einige Jahre im Buchhandel am Kudamm.
1957 war ich im Rheinland nach 8 Volksschulklassen entlassen worden, obwohl ich eine Empfehlung für die Höhere Schule hatte, was wir uns als Arbeiterfamilie aber nicht leisten konnten, weil es Schulgeld kostete. Ich ging - wie erwähnt - in die Lehre. Ich war nicht nur Unterschichtkind, sondern zudem mütterlicherseits aus Vertriebenenkreisen, das heißt, ich war nicht anerkannt, wurde als Pimock (Fremdling etc.) beschimpft und teils in der Nachbarschaft ausgeschlossen. Um mich gab es viele Flüchtlings- und Vertriebenenkinder, aber man versuchte, das zu verstecken, man versuchte, Kölsch zu sprechen. Von einer schnellen und erfolgreichen Integration kann noch lange nicht gesprochen werden. Erst ca. 10 Jahre nach dem Krieg begannen langsam die Unterschiede und Unterscheidungen zu verwischen.
Wesentlich dazu beigetragen hat die Rock-n-Roll-Musik von Little Richard und Elvis Presley, wir waren die Halbstarken, als Halbstarke hatten wir eine gemeinsame Identität, wir waren die 1. Jugendbewegung der BRD, und wir waren eine Jugendbewegung der Unterschicht! Als dann 1956/57 in Westberlin der gleichnamige Film „Die Halbstarken“ mit Horst Buchholz und Karin Baal gedreht wurde, hatte die Bewegung auch in Deutschland ein Gesicht: Hotte. Da der Film ab 16 Jahren freigegeben war, musste man sich älter machen, um reinzukommen. Wir Mädchen trugen Petticoat und flache Schuhe und Ringelsöckchen und ein keckes Nickitüchlein um den Hals und tanzten nach Elvis’ Rhythmen Rock-n-Roll mit Überschlag, dass die gesteiften Unterröcke nur so blitzten und die Schwiegermütter in spe in Ohnmacht fielen und ihren bürgerlichen Söhnen verboten, so was auch nur anzugucken. Nein, die vom Gymnasium hatten Pickel und schlacksten mit ihren schweren Schultaschen über den Marktplatz, nie hätten sie getanzt mit einem Mädchen wie mir. Der größte Spaß war, wenn Kirmes war, und im Rheinland ist mindestens 4mal Kirmes im Jahr und dann ja auch noch die lange Saison vom Karneval, da gab es immer was zu tanzen. 1957 und 1958 war wie ein Rausch, wobei wir ja nur nach Feierabend und am Wochenende herumziehen konnten, wie meine Mutter das nannte, wenngleich sie die Prozedur der Petticoatstärkerei unterstützte und sogar die Mode schön fand!
Bei unseren Umzügen des Abends durch die Straßen wurde auch schon mal ein Kaugummiapparat geknackt, denn Kaugummigauen war ein Muss! Und die Jungens kämmten ihre Haare mit ordentlich Gel drin an jedem spiegelnden Fenster nach hinten, so dass sie in einem Entenarsch (Duck's Ass) zusammenkamen. Wer den schönsten Bürzel hatte, hatte die größten Chancen. Nachdem Elvis von New York aus per Truppentransporter in Bremerhaven ankam, ich war erst neulich im Überseehafen Bremerhaven, wo eine Gedenktafel angebracht ist, diente er vom 1. Oktober 1958 bis zum 2. März 1960.
In dieser Zeit hatte ich schon einen Bewusstseinswandel vollzogen, ich ging in die Jazzkeller von Köln, hörte Dave Brubeck und Chris Barber, las Nietzsche, Sartre, Camus, dessen Tod 1960 uns erschütterte. Als ich am 31.12.1961 zur Silvesterfeier in Berlin-Zehlendorf mit einem Gymnasiasten vom Arndt-Gymnasium in Dahlem tanzte, war ich bereits eine Existenzialistin und sah aus wie Juliette Greco und fragte meinen Tanzpartner ganz im Sinne Nietzsches: "Ist Gott nun tot oder nicht?" Ich war gerade 19 Jahre alt geworden.
Als - wie eingangs erwähnt - 1965 die Rolling Stones in die Waldbühne einzogen, konnte ich cool bleiben, meine Satisfaktion hatte schon stattgefunden bzw. bekam eine neue Qualität, ich las Marx’ Kapital und begriff, dass es dauern könnte mit der Befriedigung... dass ich sie bei den 68ern auch nicht erlangte, ist selbstredend, aber es waren schöne Zeiten, die schönsten meines Lebens: Rock-n-Roll-Existenzialismus-Flower-Power-Marxismus - Make love not war!

Jenny Schon als Juliette Greco

Jenny

© Jenny Schon, Januar 2016.

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2016/01/03

Sag mir, wo die Blumen sind

Jenny Schon, Magistra Artium


Blumen


Vorabdruck aus dem im März 2016 erscheinenden Gedichtband von
Jenny Schon: endlich sterblich - de brevitate vitae, Geest Verlag, Vechta.
© Jenny Schon, Januar 2016.

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2016/01/01

Prost Neujahr!

Dr. Christian G. Pätzold

Zum einjährigen Geburtstag von www.kuhlewampe.net kann man schon mal ein Fazit ziehen. Ich habe festgestellt, dass es nicht so einfach ist, Menschen zu motivieren, ihre Gedanken ins weltweite Netzwerk zu stellen. Daher ist die Zahl der Mitschreibenden bei Kuhle Wampe überschaubar geblieben. Aber vielleicht kommen ja noch mehr dazu. Ich sehe Kuhle Wampe als so eine grüne Sommer-Spielwiese, auf die man seine Texte und Bilder stellen kann, um zu sehen, wie sie sich machen. Später kann man alles gesammelt immer noch als Buch herausbringen, wenn man es möchte. Daher ist das Internet eine Chance und eine Möglichkeit. Das Büchermachen ist mit dem Digitaldruck auch relativ einfach geworden.
Die Resonanz auf die Beiträge in Kuhle Wampe könnte größer sein. Als Schreiber wünscht man sich etwas Feedback. Also liebe LeserInnen, überwindet eure Trägheit und schreibt mal etwas (Leserbrief, Anmerkung, Kommentar)! Es kann auch gerne eine Kritik sein. Mit der Anzahl der Seitenaufrufe bin ich schon fast zufrieden. Man muss kleine Brötchen backen, denn das Angebot im Netz ist groß. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass Kuhle Wampe ohne Werbung und ohne Katzenfotos auskommt, was heutzutage schon eine Rarität ist.
Die Beiträge des Jahres 2015 stehen jetzt im Archiv 2015, das über die Schaltfläche im Kopf der Seite erreichbar ist. Und so beginnt jetzt mit 2016 ein neues Jahr mit neuen Beiträgen. Ich bin zuversichtlich, dass uns Mitschreibern interessante Ideen einfallen werden.
Optisch ist die Seite neu tapeziert. Die Rhododendren als Hintergrundbild des Jahres 2015 sind jetzt durch den Kalifornischen Goldmohn, bei Botanikern als Eschscholzia californica bekannt, für 2016 ersetzt. Der Goldmohn macht auf mich so einen fröhlichen Eindruck. Der Goldmohn wird auch Schlafmützchen genannt, aber ich hoffe, dass die Webseite trotzdem nicht einschläft. Die Schlafmützchen im Hintergrund sollen nur beruhigend wirken. Ich habe den blühenden Goldmohn Anfang Juni im Botanischen Garten Berlin Dahlem fotografiert.
Inzwischen gibt es im Netz einige Kulturblogger und Kulturbloggerinnen. Sehr schön! Manche werkeln solo, andere im Kollektiv. Schaut auch dort mal hinein. Die Bloggerei kann sehr vielfältig sein.
Richtschnur von kuhlewampe.net als Qualitäts-Plattform ist stets der höchste Standard der Beiträge. Das gilt sowohl für die inhaltlich-analytische Durchdringung der Themen als auch für die sprachliche Qualität der Texte. Die ausgesuchten kulturellen Themen sind stets von besonderer Bedeutung und Wichtigkeit. Nur durch diese Strategie kann kuhlewampe.net einen Spitzenplatz im kulturellen Diskurs erreichen und beachtet werden.
Kann man vorhersagen, was 2016 passieren wird? Ich glaube nicht. 2016 ist jedenfalls kein besonderes Gedenkjahr. Im vergangenen Jahr kamen die Terroranschläge von Paris, von Charlie Hebdo und Bataclan, ziemlich unerwartet. Auch mit den vielen flüchtenden Menschen aus Syrien hat man nicht gerechnet. Es könnte sein, dass es 2016 so weiter geht. Vielleicht zerfällt ja auch Europa. Fest steht, dass Breslau in Polen und Donostia - San Sebastián im Baskenland die beiden Kulturhauptstädte Europas sein werden.
Schließlich möchte ich allen danken, die im letzten Jahr großzügig und gratis etwas zu kuhlewampe.net beigetragen haben: Ferry van Dongen, Achim Rosenhahn, Jenny Schon, Edelgard Achilles, Frank Wismar, Henner Reitmeier, (cc)MiMaiMix und Judith Kiers. Dr. Eckhard Hammel hat das Template zur Verfügung gestellt.


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